OGH 13Os5/06v

OGH13Os5/06v22.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl Heinz M***** und eine weitere Angeklagte wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl Heinz M***** sowie über die Berufung der Mitangeklagten Waltraud L***** gegen das Urteil des Geschworengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 10. November 2005, GZ 10 Hv 141/05x-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Karl Heinz M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch der Mitangeklagten Waltraud L***** sowie unangefochten gebliebene Teilfreisprüche enthält, wurde Karl Heinz M***** (richtig:) zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 dritter und vierter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Graz (zu Punkt I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Waltraud L*****) Jana Li***** durch Gewalt und Entziehung der persönlichen Freiheit, „nämlich durch Festhalten, Stoßen in die Badewanne, Fesseln der Füße und Hände mittels eines Klebebandes und durch Knebeln sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), nämlich durch Vorhalten eines Messers sowie durch die Äußerungen, er werde sie umbringen, falls sie schreien werde, er werde sie an 'Mehmet', einen Mafiaboss, 'verkaufen', wenn sie nicht mitmache, dann werde sie ihre Tochter nie mehr sehen"

I. im Zeitraum vom 26. Mai 2005 bis 27. Mai 2005 zur Duldung des Beischlafes sowie zur Vornahme oder Duldung weiterer dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar zur „Duldung des Leckens ihrer Scheide durch Waltraud L*****, Duldung des Einführens von Fingern in ihre Scheide durch Waltraud L*****,

Vornahme des Leckens an der Scheide und der Einführung von Fingern in

die Scheide der Waltraud L*****,

Duldung des Analverkehrs durch Karl Heinz M*****,

Vornahme eines Oralverkehrs an Karl Heinz M*****," und II. während der Abwesenheit der Waltraud L***** am 27. Mai 2005 zur Duldung des Beischlafes genötigt,

„wobei die genötigte Jana Li***** durch die zu I. und II. angeführten Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde."

Die Geschworenen bejahten einstimmig die im Wesentlichen anklagekonform gestellte Hauptfrage I. nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 dritter und vierter Fall StGB; die (nach weiteren - als Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 dritter und vierter Fall StGB angeklagten - Tathandlungen gestellte) Hauptfrage II. sowie die (eine allfällige Zurechnungsunfähigkeit der Angeklagten L***** betreffende) Zusatzfrage wurden einstimmig verneint. Eventualfragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus Z 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl Heinz M***** geht fehl.

Mit der Tatsachenrüge (Z 10a) bringt der Angeklagte im Wesentlichen vor, er habe Jana Li***** lediglich zu einem Oral- und Handverkehr aufgefordert, den diese - nach Befreiung von den Hand- und Fußfesseln - freiwillig durchgeführt habe. Der Zeugin sei auch das Verlassen der Wohnung jederzeit möglich gewesen. Überdies habe er aufgrund seiner Erkrankung an Diabetes mellitus A Potenzprobleme, weshalb er die von Jana Li***** geschilderten sexuellen Praktiken nicht durchführen habe können.

Diese auf kontextentkleideter Zitierung isolierter Passagen der Einlassung des Angeklagten beruhenden Ausführungen sind nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491), stehen die nunmehrigen Behauptungen doch im Widerspruch nicht nur zur teils geständigen Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (AS 482/I, 8/II), sondern lassen auch die gegenteiligen Angaben der Mitangeklagten L***** (AS 499 ff/I) sowie die stets gleichlautenden Depositionen der Zeugin Li***** (AS 53 ff/I, 227 ff/I) außer Acht, die Dauer, Intensität und Modalitäten der Missbrauchshandlungen detailliert und widerspruchsfrei geschildert hat.

Die Subsumtionsrüge (Z 12) bekämpft die erstgerichtliche Annahme der Qualifikationsvoraussetzungen des längerzeitigen Versetzens in einen qualvollen Zustand und der besonderer Erniedrigung des Opfers. Indem sie aber deren Nichtvorliegen unter Verweis auf nicht näher bezeichnete Judikatur und Lehrmeinungen und gestützt auf die - nicht aktenkonforme (AS 239 f/I) - Behauptung, durch die Fesselungen seien keine erheblichen Schmerzen oder Qualen zugefügt worden, bloß postuliert, ohne sie methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (WK-StPO § 281 Rz 588), lässt sie die gebotene Orientierung an den Verfahrensgesetzen vermissen. Zudem verfehlt sie - an „Beweisergebnissen" statt am Wahrspruch der Geschworenen Maß nehmend - den gesetzlichen Bezugspunkt.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Qualifikation des § 201 Abs 2 dritter und vierter Fall StGB, tatsächlich gegeben ist. Angesichts der stundenlangen Fesselungen sowie zeitweiser Knebelung des Opfers, der fortgesetzten Bedrohung mit dem Tod bzw dem „Verkauf" an einen Menschenhändler und dem wiederholten Missbrauch zu Vaginal-, Anal- und Oralverkehr (auch vor einer dritten Person) sowie dem Zwang zu gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen begegnet die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion bei der gebotenen Gewichtung aller konkreten Umstände im Kontext des gesamten Tatablaufs (vgl SSt 63/151) keinen Bedenken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen ergibt (§§ 285i, 344 StPO), wobei auch die unvollständig erfolgte Vorhaftanrechnung (AS 31/I) zu berücksichtigen sein wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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