OGH 14Os133/05y

OGH14Os133/05y17.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Lamene S***** wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 2 SMG und anderer strafbarer Handlungen über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Juli 2005, GZ 12 Hv 85/05a-78, sowie über diese Rechtsmittel selbst nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Angeklagten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung seiner Rechtsmittel bewilligt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Lamene S***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 2 SMG (1.), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (2.) und der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB (3.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Antrag zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Die Verteidigerin meldete gegen dieses Urteil sogleich Nichtigkeitsbeschwerde und „volle" Berufung an und gab unter einem die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt (S 505/IV). Nachdem der in der Folge gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellte Verteidiger (ON 85) diese Rechtsmittel innerhalb der Frist des § 285 Abs 1 StPO nicht ausgeführt hatte, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde mit erstgerichtlichem Beschluss vom 28. Oktober 2005 gemäß § 285a Z 2 StPO zurückgewiesen (ON 87).

Nach dem glaubhaften und durch eine eidesstättige Erklärung der Betroffenen belegten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag kam es zufolge Unkonzentriertheit wegen Erwartung einer kulturellen Veranstaltung dazu, dass die ansonsten verlässliche Kanzleileiterin nach Übernahme der Urteilsausfertigung am 26. August 2005 das Ende der vierwöchigen Berufungsfrist irrtümlich mit Datum „30. September 2005" ins Fristenbuch eintrug. Nach Lage des Falls trifft den Verteidiger nur ein Versehen minderen Grades in Bezug auf die ihm am 28. Oktober 2005 durch Zustellung des genannten Zurückweisungsbeschlusses zur Kenntnis gelangte Versäumung der Rechtsmittelausführung (§ 364 Abs 1 Z 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Lamene S***** „in Graz sowie an

weiteren Orten

1. von 2002 bis Mitte Juni 2004 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer mehrfach großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen in Verkehr gesetzt, indem er in mehreren Angriffen im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils als Mittäter, teils als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) mit den abgesondert verfolgten Mitgliedern der Verbindung Saihou C*****, Yaya T*****, Ebrahim Ce*****, Sidi Marlon B*****, Sissi A*****, Bakari Ca*****, Jambo Sa*****, Gidion G***** und Dickson U***** sowie mit weiteren nicht näher bekannten Personen und Mittätern dieser kriminellen Organisation über die bereits zu AZ 12 Hv 172/04v des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gegenständlichen Tathandlungen hinaus Cannabis, Heroin und Kokain in einer insgesamt nicht näher bekannten, jedenfalls aber mehrfach die große Menge (§ 28 Abs 6 SMG) überschreitenden Gesamtmenge an einzelne als „Streetrunner" tätige Mitglieder der Organisation auf Kommission zum gewinnbringenden Verkauf weitergab und die Beschaffung dieser Suchtgifte, die von den Streetrunnern gewinnbringend weiterverkauft wurden, organisierte und koordinierte;

2. von 2002 bis Mitte Juni 2004 sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen als Mitglied beteiligt, die ausschließlich auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich des unerlaubten Verkehrs mit Suchtmitteln, die in gewerbsmäßiger Absicht ausgerichtet war, die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebte und sich durch häufigen Mobiltelefonwechsel und Verwendung von Codewörtern bei den Telefongesprächen auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versuchte, indem er die unter Faktum 1. des Schuldspruchs beschriebenen Taten, somit strafbare Handlungen im Rahmen der kriminellen Ausrichtung des der Art organisierten Zusammenschlusses der genannten Personen beging, indem Lamene S*****, Saiho C*****, Yaya T***** und Ebrahim Ce***** jeweils auf einer höheren Ebene der Organisation sowie die weiteren vorgenannten Personen auf Ebenen darunter sowohl die Beschaffung als auch die Verteilung des von ihnen verkauften Suchtgiftes koordinierten und durchführten;

3. vom 28. Februar 2004 bis 17. Mai 2004 Vermögensbestandteile in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, die aus den unter Faktum 1. des Schuldspruchs beschriebenen gewinnbringenden Suchtgiftverkäufen der Streetrunner der Organisation, somit aus Verbrechen herrührten, wissentlich an sich gebracht, verwahrt, verwaltet und Dritten übertragen, indem er zumindest 142.190 Euro an Erlösen aus den Suchtgiftverkäufen entgegennahm und nach Gambia über Geldkuriere, teilweise auch Off-Shore-Überweisungen verbringen ließ."

Der dagegen allein aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zuwider haben die Tatrichter den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Christian E*****, Kemo T***** und Emmanuel I***** (S 229, 495 f/IV) mit Recht abgewiesen.

I***** ist unbekannten Aufenthalts und konnte von der Polizei nicht ausgeforscht werden (ON 75). Gleiches gilt für Kemo T*****, der vermutlich unter einem anderen Namen um Asyl angesucht hatte (S 241/IV).

Da auch die Verteidigerin des Angeklagten keine ladungsfähigen Adressen nennen konnte (S 495 f/IV), erweisen sich die angesprochenen Beweisaufnahmen als undurchführbar (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 29, 31; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340).

Darüber hinaus mangelt es sämtlichen Beweisanträgen am essentiellen Erfordernis der Bekanntgabe, warum die begehrte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, aaO Rz 327). Dies lag keineswegs auf der Hand (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 18). Zum Beweisthema, dass der Angeklagte nicht Mitglied einer kriminellen Organisation war und nicht die Beschaffung und den Verkauf von harten Drogen wie Heroin und Kokain organisierte oder solche an Streetrunner weitergab (S 229/IV) bzw seit 2001 nicht mit Heroin und Kokain handelte (S 495/IV), wird nämlich - über entsprechende Anleitung des Vorsitzenden - lediglich ausgeführt, Kemo T***** kenne den Angeklagten gar nicht (S 495/IV), hinsichtlich I***** könne nicht näher dargelegt werden, warum dieser substantielle Angaben machen könne und E***** sei in näheren Kontakt mit dem Angeklagten, mit dem er zusammengewohnt habe, gestanden (S 497/IV). Hätte es doch auch hinsichtlich des letztgenannten Zeugen einer Behauptung bedurft, warum dieser über das beschriebene „Naheverhältnis" hinaus - entgegen jeder Lebenserfahrung - während des gesamten Tatzeitraums einen so intensiven räumlichen Kontakt mit dem Nichtigkeitswerber gehabt haben solle, der ihm die betreffenden Negativfeststellungen ermöglicht hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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