OGH 14Os109/05v

OGH14Os109/05v17.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard B***** wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach §§ 15, 209 StGB, AZ 11 EVr 666/00 des Landesgerichtes Wels, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Antrag des Gerhard B***** auf Erneuerung des Strafverfahrens wird Folge gegeben.

Die Urteile der Einzelrichterin des Landesgerichtes Wels vom 25. September 2000, GZ 11 EVr 666/00-8, sowie des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 20. Februar 2001, AZ 7 Bs 328/00 (= ON 14), werden aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur Erneuerung des Strafverfahrens an das Landesgericht Wels verwiesen.

Text

Gründe:

Mit durch Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 20. Februar 2001, AZ 7 Bs 328/00 (= ON 14), bestätigtem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 25. September 2000, GZ 11 EVr 666/00-8, wurde Gerhard B***** des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach §§ 15, 209 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er am 3. Juni 1998 in Wels dadurch, dass er den am 29. September 1981 geborenen Mario M***** über seiner Hose am Geschlechtsteil betastete, ihn zum Oralverkehr aufforderte und schließlich vor ihm onanierte, als Person männlichen Geschlechts nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres versuchte, mit einer Person, die das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben. Mit Erkenntnis vom 2. Juni 2005 (application no. 15306/02) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine in der Verurteilung wegen § 209 StGB gelegene Verletzung des Art 14 iVm Art 8 EMRK fest, weil - mit dem Verweis auf die präjudizielle Entscheidung des EGMR vom 9. Jänner 2003, L. und V. gegen Österreich (applications nos. 39392/98 und 39829/98), zum Ausdruck gebracht - die in dieser Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt ist und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt.

Aufgrund dieses Urteils beantragte Gerhard B***** die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von der angeführten Entscheidung des EGMR sind die Voraussetzungen für die Erneuerung des Strafverfahrens gegeben:

§ 209 StGB wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 (G 6/02) unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch das am 14. August 2002 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, wurde die Strafbestimmung des § 209 StGB beseitigt. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter bestimmten, hier nicht erfüllten Voraussetzungen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Zur Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung normiert die Übergangsregelung (Art X StRÄG 2002), dass nach Aufhebung des Urteils erster Instanz unter anderem infolge Erneuerung des Strafverfahrens im Sinn der §§ 1 und 61 StGB vorzugehen ist.

Da die Konventionsverletzung einen für den Verurteilten, dessen neuerliche Bestrafung wegen des in Rede stehenden Verhaltens nach dem Gesagten nicht mehr in Betracht kommt, nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidung ausübt (§ 363a Abs 1 StPO) und nicht dem - mit dem Straffall bisher nicht befassten - Obersten Gerichtshof zuzurechnen ist, war in Stattgebung des Erneuerungsantrages und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 3 StPO zu entscheiden (vgl Reindl, WK-StPO § 363c Rz 8; 14 Os 82/05y; 15 Os 112/04; 13 Os 77/03; 14 Os 109/01; 13 Os 150/98 ua).

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