OGH 12Os144/05a

OGH12Os144/05a12.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Popelka als Schriftführer, in der Strafsache gegen Blerim H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 23. September 2005, GZ 23 Hv 113/05h-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Geschworenengerichtes wurde der Angeklagte Blerim H***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 vierter Fall StGB (1.) und nach § 201 Abs 1, (insoweit bloß eine einzige Qualifikation verwirklichend - EvBl 1990/119; 2002/78, zuletzt 11 Os 33/05w; Kienapfel/Schmoller StudB BT III §§ 201-202 RN 39; Fabrizy StGB8 § 201 Rz 10) Abs 2 dritter und vierter Fall StGB (2.) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Dornbirn Bettina B*****

1. am 27. März 2005 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie zunächst mit beiden Händen ins Gesicht schlug, auf die Couch zerrte, ihr Gesicht auf die Rückenlehne der Couch presste, sodass sie sich nicht mehr wehren konnte, dann von hinten wiederholt vaginal in sie eindrang, sie vor der Ejakulation jedoch aufforderte, sich umzudrehen und sodann auf ihre Brust ejakulierte, wodurch die Genannte in besonderer Weise erniedrigt wurde;

2. am 29. März 2005 mit gegen sie gerichteten Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr die Klinge eines Taschenmessers an ein Auge hielt und ihr drohte, er werde ihr damit das Auge ausstechen oder ihr sonst etwas abschneiden, sie sodann aufforderte, sich auszuziehen, zu ihm ins Bett zu kommen, wo sie sich zunächst auf ihn legen musste, er sie schließlich zum Knien nötigte, damit er von hinten in sie vaginal eindringen konnte, sie vor der Ejakulation aufforderte, sein Glied in ihren Mund zu nehmen, wo er letztlich ejakulierte, wodurch die Genannte längere Zeit hindurch, nämlich zumindest in einer Dauer von eineinhalb Stunden in einen qualvollen Zustand versetzt und auf besondere Weise erniedrigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4, 5 und 8 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Mit Bezug auf § 345 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 228 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer den Ausschluss der Öffentlichkeit (S 409) unsubstantiiert als nicht gerechtfertigt, ohne darzulegen, weshalb die Erörterung der dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen, die den intimsten persönlichen Lebensbereich des Opfers betreffen, kein Überwiegen schutzwürdiger Interessen der Zeugin Bettina B***** am Ausschluss der Öffentlichkeit zur Folge haben sollte. Solcherart wird die Beschwerde nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht. Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden die in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 551) vom Schwurgerichtshof ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgelehnt (S 555):

Der Antrag auf Ausforschung und Einvernahme des Zeugen „Franzesco, der mit dem Angeklagten in der L***** zusammengearbeitet hat, zum Beweis dafür, dass es entgegen der Aussage der Zeugin Bettina B***** zu sexuellen Handlungen zwischen Franzesco und Bettina B***** gekommen ist", betrifft im Blick auf die Deposition des Opfers, das ohnedies sexuelle Handlungen mit anderen Männern in der Zeit von Sommer 2003 bis Jänner 2005 einräumte (S 557), keine für die Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache. Mangels Anhaltspunktes über den derzeitigen Aufenthalt des „Franzesco" bezieht sich der Antrag überdies auf ein unerreichbares Beweismittel. Der Antrag auf „schriftliche Ergänzung der gerichtsmedizinischen Gutachten zum Beweis dafür, dass die auf den Kleidungsstücken (Bluse) des Opfers festgestellten Spermaspuren nicht vom 27. März 2005 herrühren, sondern vom 29. März 2005" (an dem nach der Verantwortung des Angeklagten ein freiwillig vollzogener Geschlechtsverkehr stattfand), lässt die angesichts des langen seit den inkriminierten Taten verstrichenen Zeitraums gebotene Begründung vermissen, auf Grund welcher besonderen - von vornherein nicht einsichtigen - Umstände der medizinische Sachverständige in der Lage sein sollte, eine nachträgliche Festlegung des Zeitpunkts der Kontaminierung des Kleidungsstücks mit dem Sperma auf einen der beiden knapp aufeinander folgenden Tatzeitpunkte vorzunehmen.

Auch mit dem Hinweis auf die gegen den Antrag des Verteidigers erfolgte Vernehmung des Opfers in Abwesenheit des Angeklagten nach § 250 Abs 1 StPO wird keine Nichtigkeit aufgezeigt. Denn es wurde bei Antragstellung (S 501) nicht dargetan, aus welchem Grund die kritisierte Maßnahme nach Lage des Falles nicht geboten gewesen sein sollte.

Die Beschwerde, die in Rede stehende Vorgangsweise bewirke auch Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 4 StPO iVm mit § 250 StPO, verkennt, dass nach dem Katalog des § 345 Abs 1 Z 4 StPO allein der Verstoß gegen Abs 2, nicht aber Abs 1 des § 250 StPO mit Nichtigkeit bewehrt ist.

Die Instruktionsrüge (Z 8) behauptet eine „zu allgemein" gehaltene, „zu wenig ausführliche" Rechtsbelehrung zu den die angenommenen Qualifikationsspielarten betreffenden Begriffen der besonderen Erniedrigung und des qualvollen Zustands, unterlässt es aber darzulegen, welche über die ohnedies erteilte Belehrung (S 603 f) hinausgehende Instruktion zu diesen Themen nach Ansicht des Beschwerdeführers geboten gewesen wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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