OGH 12Os90/05k

OGH12Os90/05k12.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Popelka als Schriftführer, in der Strafsache gegen Oswald S***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 20. April 2005, GZ 20 Hv 141/04f-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er

etwa ab dem Jahr 1995 bis zum 3. März 2004 in Oberwölbing, Unterwölbing und Obritzberg die ihm als Betriebsleiter der S***** Vertriebs GmbH & Co KG durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft zu verfügen, wissentlich missbrauchte, indem er Arbeitnehmer des Unternehmens auf dessen Kosten für eigene Zwecke, wie Bau- und Schlosserarbeiten sowie sonstige Dienstleistungen an eigenen Gebäuden oder anderen Sachen, im Ausmaß von zumindest 6.339 Arbeitsstunden einsetzte und dadurch der S***** Vertriebs GmbH & Co KG einen Vermögensnachteil von jedenfalls 114.102 Euro zufügte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) lässt die Passage des Protokolls über die Hauptverhandlung, der Gerichtsakt werde „gemäß § 252 Abs 1 Z 4 bzw Abs 2 StPO" verlesen (S 550/I), zweifelsfrei erkennen, dass das Erstgericht einerseits dem gesetzlichen Verlesungsgebot (§ 252 Abs 2 StPO) folgte und andererseits die übrigen relevanten Aktenteile mit dem Einverständnis der Prozessparteien (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) vortrug. Eine andere Interpretationsvariante erscheint nach den Gesetzen logischen Denkens nicht gegeben und wird im Übrigen von der Beschwerde ebensowenig behauptet wie der Mangel des Einverständnisses des Angeklagten mit der Verlesung von Aktenteilen.

Die Aussage des Zeugen Ing. Erwin Si*****, er habe dem Beschwerdeführer auf dessen Drängen hin gestattet, für die Errichtung eines Kellers einen bei der S***** Vertriebs GmbH & Co KG (im Folgenden: S***** KG) beschäftigten Maurer einzusetzen (S 450/I), löste keine Belehrungspflicht iSd § 152 Abs 5 StPO wegen der Gefahr, sich selbst zu belasten (§ 152 Abs 1 Z 1 StPO) aus, weil das Gesetz diesbezüglich auf die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abstellt. Eine solche ist aber mit Blick auf die - für die gerichtliche Zuständigkeit einen 75.000 Euro übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag voraussetzende - Kompetenznorm des § 53 Abs 1 lit b FinStrG aus der bezeichneten Zeugenaussage nicht ableitbar. Ein durch zeugenschaftliche Angaben allenfalls begangenes Aussagedelikt (§§ 288, 289, 297 StGB) führt nach ständiger Judikatur nicht zum Entschlagungsrecht des Zeugen nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO (EvBl 1994/138, 664; zuletzt 15 Os 45/04).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die - wenngleich entgegen § 238 Abs 2 StPO erst im Urteil begründete (US 14) - Abweisung (S 550/I) des Antrags auf „Beiziehung eines bautechnischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass das dem Angeklagten zugrundegelegte Stundenausmaß unzutreffend ist, wie von den Zeugen insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung des Kellers und des Fertigteilhauses des Angeklagten angegebenen Arbeitsstunden bei weitem überhöht sind, meiner Ansicht nach bis zum Zehnfachen. Dies etwa bei den elektrischen Leistungen und insgesamt bei zutreffender Bewertung der Vermögensnachteile die Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB nicht überschritten wird, dies bezogen auf die 40.000 Euro" (S 549 f/I), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten, weil der Beweisantrag nicht erkennen ließ, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Das ergänzende Beschwerdevorbringen hiezu hat auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes bildet und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung bezogen überprüft (SSt 41/71, zuletzt 12 Os 116/05h).

Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das angefochtene Urteil erörtere Zeugenaussagen nicht, wonach (auch) der Geschäftsführer der S***** KG, Ing. Erwin Si*****, Arbeitnehmer dieses Unternehmens für sog Privatarbeiten eingesetzt haben soll, bezieht sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen. Der hieraus abgeleitete Schluss, aus diesen Zeugenaussagen folge die Zustimmung des Ing. Si***** zu den Malversationen des Beschwerdeführers, kommt als rein spekulativer Ansatz als Anfechtungsbasis im Nichtigkeitsverfahren nicht in Betracht.

Inwieweit der Umstand, dass die S***** KG nach der Aktenlage Baumaterialien ein- und an den Beschwerdeführer weiterverkauft hat (S 269 ff/I), den tatrichterlichen Feststellungen widersprechen und demnach erörterungsbedürftig (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO) gewesen sein soll, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.

Mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers setzten sich die Tatrichter hinreichend auseinander (US 11 bis 14), wobei die auf den Vorwurf der Verwendung von Baustoffen zum Nachteil der S***** KG bezogenen Depositionen als nicht von der Anklage umfasst (s S 3a/I) keiner näheren Erörterung bedurften.

Korrespondierendes gilt für die vom Zeugen Ing. Si***** vorgelegten (S 462 f/I) Aufzeichnungen des Beschwerdeführers über den Einsatz von Arbeitnehmern und die Verwendung von Baumaterialien der S***** KG (Blgn zu ON 17 = Blg ./4 zu ON 23), weil - der Beschwerde zuwider - aus dem Umstand, dass Ing. Si***** (durch diese Aufzeichnungen) nachträglich von den Malversationen des Beschwerdeführers erfahren hat, keine Rückschlüsse auf den (damals bereits erfolgten) Befugnismissbrauch zu ziehen sind. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass Ing. Si***** nach seinen - insoweit unbestrittenen - Angaben diese Aufzeichnungen zwar schon vor dem „Jahr 2003" (ersichtlich gemeint: flüchtig) gesehen (S 494/I), aber erst nach der Entlassung des Beschwerdeführers zur (detaillierten) Prüfung erlangt hat (S 463/I).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die hinsichtlich des Vermögensnachteils der S***** KG einen Mangel an Feststellungen zur voluntativen Komponente der subjektiven Tatseite behauptet, übergeht die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Aus der Feststellung, der Beschwerdeführer habe die Arbeitnehmer der S***** KG in der Absicht für „private Zwecke" eingesetzt, den gesamten Innenausbau samt Elektro- und Sanitärinstallationen, Fußböden samt Heizung, Innenisolierung und Verschalung von diesen während der Dienstzeit durchführen zu lassen (US 9, 10) erhellt nämlich im Zusammenhalt mit der Konstatierung des Wissens um einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil (US 10) zweifelsfrei (auch) der Wille des Beschwerdeführers, seinen Arbeitgeber entsprechend zu schädigen.

Mit der (mit Blick auf die Qualifikationsnorm des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB auch zu Z 10 geäußerten) - aus in anderem Zusammenhang angestellten beweiswürdigenden Erwägungen mittels eigener Schlussfolgerungen abgeleiteten - Prämisse, die Arbeitnehmer der S***** KG seien „ohnehin kaum ausgelastet" gewesen, entfernt sich die Rüge prozessordnungswidrig zur Gänze vom Urteilssachverhalt, sodass die darauf gegründeten Überlegungen auf sich beruhen können. Entsprechendes gilt für die urteilsfremde Behauptung, die S***** Vertriebs GmbH & Co KG sei nicht existent, sondern sei im Firmenbuch eine „S***** GesmbH & Co KG registriert. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die allfällige verkürzte Wiedergabe des Firmenwortlauts der Geschädigten im Nichtigkeitsverfahren nur dann von Bedeutung wäre, wenn sie die Individualisierung der Tat hindern würde, was hier nicht einmal behauptet wird.

Der sinngemäße Beschwerdeeinwand, die angefochtene Entscheidung betrachte die Arbeitnehmer der S***** VertriebsgmbH & Co KG als Vermögensbestandteile dieses Unternehmens, lässt jeden Bezug zum festgestellten Sachverhalt vermissen.

Die Behauptung, die Zuteilung von Arbeitskräften durch den Betriebsleiter eines Unternehmens sei „keine Rechtshandlung, sondern eine bloße faktische Verfügung" wird prozessordnungswidrig nicht aus dem Gesetz abgeleitet, sondern nur begründungslos unterstellt. Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass Dispositionen über den Einsatz von Dienstnehmern sehr wohl unter den Befugnisbegriff des § 153 StGB fallen (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 21). Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b), die mit Blick auf den Schuldausschließungsgrund des § 9 StGB Feststellungsmängel einwendet, nennt keine Verfahrensergebnisse, die diesbezügliche Konstatierungen indiziert hätten, und verfehlt solcherart die deutliche und bestimmte Bezeichnung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hält zutreffend fest, dass das Erstgericht sowohl die - in diesem Zusammenhang allein subsumtionsrelevante - Überschreitung der Wertgrenze des zweiten Deliktsfalls des § 153 Abs 2 StGB (US 14), als auch den exakten Gesamtschaden (US 15) und dessen Zusammensetzung (US 8 f) feststellt. Die hieran geknüpfte Schlussfolgerung, diese Konstatierungen würden nicht hinreichen, um den Schuldspruch nach der genannten Qualifikationsnorm zu tragen, entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung. Hiezu kommt, dass die Beschwerde auch diesbezüglich Teile der Urteilsbegründung (US 10) ebenso übergeht, wie das - erforderlichenfalls - zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe heranzuziehende (13 Os 39/02; zuletzt 12 Os 84/05b) Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (US 2).

Das Argument, der Beschwerdeführer habe „sich niemals in Höhe des gerichtlich angenommenen Stundensatzes bereichert", bleibt jede Erklärung dafür schuldig, aus welchem Grund dieser Umstand - entgegen dem Wortlaut des § 153 StGB - schuld- oder subsumtionsrelevant sein soll.

Ebenso begründungslos - und damit prozessordnungswidrig - werden die Einwände vorgetragen, wonach die „Zugrundelegung jeder einzelnen Arbeitsstunde des nach den Urteilsfeststellungen kaum ausgelasteten Unternehmens" sowie die „Einrechnung der Lohnsteuer und der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in die Schadenssumme" rechtswidrig seien.

Mit den Betrachtungen zum mangelnden Fortsetzungszusammenhang der einzelnen Tathandlungen orientiert sich die Beschwerde erneut nicht am Gesetz, indem sie nicht darlegt, aus welchem Grund der in § 29 StGB - für gleichartige, wert- oder schadensqualifizierte Delikte - normierte Zusammenrechnungsgrundsatz hier keine Anwendung finden soll.

Die Ausführungen zu den (mit Erlaubnis des Geschäftsführers Ing. Si*****) für die Errichtung des Kellers des Beschwerdeführers aufgewendeten Arbeitsstunden entfernen sich vom Urteilssachverhalt, weil die Tatrichter diese Leistungen ohnedies nicht in die Schadensberechnung einbezogen haben (US 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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