OGH 8ObS27/05m

OGH8ObS27/05m19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Alois B*****, vertreten durch Foglar-Deinhardstein & Brandstätter, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 50.168,86 EUR netto Insolvenz-Ausfallgeld, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Juli 2005, GZ 8 Rs 77/05k-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. § 1 Abs 6 IESG idF der Novelle BGBl I 2005/102 trat am 1. 10. 2005 in Kraft und ist gemäß § 17a Abs 42 IESG idF BGBl I 2005/102 auf inländische Beschlüsse über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anzuwenden, die nach dem 30. 9. 2005 gefasst wurden.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall (Konkurseröffnung 14. 11. 2002) die Anwendung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG idF vor der Novelle BGBl I 2005/102. Die in der außerordentlichen Revision als wesentlich bezeichnete Tatsache, dass noch vor rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens die Novelle BGBl I 2005/102 in Kraft trat, entfaltet somit mangels Anwendbarkeit der Gesetzesänderungen auf den vorliegenden Fall keine Bedeutung.

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG idF vor der Novelle BGBl I 2005/102 keine Bedenken bestehen (RIS-Justiz RS0076928; zuletzt 8 ObS 9/04p). Die Rechtsprechung bejahte auch die Konformität des § 1 Abs 6 Z 2 IESG mit der RL 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. 10. 1980 (8 ObS 199/97s; 8 ObS 205/02h; zuletzt 8 ObS 9/04p).

3. Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 1 Abs 6 Z 2 IESG idF vor der Novelle BGBl I 2005/102 haben die Mitglieder des Organes einer juristischen Person, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Ausgehend von diesem klaren Gesetzeswortlaut scheitert die vom Kläger angestrebte „richtlinienkonforme Interpretation" des § 1 Abs 6 Z 2 IESG idF vor BGBl I 2005/102 vor Ablauf der Umsetzungsfrist (gem Art 2 Abs 1 ÄRL der InsolvenzRL 8. 10. 2005) der durch RL 2002/74/EG vom 23. 9. 2002 geänderten RL 80/987/EWG : Richtlinienkonforme Interpretation darf den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen (6 Ob 167/00b = SZ 73/131 mwN).

Eine richtlinienkonforme Interpretation vor Ablauf der Umsetzungsfrist scheidet unabhängig davon, ob eine solche überhaupt zulässig ist, somit jedenfalls dann aus, wenn sie dazu führen würde, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung ein entgegengesetzter Sinn verliehen würde (8 ObS 13/05b zum vergleichbaren Fall des § 1 Abs 6 Z 4 IESG und der dort behandelten Frage der richtlinienkonformen Interpretation vor Ablauf der Umsetzungsfrist).

4. Die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld an ein weiteres Organmitglied der ehemaligen Dienstgeberin des Klägers führt entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht dazu, dass die Beklagte nun aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes verpflichtet wäre, sämtlichen anderen Organmitgliedern von juristischen Personen Insolvenz-Ausfallgeld zu gewähren: Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, dass sich in seinem Rechtsfall niemand darauf berufen kann, wie die Behörde gegen eine andere Person vorgegangen ist. Fehlverhalten einer Behörde in anderen Fällen begründet keinen Anspruch auf gleichartiges Fehlverhalten im eigenen Fall (VfSlg 10.797; 13.856; VwGH 88/01/0226; 93/12/0102).

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