Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 812,52 (darin EUR 135,42 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei beauftragte eine GmbH, über deren Vermögen später der Konkurs eröffnet wurde, als Generalunternehmerin mit der Errichtung einer Wohnhausanlage. Die GmbH übertrug die Erstellung der statischen Berechnung (Detailstatik) und das Verfassen der Konstruktionspläne dem Beklagten als Subunternehmer. Die klagende Partei beauftragte den von der GmbH namhaft gemachten Beklagten mit der Tätigkeit als „Prüfingenieur im Sinne der Wiener Bauordnung bzw des Baubewilligungsbescheides".
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten EUR 28.669,34 an Schadenersatz, da dieser als Statiker wie auch als Prüfingenieur grob fehlerhafte Leistungen erbracht habe, deren Behebung erheblichen Sanierungsaufwand nötig gemacht habe.
Der Beklagte begehrte die Zurück- bzw Abweisung der Klage. Als Prüfingenieur sei er Organ nach § 1 Abs 2 AHG und insoweit dem Bauherrn nicht persönlich verantwortlich. Die Statikerleistungen habe er als Subunternehmer der GmbH erbracht; es bestehe insoweit keine vertragliche Beziehung zur klagenden Partei. Der Beklagte bestritt überdies die Mangelhaftigkeit seiner Leistungen, die Höhe des Schadens und wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens) statt. Zwar entfalte der zwischen dem Generalunternehmer und seinem Subunternehmer geschlossene Werkvertrag grundsätzlich keine Schutzwirkungen zu Gunsten des Bauherrn. Es ergebe sich daher keine vertragliche Haftung des Beklagten, doch hafte dieser deliktisch. Er habe in Schutzgesetzen enthaltene Verhaltensnormen verletzt. Er habe die Statik mangelhaft erstellt und sei seiner Prüf- und Warnpflicht als Prüfingenieur nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Als Prüfingenieur nach der Wiener BauO sei er auch zur Prüfung seiner eigenen, als Statiker erbrachten Leistung auf deren Tauglichkeit (Standfestigkeit des Gebäudes) verpflichtet gewesen. Die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften bezweckten primär den Schutz der Allgemeinheit. Im Fall der Realisierung einer Gefahr für die Allgemeinheit sei daher auch das Vermögen des Bauherrn in den Schutzzweck einzubeziehen. Dem Beklagten komme als Prüfingenieur die Funktion eines Organs iSd § 1 Abs 2 AHG nicht zu.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Ein vertraglicher Anspruch der klagenden Partei gegen den Beklagten aus dem zwischen ihm als Subunternehmer und der GmbH als Generalunternehmerin geschlossenen Vertrag über die Erbringung statischer Leistungen bestehe nicht. Die klagende Partei könne nämlich aus dem Generalunternehmervertrag einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Generalunternehmerin geltend machen. Auch eine Haftung des Beklagten aus seiner Beauftragung mit der Tätigkeit als Prüfingenieur komme nicht in Betracht. Aus der Wiener Bauordnung sei nicht abzuleiten, dass der Prüfingenieur zur Überprüfung der Richtigkeit der statischen Berechnungen verpflichtet sei. Er habe lediglich auf die Richtigkeit der Ausführung der errechneten Statik Bedacht zu nehmen und sei nicht verpflichtet, das statische Gutachten nachzurechnen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Verantwortung des Prüfingenieurs gegenüber seinem Besteller vorliege.
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, weil § 127 Abs 3 Wiener BauO den Prüfingenieur zur Beschau des Untergrundes für alle aufgehenden Tragkonstruktionen vor Beginn der Fundierungs- und Betonierungsarbeiten verpflichte, sei der Beklagte auch zur Überprüfung seiner als Statiker erbrachten Leistungen auf deren Tauglichkeit im Hinblick auf die Standfestigkeit des Gebäudes verpflichtet gewesen. Er hätte weiters als Prüfingenieur die Pflicht zur Verhängung eines Baustopps nach §§ 126 Abs 2, 127 Abs 8 Wiener BauO gehabt, weil keine dem Baufortschritt entsprechende Baustatik auf der Baustelle aufgelegen sei. Der Beklagte hafte der klagenden Partei wegen der mangelhaft erbrachten Leistungen in Bezug auf die Statik vertraglich auf Grund eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wie auch deliktisch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes, nämlich des § 127 Abs 3 Wiener BauO. Die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften bezweckten den Schutz der Allgemeinheit vor Schäden durch unsachgemäße oder fehlerhafte Bauführung; im Fall der Realisierung dieser Gefahr sei auch das Vermögen des Bauherrn in den Schutzzweck miteinbezogen.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist festzuhalten, dass eine allfällige, vom Beklagten behauptete Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen der Auffassung des Revisionsgegners vom Obersten Gerichtshof nicht mehr wahrgenommen werden kann. Das Berufungsgericht ging davon aus, das Erstgericht habe die Prozesseinrede (der Unzulässigkeit des Rechtswegs) abgewiesen, und sprach ausdrücklich aus, die Berufung werde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Prozesseinrede richtet, verworfen. Das vom Beklagten behauptete Bestehen eines Prozesshindernisses wurde somit in zwei Instanzen verneint. Es liegt daher ein Beschluss des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 ZPO vor, der unanfechtbar ist (vgl nur die zahlreichen Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 69).
Soweit die Revisionswerberin die Rechtsansicht vertritt, der Beklagte hafte nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter, weil er die gegenüber der GmbH übernommene Verpflichtung, fehlerfreie statische Unterlagen herzustellen, verletzt habe und die klagende Partei als Bauherrin in den Schutzbereich dieses Vertrags einzubeziehen sei, übersieht sie, dass nach ganz herrschender Auffassung der Vertragspartner des Geschäftsherrn in den Schutzbereich des zwischen dem Geschäftsherrn und dessen Gehilfen abgeschlossenen Vertrags - jedenfalls mit seinem bloßen Vermögen - nicht einzubeziehen ist (vgl nur RIS-Justiz RS0022481, RS0017043). Die Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter wurde entwickelt, um dem Geschädigten, der sonst allein auf allfällige deliktische Ansprüche zu verweisen wäre, auch Ersatzansprüche wegen Verletzung einer rechtlichen Sonderverbindung zu verschaffen (SZ 62/173 ua). Besteht aber ohnehin ein Vertragsverhältnis, in dessen Rahmen der Vertragspartner auch für das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, besteht kein Anlass, dem Gehilfen zu unterstellen, er habe auch in einem solchen Fall - über das jedermann treffende Maß hinaus - besondere Sorgfaltspflichten gegenüber dem Vertragspartner des Geschäftsherrn übernehmen wollen (vgl nur SZ 65/52). Für das Bestehen derartiger Schutzpflichten kann auch nicht entscheidend sein, ob der geschädigte Vertragspartner seine Ansprüche gegenüber dem Geschäftsherrn durchsetzen kann oder ob dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände (etwa Vermögenslosigkeit) nicht möglich ist. Vielmehr kann den Erfüllungsgehilfen auch gegenüber dem Vertragspartner seines Geschäftsherrn nur die allgemeine deliktische Haftung treffen (SZ 60/73; SZ 65/52 ua). Eine deliktische Haftung des Beklagten für eine Fehlerhaftigkeit der im Auftrag der GmbH erstellten statischen Unterlagen scheitert bereits daran, dass das bloße Vermögen im Rahmen der Deliktshaftung grundsätzlich keinen Schutz genießt, die Revisionswerberin aber ausschließlich seine Vermögensschäden geltend macht. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin steht der Ablehnung eines Vertrags mit Schutzwirkungen zu ihren Gunsten auch nicht die zu 1 Ob 330/98f (= immolex 1999/151) ergangene Entscheidung entgegen, die einen anders gelagerten Sachverhalt betrifft; dort war im Übrigen gerade darauf hingewiesen worden, dass der beklagte Hauseigentümer nicht als Erfüllungsgehilfe des Untervermieters anzusehen sei.
Zu prüfen bleibt somit, ob dem Beklagten vorgeworfen werden kann, seine unmittelbar gegenüber der klagenden Partei übernommene Verpflichtung, als „Prüfingenieur im Sinne der Wiener BauO bzw des Baubewilligungsbescheides" tätig zu werden, verletzt hat. Soweit ihm die Revisionswerberin vorwirft, er hätte seine Verpflichtung „zur Verhängung eines Baustopps" verletzt, vermag sie eine derartige Befugnis tragende Rechtsgrundlage nicht aufzuzeigen. Sie verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf die § 126 Abs 2 und § 127 Abs 8 Wiener BauO, aus denen - aber auch sonst aus den maßgeblichen Bestimmungen der Wiener BauO - sich aber keineswegs ergibt, dass der Prüfingenieur in der Lage wäre, ein zeitweiliges Bauverbot in Form eines „Baustopps" zu erlassen.
Auch der Rechtsauffassung, der Beklagte wäre als beauftragter Prüfingenieur nach § 127 Abs 3 Wiener BauO verpflichtet gewesen, seine eigene, als Statiker erbrachte Leistung auf deren Tauglichkeit im Hinblick auf die Standfestigkeit des Gebäudes zu prüfen, kann nicht gefolgt werden:
Der Pflichtenkreis eines gemäß der Wiener BauO beauftragten Prüfingenieurs ist in den §§ 127 Abs 3 und 125 Abs 2 Wiener BauO geregelt. Nach der erstgenannten Vorschrift hat der Bauwerber durch einen Prüfingenieur die Beschau des Untergrundes vor Beginn der Fundierungs- oder Betonierungsarbeiten, die Beschau jener Bauteile, die nach der Fertigstellung nicht mehr möglich ist, sowie die Rohbaubeschau vornehmen zu lassen. Gemäß § 125 Abs 2 Wiener BauO ist ua auch der Prüfingenieur verpflichtet, unverzüglich Meldung an die Baubehörde zu erstatten, wenn sich im Zuge der Bauausführung ergibt, dass bei Einhaltung des Bauplanes, der nach diesem Gesetz ausgeführt werden darf, oder der Auflagen der Baubewilligung eine Abweichung von den Bauvorschriften entsteht, oder wenn im Zuge der Bauausführung von den Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, in einer solchen Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, dass die Abweichung über ein bewilligungsfreies Bauvorhaben hinausgeht, oder bei der Bauausführung nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden oder Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden. Eine Überprüfung der dem Bauplan bzw der Baubewilligung zu Grunde gelegten statischen Unterlagen durch den Prüfingenieur ist in den genannten Vorschriften der Wiener BauO nicht vorgesehen. Sie kann sich entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch nicht dadurch ergeben, dass die später zum Prüfingenieur bestellte Person mit jener Person ident ist, die (über Auftrag des Generalunternehmers) die statischen Unterlagen erstellt hat.
Aus den dargestellten Bestimmungen der Wiener BauO ergibt sich vielmehr, dass der Prüfingenieur grundsätzlich nur zur Beschau in entscheidenden Phasen des Bauvorhabens verpflichtet ist. Dabei hat er zu überprüfen, ob der Bau entsprechend den Bauplänen bzw der Baubewilligung ausgeführt wird und ob allenfalls unerwartete Umstände auftreten, die dazu führen, dass bei plan- bzw bewilligungsgemäßer Ausführung eine Verletzung der Bauvorschriften entstünde. Die Formulierung in § 125 Abs 2 Satz zwei Wiener BauO („wenn sich im Zuge der Bauausführung ergibt, ...") erfasst ersichtlich nicht den Fall eines ursprünglich unrichtigen Bauplans (einschließlich der erforderlichen statischen Unterlagen) oder einer ursprünglich unrichtig erteilten Baubewilligung, sodass diese Grundlagen des Bauvorhabens vom Prüfingenieur nicht zu überprüfen sind. Vielmehr erstreckt sich seine Überwachungs- und Prüfpflicht nur auf erst nachträglich („im Zuge der Bauausführung") auftretende Abweichungen von den ursprünglich vorausgesetzten Gegebenheiten oder offensichtliche (arg. „ergibt") Fehler in den der Bauausführung zu Grunde liegenden Unterlagen. Soweit die Revisionswerberin für ihre Auffassung, der Beklagte hätte „auf Grund seines eigenen Wissens als Statiker" im vorliegenden Fall nicht auf die fachgerechte Ausführung der Statik vertrauen dürfen, auf Ausführungen des Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren verweist, übersieht sie, dass das Revisionsgericht ausschließlich auf der Basis des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts zu entscheiden hat. Dass danach die unrichtige statische Berechnung für den Beklagten im Zuge der Überwachung der Bauausführung ohne Weiteres erkennbar gewesen wäre, wird in der Revision gar nicht behauptet.
Schließlich hat sich der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt mit der Frage beschäftigt, inwieweit öffentlich-rechtliche Bauvorschriften als Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu betrachten sind und welche Rechtsgüter in den Schutzbereich fallen. So hat etwa der erkennende Senat ausgesprochen (1 Ob 253/02s = SZ 2002/158), dass öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die dem Bauherrn die Bestellung eines - der Baubehörde gegenüber verantwortlichen - Bauführers auftragen, den Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren der Bauführung sowie vor jenen, die von einem nicht fachgerecht errichteten Bauwerk ausgehen, bezwecken, wogegen sich im Vermögen des Bauherrn ereignende bloße „Mangelschäden" nicht in den Schutzbereich fallen. Unter Hinweis auf Vorjudikatur (SZ 67/39; 1 Ob 313/01p) wurde klargestellt, dass das Vermögen des Bauherrn grundsätzlich nicht Schutzobjekt derartiger Bauvorschriften ist, sondern insoweit allenfalls eine bloße Reflexwirkung baupolizeilicher Normen vorliegen kann, deren Einhaltung den Bauherrn auch vor der nicht fachgerechten Bauausführung und damit vor Vermögensschäden bewahren könne.
An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Die Revisionswerberin hat den Beklagten ausdrücklich zum „Prüfingenieur im Sinne der Wiener BauO bzw des Baubewilligungsbescheides" bestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass mit der Beauftragung bezweckt wird, den einschlägigen Vorschriften der Wiener BauO zu entsprechen. Die klagende Partei behauptet auch nicht, dass sich der Beklagte darüber hinaus verpflichtet hätte, weitere Interessen der Auftraggeberin zu fördern, wie dies etwa bei Betrauung einer fachkundigen Person mit der (allgemeinen) Bauaufsicht geschieht. Beschränkt sich die (vertragliche) Verpflichtung des Beklagten nun aber darauf, den in der Wiener BauO festgelegten Aufgaben eines Prüfingenieurs nachzukommen, die ersichtlich dem Allgemeininteresse dienen, besteht kein Anlass, die Haftung des Beklagten auch auf reine Vermögensschäden der klagenden Partei auszudehnen, deren Verhinderung die Bestellung des Beklagten zum Prüfingenieur gerade nicht bezweckt hat.
Da somit eine Haftung des Beklagten für die eingetretenen Vermögensnachteile der Revisionswerberin schon nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nicht besteht, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob sich der Beklagte auch auf § 1 Abs 1 zweiter Halbsatz AHG berufen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
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