OGH 3Ob199/05v

OGH3Ob199/05v24.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Alfons Adam und Mag. Gernot Steier, Rechtsanwälte in Neulengbach, wider die beklagte Partei Mathilde N*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Zustimmung zur Auszahlung einer Sicherheitsleistung (Streitwert 14.520,03 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 17. Februar 2005, GZ 21 R 20/05g-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 2. September 2004, GZ 3 C 198/00g-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 875,34 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 145,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagenden Bank wurde wider die Beklagte zur Hereinbringung ihrer Forderung von 90.122,02 EUR samt 9 % Zinsen seit 1. März 1989 sowie der Verfahrenskosten die Zwangsversteigerung des der Beklagten gehörenden Hälfteanteils einer Liegenschaft bewilligt, auf der die Beklagte bis zur zwangsweisen Räumung in einer großen Wohnung wohnte. Die Versteigerungstagsatzung war auf den 5. September 1994 anberaumt. Wegen einer von der Beklagten eingebrachten Oppositionsklage wurde das Zwangsversteigerungsverfahren gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 200.000 S aufgeschoben. Die Beklagte erlegte die Sicherheitsleistung. Die Abweisung der Oppositionsklage wurde mit Zurückweisung der Revision der Beklagten rechtskräftig (Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. Jänner 1998, AZ 3 Ob 330/97v). Die klagende Partei erwarb die Liegenschaftshälfte der Beklagten bei der Versteigerungstagsatzung am 7. September 1999 um das Meistbot von 1,31 Mio S. Die andere Liegenschaftshälfte befand sich bereits vorher in ihrem Eigentum.

In der Meistbotsverteilung wurde die der klagenden Partei im Rang vorgehende Forderung einer Pfandgläubigerin befriedigt. Im Rahmen der Nebengebührensicherstellung wurden Teilbeträge von 820,23 EUR und 2.565,35 EUR vorerst zinstragend angelegt und die Verteilung dieser Beträge einer allfälligen Nachtragsverteilung vorbehalten. Den Meistbotsrest von 75.771,53 EUR erhielt die klagende Partei zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 90.122,02 EUR zuzüglich 9 % Zinsen vom 24. April 1989 bis 5. September 1999 von 84.109,77 EUR zugewiesen; weiters erhielt sie Meistbots- und Fruktifikatszinsen. Die Ergebnisse der Nachtragsverteilung in Ansehung der Beträge von 820,23 EUR und 2.565,35 EUR liegen noch nicht vor.

Durch die mehr als dreijährige Verzögerung der Versteigerung hat die klagende Partei in Ansehung des Meistbotsrests von 75.771,53 EUR einen Zinsverlust von 13.579,83 EUR erlitten. Stünden ihr auch die zinstragend angelegten Beträge im Rahmen der Nebengebührensicherstellung zugunsten der Pfandgläubigerin zu, entstünde ein weiterer Zinsverlust von 606,77 EUR. Dies sind Mindestbeträge unter der Voraussetzung, dass die klagende Partei das Meistbot beim Zentralinstitut der Raiffeisenkassen erlegt hätte. Hätte sie die Beträge als Darlehen vergeben, hätte sie zwischen 1,5 % und 3 % an Zinsen zusätzlich lukriert. Darüber hinaus konnte die Beklagte durch die Aufschiebung aufgrund des Oppositionsprozesses durch 41 Monate hindurch ihre Wohnung weiter benützen. Hätte die Versteigerung bereits im Jahr 1994 stattgefunden, wäre es der klagenden Partei möglich gewesen, das gesamte Objekt früher entweder zur Gänze zu verkaufen oder die von der Beklagten benutzte Wohnung zu vermieten.

Die klagende Partei begehrte von der Beklagten, der Ausfolgung der Sicherheitsleistung samt angereifter Verwahrungszinsen zuzustimmen. Durch die unbegründete Oppositionsklage sei die Befriedigung der klagenden Partei zumindest für die Zeit vom September 1994 bis Jänner 1998 verzögert worden. Der durch die Aufschiebung der Exekution durch mehr als drei Jahre bewirkte Nachteil in Ansehung der titelmäßig zuerkannten 9 % Zinsen vom aushaftenden Kapital übersteige die erlegte Sicherheitsleistung samt angereifter Zinsen. Die Beklagte wendete ein, das Interesse der klagenden Partei in der Zwangsversteigerung sei von vornherein nicht in einer Barberichtigung, sondern im Erwerb der gesamten Liegenschaft gelegen. Am Umfang der Befriedigung der klagenden Partei hätte sich daher nichts geändert, auch wenn die Liegenschaft bereits 1994 versteigert worden wäre. Der Zuschlag wäre lediglich früher erfolgt. Da die Befriedigung nicht durch Barzahlung erfolgt sei, könne die klagende Partei auch keinen Zinsverlust geltend machen. Außerdem habe sie bereits durch andere Exekutionsschritte Kosten und Zinsen hereinbringen können. Der von der klagenden Partei behauptete Zinsverlust bedeute eine neuerliche Verzinsung des der Beklagten bereits angelasteten Zinsenbegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die klagende Partei habe allein durch die verzögerte Zuweisung eines Betrags von 75.771,53 EUR aus dem Meistbot, der niedriger als das offene Kapital sei, einen Zinsverlust von 13.579,33 EUR erlitten, sodass der Einwand der doppelt angelasteten Zinsen ins Leere gehe. Auch in Ansehung der Differenz zur Höhe der erlegten Sicherheit sei gemäß § 273 ZPO ein Schaden der klagenden Partei aus der Verzögerung des Versteigerungsverfahrens im Hinblick auf die Möglichkeit der Darlehensgewährung oder aber der Vermietung der Wohnung für einen Zeitraum von 41 Monaten anzunehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, inwieweit die Doppelfunktion des betreibenden Gläubigers und Erstehers allenfalls die Schadensberechnung nach § 44 Abs 2 EO beeinflusse, bei einem Bankinstitut der durch die zeitliche Verzögerung der Meistbotsverteilung entstehende Veranlagungszinsenverlust ein ersatzfähiger Schaden iSd § 44 Abs 2 EO sei und diese Schadensberechnungsmethode als Alternative heranzuziehen sei, wenn sich infolge der bei weitem nicht zureichenden Zuweisung aus dem Meistbot kein echter Verzugszinsenschaden aus der titulierten Forderung ergebe.

Die klagende Partei könne zwar wegen der Erhöhung der verzögerungsbedingt auflaufenden Verzugszinsen keinen Schaden geltend machen, weil auch ohne Aufschiebung der Exekution die Gesamtforderung der klagenden Partei aus dem ihr zustehenden Meistbotsrest nicht zu decken gewesen wäre, die Aufschiebung der Exekution also deren (teilweise) Erfolglosigkeit nicht verursacht habe, dennoch bestehe ein Schadenersatzanspruch der klagenden Partei. Dieser resultiere aus den der klagenden Partei entgangenen Veranlagungszinsen aus dem Meistbotsrest. Dieser Zinsenentgang falle unter den Verzugszinsenbegriff im weiteren Sinn und sei dem „Befriedigungsausfall" vergleichbar. Das von der Beklagten vorgetragene Gegenargument, die klagende Partei habe insoweit überhaupt keinen Schaden gehabt, weil sie ja ohnedies die Möglichkeit gehabt habe, während des Aufschiebungszeitraums mit einem dem späteren Meistbot entsprechenden Geldbetrag zu wirtschaften, überzeuge nicht. Die typischen Ersteherinteressen müssten ausgeklammert werden, weil der Ersteher als Äquivalent für sein Meistbot die ersteigerte Liegenschaft erhalte. Die klagende Partei sei bilanzmäßig vor der Versteigerung (verfügbare Mittel in Höhe des Meistbots, kein Eigentum am zu versteigernden Objekt) nicht besser gestellt gewesen als danach (nunmehr Eigentum am zugeschlagenen Objekt, dafür Abfluss des Meistbots). Durch den als Ergebnis des Versteigerungsverfahrens wieder zurückgeflossenen Meistbotsrest sei ein echter Vermögenszuwachs eingetreten, der bei gedachter Veranlagung im Verzögerungszeitraum einen entsprechenden zusätzlichen Zinsenertrag erbracht hätte. Die klagende Partei sei eine Bank, die geschäftsmäßig aus der Veranlagung von Geldbeträgen Erträgnisse erziele. Die Vereitelung einer Vermietung der von der Beklagten benützten Wohnung während des Aufschiebungszeitraums bilde allerdings keinen aus der erlegten Sicherheit zu ersetzenden Schaden, weil die Sicherheitsleistung nicht für sonstige Nachteile des betreibenden Gläubigers, die mit der Exekutionsführung verbunden seien, hafte. Der Nutzungs(Miet-)entgang sei kein zu ersetzender Schaden, sondern allenfalls ungerechtfertigte Bereicherung, die sich aus dem Blickwinkel der Ersteherin (und bisherigen Miteigentümerin) ergebe und nicht aus der Stellung der klagenden Partei als betreibende Gläubigerin. Das zufällige Zusammentreffen der Ersteher- und der Betreibenden-Position in der Person der klagenden Partei müsse ausgeblendet werden, die von der klagenden Partei relevierten Eigentümer-/Ersteherinteressen seien hier irrelevant. Eine infolge der zeitlichen Verzögerung eingetretene Wertminderung oder Schädigung des Objekts, die an sich einen Schaden des betreibenden Gläubigers darstellen könnte, habe die klagende Partei in erster Instanz niemals geltend gemacht.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Sicherheitsleistung nach § 44 Abs 2 EO dient nach Rsp und Lehre der Absicherung des betreibenden Gläubigers für den Fall der Erfolglosigkeit der zur Aufschiebung führenden Prozesshandlung. Es soll hiedurch der Ersatz des Schadens gewährleistet werden; die Sicherheitsleistung hat den Zweck, den Betreibenden vor allen Nachteilen zu schützen, die mit der Aufschiebung der Exekution und damit der Verzögerung seiner Befriedigung verbunden sein können

(stRsp; RIS-Justiz RS0001903, RS0001909; 3 Ob 180/00t = JBl 2001, 800

= RdW 2001, 599 = MietSlg 53.825 mwN; Jakusch in Angst, § 44 EO Rz

18, 20 und 35; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 44 EO Rz 18). Daraus hat das Berufungsgericht zutreffend gefolgert, dass die Sicherheitsleistung (nur) der Deckung jener Schäden dient, die der klagenden Partei als betreibender Gläubigerin durch die Aufschiebung der Exekution und damit der vierjährigen Verzögerung ihrer (teilweisen) Befriedigung entstanden sind. Dass die klagende Partei nicht nur betreibende Gläubigerin, sondern auch Ersteherin der in Exekution gezogenen Liegenschaftshälfte der Beklagten geworden ist, vermag nichts daran zu ändern, dass der klagenden Partei durch die verzögerte Befriedigung (Zuweisung des Meistbotsrests) ein Schaden entstanden ist. Dass auch der durch die Verzögerung entstehende Ausfall anderwärtiger Veranlagung des hereinzubringenden Geldbetrags einen Schaden darstellt, zu dessen Abdeckung die Sicherheitsleistung nach § 44 Abs 2 EO dient, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (3 Ob 131/80 mwN; 3 Ob 109/87). Der Einwand der Beklagten, die klagende Partei habe vor Erlag des Meistbots ohnehin über einen diesem entsprechenden Geldbetrag verfügen können und daher durch die Aufschiebung der Exekution keinen Schaden erlitten, lässt unberücksichtigt, dass dem nach Ersteigerung der Liegenschaft erlegten Meistbotsbetrag als Äquivalent die ersteigerte Liegenschaft entspricht, vor Erlag des Meistbots der Vermögensvorteil (Geld) durch das noch nicht vorhandene Liegenschaftsvermögen ausgeglichen wird, durch die Zuweisung des Meistbotsrests der klagenden Partei aber (zusätzliches) Geldvermögen verschafft wurde. Die durch die Aufschiebung der Exekution verspätete Vermögensmehrung (= Hereinbringung der betriebenen Forderung) bildet die Grundlage jenes Schadenersatzanspruchs, der (auch) durch die von der Beklagten erlegten Sicherheit gedeckt werden soll.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Der durch die Aufschiebung der Exekution (§ 44 EO) dem betreibenden Gläuubiger verursachte Verzögerungsschaden (Befriedigungsausfall oder Veranlagungsentgang infolge verspäteter Befriedigung) wird durch den Zuschlag des Versteigerungsobjekts an den betreibenden Gläubiger nicht beeinflusst.

Der unberechtigten Revision ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO.

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