OGH 12Os121/05v

OGH12Os121/05v17.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roman N***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St. Pölten vom 10. August 2005, GZ 9 Hv 96/05h-66, sowie über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman N***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB iVm § 2 StGB (1) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er

1. am 14. September 2004 in Haag dadurch den Tod der Ewelina K***** durch Opiatvergiftung herbeigeführt, dass er es vorsätzlich unterließ, Hilfe durch Dritte zu holen, nachdem er Ewelina K***** in der Nacht oder den frühen Morgenstunden des 14. September 2004 eine aufgekochte „120 mg Substitol-Tablette" in die linke Armbeuge injiziert hatte, was bei K***** aufgrund der Wirksubstanz Morphin vorerst einen drastischen kontinuierlichen gesundheitlichen Verfall mit Komazuständen verursacht hatte, wobei N***** ab ca 10.00 Uhr die lebensbedrohende Situation der K***** erkannte und vorsätzlich von den Möglichkeiten einer eigenen erfolgs-, nämlich den Tod der K***** abwendenden Handlung, bestehend in der Verständigung des Rettungsbzw Notarztdienstes, keinen Gebrauch machte, wodurch in den Nachmittagsstunden des 14. September 2004 der Tod der K***** infolge Atemlähmung eintrat;

2. am 6. September 2004 in Wien Ewelina K***** vorsätzlich am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt, wobei die Verletzung und Gesundheitsschädigung an sich schwer war, indem er ihr einen Teil einer aufgekochten „200 mg Substitol-Tablette" injizierte, worauf Ewelina K***** bewusstlos wurde, zusammenbrach und mit lebensbedrohlichem Zustand in die Intensivstation des Allgemeinen Krankenhauses Wien transportiert wurde.

Die von ihm dagegen aus § 345 Abs 1 Z 4 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 64) nicht zu entnehmen ist, auf welchen Fall des § 252 StPO die Verlesung der „Aussage des Zeugen Christian R***** (ON 35)" gestützt wurde (S 160/II).

Mit der Behauptung zumindest teilweisen - durch Konfrontation nicht behebbaren - Widerspruchs der Zeugenaussage zur Verantwortung des Angeklagten und dadurch eröffneter Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten kann dieser Nichtigkeitsgrund hier allerdings nicht geltend gemacht werden, weil fallbezogen jedenfalls unzweifelhaft erkennbar ist, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 740, 746; Mayerhofer StPO5 § 281 letzter Absatz E 5b; 13 Os 156/99, EvBl 2000/119, 518):

Christian R***** war lediglich Zeuge des Tatgeschehens am 6. September 2004 (Schuldspruch 2). Die entscheidende Tatsache des Injizierens der Substitol-Lösung unter Beteiligung des Beschwerdeführers (Einstechen der Nadel und deren Entfernung, wozu Ewelina K***** allein nicht imstande gewesen wäre, als unabdingbare Voraussetzung für die inkriminierte schwere Körperverletzung) gestand dieser in der Hauptverhandlung ohnedies zu (S 113, 114/II) - nichts anderes hatte der Zeuge R***** ausgesagt (S 407/I). Nur im hier nicht entscheidenden Punkt der Menge des verabreichten Mittels divergierten die Schilderungen, wobei nach den Angaben R*****s offenbleibt, woher N***** eine zweite Substitol-Tablette nehmen hätte können (S 407, 409/I). Übereinstimmend wiederum sind die Aussagen der Genannten zum Faktum, dass N***** - trotz heftiger Beschwerden des Mädchens - auch am 6. September 2004 (wenngleich nur vorerst) das Herbeirufen der Rettung ablehnte (S 115/II; S 147/I iVm S 405/I). Auf den sehr unbestimmt gehaltenen Vorhalt des Staatsanwaltes („Aussage Christian R*****, AS 143 ff" [Aussage vor der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen vor dem Untersuchungsrichter aufrechterhalten wurde - S 405/I]) in der Hauptverhandlung (S 127/II) antwortete der Nichtigkeitswerber (bloß) allgemein zu seinem Verhältnis zu K***** (S 128/II), ohne dass sich Unterschiede zur vorgehaltenen Zeugenaussage ergeben hätten.

Der Beschwerdestandpunkt erweist sich somit als nicht stichhältig. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben anzusehende Beschwerde folgt (§§ 280, 285i, 344, 498 Abs 3 vierter SatzStPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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