OGH 9Ob49/05d

OGH9Ob49/05d24.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ursula L***** vertreten durch WKG Wagner-Korp-Grünbart, Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte und gefährdende Partei Dr. Franz P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wegen einstweiligem Unterhalt, infolge Revisionsrekurses der beklagten und gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 6. Juli 2005, GZ 21 R 196/05f-17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Gmunden vom 4. Mai 2005, GZ 1 C 6/05m-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die am 29. 3. 1980 geschlossene Ehe der Streitteile (im Folgenden: Klägerin und Beklagter) wurde im November 2003 aus dem Verschulden des Beklagten geschieden, wobei ausgesprochen wurde, dass die Klägerin ein gleichteiliges Verschulden trifft; die häusliche Gemeinschaft war bereits im Jänner 2001 aufgehoben worden. Kurz nach der Eheschließung gab die Klägerin ihren bisher ausgeübten Beruf als Pharmareferentin auf und übte in der Arztpraxis des Beklagten eine Tätigkeit als Ordinationsgehilfin im Ausmaß von mehr als einer Halbtagsbeschäftigung aus. Daneben widmete sie sich der Erziehung der beiden Kinder und der Haushaltsführung. Für den monatlichen Haushalts- und Familienbedarf verwendete die Klägerin ca S 40.000 aus dem Familieneinkommen.

Nach der Trennung bezog die Klägerin bis Ende 2002 Arbeitslosengeld. Von Februar bis November 2004 verdiente sie EUR 294 netto monatlich als teilzeitbeschäftigte Ordinationshilfe. Seit Dezember 2004 ist sie bei ihrem Bruder als Ordinationsgehilfin beschäftigt und verdient im Monat netto EUR 330,05 (14 x jährlich). Sie ist laufend mit dem Arbeitsmarktservice in Kontakt, liest regelmäßig Stellenangebote und ersuchte eine Mitarbeiterin der Ärztekammer, ihr von neu eröffneten Ordinationen Mitteilung zu machen. Sie bewarb sich auch vergeblich bei einem Krankenhaus um eine Stelle. Sie hat zwar Interesse an einer weiteren Ausbildung, kann sich eine solche aber nicht leisten. Eine Rückkehr in ihren ursprünglichen Beruf ist ihr aufgrund ihrer fünfundzwanzig Jahre zurückliegenden Ausbildung nicht möglich. Sie hat - mit Ausnahme der Einstellkosten für ihr Pferd von EUR 250 - monatliche Fixkosten von rund EUR 1.300 (davon EUR 120 bis 150 an Zinsen für einen Bankkredit); darüber hinaus unterstützt sie ihre beiden Kinder mit monatlich ca EUR 400. Bis Februar 2005 erhielt sie vom Beklagten monatlich einen Betrag von EUR 1.800, der als Vorschuss auf ihre Aufteilungsansprüche gewidmet war. Der Beklagte verdient als praktischer Arzt monatlich mindestens EUR 8.720 netto; er leistet für drei Kinder Unterhalt.

Die Klägerin begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der ihr ein monatlicher vorläufiger Unterhalt von EUR 1.800 zuerkannt werde. Sie sei aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar und könne trotz entsprechender Bemühungen keine Arbeitsstelle finden. Ihr Bruder habe sie nur deshalb angestellt, um ihren Sozialversicherungsschutz sicherzustellen. Ihr Unterhaltsanspruch ergebe sich insbesondere aus § 68a Abs 2 EheG. Sie könne aus ihrem eigenen Einkommen aufgrund ihres Alters und der langen Dauer der Ehe in Zusammenhang mit der Haushaltsführung und Betreuungstätigkeit ihren Unterhalt nicht decken. Im Übrigen ergebe sich auch aus § 68 EheG ein Unterhaltsanspruch. Sie verfüge nicht über die erforderliche Ausbildung für die Tätigkeit in einem Pflege- oder Seniorenheim. Eine Beschäftigung beim Beklagten sei ihr nicht zumutbar.

Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, die Klägerin könnte durchaus eine Stelle als Ordinationsgehilfin annehmen. Sie suche aber keine derartige Stelle und nehme auch Stellenangebote als Ordinationsgehilfin „(insbesondere beim Beklagten)" nicht an. Sie habe in seiner Ordination sehr engagiert gearbeitet und habe daher eine entsprechende Ausbildung als Ordinationsmitarbeiterin. Angesichts ihrer bisherigen Tätigkeit wäre sie auch in der Lage, in Pflege- und Seniorenheimen zu arbeiten, wo es Bedarf an Arbeitskräften gebe. Allenfalls könnte sie sich einer Umschulung beim Arbeitsmarktservice unterziehen.

Das Erstgericht nahm den dieser Entscheidung vorangestellten Sachverhalt als bescheinigt an, erließ die beantragte einstweilige Verfügung im Umfang von EUR 1.200 monatlich und wies das darüber hinausgehende Begehren von weiteren EUR 600 monatlich ab. Die Klägerin habe iSd § 68a Abs 2 EheG ihre Selbsterhaltungsfähigkeit aus in der Ehe wurzelnden Gründen verloren. Es sei ihr trotz ihrer vielfältigen Bemühungen bisher nicht gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden, welche sie in die Lage versetzen würde, ihre Lebenserhaltungskosten zur Gänze allein zu decken. Sie habe ihre Bedürftigkeit nicht grob schuldhaft herbeigeführt, weshalb sich ihr Unterhaltsanspruch auch nicht vermindere. Gehe man vom bescheinigten Bedarf der Klägerin in der Höhe von EUR 1.520 (ohne die Unterstützungsbeiträge für die Kinder) aus, erscheine unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Beklagten und seines monatlichen Nettoeinkommens jedenfalls ein Betrag von monatlich EUR

1.200 als Provisorialunterhalt angemessen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die monatlichen Unterhaltsbeträge mit EUR 600 festsetzte und das Mehrbegehren von weiteren EUR 1.200 monatlich abwies. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Auch ein entsprechend der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft während der Ehe im Betrieb des anderen mitarbeitender Partner könne unter der Voraussetzung eines dadurch bewirkten Einkommensmangels einen Unterhaltsanspruch nach § 68a Abs 2 EheG haben, wenn diese Mitarbeit zu Nachteilen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führt. Auch hier habe gerade die langjährige Mithilfe im Betrieb des Beklagten die Berufschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - insbesondere auch altersbedingt - beeinträchtigt. Auch ein Ehegatte, der vorläufigen Unterhalt gemäß den §§ 68, 68a EheG begehre, müsse bescheinigen, dass er sich durch eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit seinen angemessenen Unterhalt nicht verschaffen könne oder ihm die Ausübung einer Tätigkeit überhaupt nicht zumutbar sei. Die Klägerin hätte bescheinigen müssen, dass sie sich den zur Deckung des Lebensbedarfs notwendigen Unterhalt weder durch erzielbare Vermögenseinkünfte noch durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit verschaffen könne. Nach § 68a Abs 3 EheG sei der Unterhaltsanspruch zu versagen oder zu mäßigen, wenn der Unterhaltsberechtigte seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt habe. Der Fall des Fehlens ausreichender Bemühungen, eine eigene Erwerbstätigkeit zur Sicherung des Lebensbedarfs zu erlangen, müsse dem Ausschlagen einer zumutbaren Stelle gleichgestellt werden und zumindest zur Mäßigung des Anspruchs führen. Selbst wenn die Klägerin regelmäßig Stellenangebote verfolgt und darum ersucht habe, ihr Stellen mitzuteilen, habe daraus nicht die volle Unmöglichkeit der Selbsterhaltung als bescheinigt abgeleitet werden können, weil gerade Stellen im medizinischen Bereich besondere Eigeninitiativen, also eigene (tatsächlich erfolgte) Bewerbungen in größerer Zahl erforderten. Trotz des Alters der Antragstellerin von 47 Jahren könne ungeachtet der mangelnden Vermittlungserfolge über das Arbeitsamt und der Verfolgung von Stellenangeboten eine gänzliche Unmöglichkeit der Selbsterhaltung nicht als ausreichend bescheinigt gelten. Ginge man aber - unter Berücksichtigung des derzeitigen Einkommens der Klägerin von EUR 385 monatlich für zehn Wochenstunden - von einem bei entsprechend intensiver Stellensuche aus einer zumindest erweiterten Teilzeitbeschäftigung erzielbaren Einkommen von monatlich ca EUR 800 aus, könne in diesem Umfang nicht von einer Bescheinigung der Unmöglichkeit einer Bedarfsdeckung aus eigenem Erwerb ausgegangen werden. Da der individuelle Bedarf der Klägerin - ohne die Einstellkosten für das Pferd - rund EUR 1.400 betrage, müsse der Beklagte nur EUR 600 pro Monat leisten.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil den Rechtsfragen der Voraussetzungen der Unterhaltsberechtigung eines vormals im Erwerb des anderen Ehegatten mittätigen Ehegatten nach § 68a EheG und dem Ausmaß der Anspannungsobliegenheit und der Rechtsfolge des mangelnden Nachweis ausreichender Eigenbemühungen im Zusammenhang mit einem Unterhaltsbegehren nach § 68a EheG eine grundsätzliche Bedeutung auch für ähnlich gelagerte Fälle zukomme, und zur Frage, ob mangelnde eigene Erwerbsbemühungen iSd § 68a Abs 3 EheG zum gänzlichen oder teilweisen Verlust des Unterhaltsanspruches führten, keine Rechtsprechung des Höchstgerichts vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten, dessen Zurück- bzw Abweisung die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt, erweist sich entgegen der Auffassung des Rekursgerichts als unzulässig, weil der Revisionsrekurswerber keine iSd § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert.

Den Ausführungen im Revisionsrekurs zu einer allfälligen Möglichkeit der Klägerin, Notstandshilfe zu beziehen und damit ihren finanziellen Bedarf - zumindest teilweise - zu decken, hält die Revisionsrekursgegnerin zutreffend entgegen, dass es sich dabei um eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung handelt. Auf die im Zusammenhang damit erörterten Fragen ist daher schon deshalb nicht einzugehen.

Unzutreffend ist auch die Auffassung des Revisionsrekurswerbers, die „Voraussetzung gemäß § 68a EheG" liege deshalb nicht vor, weil die Mitarbeit der Klägerin in seiner Ordination zu keinem Nachteil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geführt habe. Die Vorinstanzen haben vielmehr als bescheinigt angenommen, dass die Klägerin gerade durch die langjährige Mitarbeit als Ordinationsgehilfin ihre frühere berufliche Qualifikation verloren hat und ihr eine Rückkehr in ihren Beruf als Pharmareferentin nicht möglich ist. Der Beklagte behauptet auch gar nicht, dass eine Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Ordinationsgehilfin (ohne eigentliche Ausbildung) einer Tätigkeit als Pharmareferentin im Hinblick auf das erzielbare Einkommen gleichwertig wäre. Ebenso ist unstrittig, dass sich die Klägerin während der Ehe aufgrund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Haushaltsführung sowie der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder gewidmet hat, sodass der Tatbestand des § 68a Abs 2 EheG insoweit zweifellos erfüllt ist. Darüber hinaus sind die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Klägerin gerade aus diesem Grund und auch in Anbetracht ihres Lebensalters nicht in der Lage ist, die zur Befriedigung ihres Lebensbedarfs erforderlichen finanziellen Mittel selbst zu erwerben. Dem hält der Revisionsrekurswerber nichts Stichhaltiges entgegen. Er legt lediglich seine Einschätzung dar, die Klägerin unterscheide sich auf dem Arbeitsmarkt nicht von anderen Arbeitskräften, die lange Zeit als Ordinationsgehilfen tätig waren. Er behauptet jedoch nicht einmal, dass vergleichbare Arbeitssuchende realistischerweise in der Lage wären, eine Arbeitsstelle zu finden, die ihnen ein höheres als das vom Rekursgericht angenommene Einkommen von ca EUR 800 monatlich ermöglichen würde.

Die weitere Behauptung, die Klägerin sei gar nicht ernstlich bemüht, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten, steht mit dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt in Widerspruch, dass die Klägerin regelmäßig mit dem Arbeitsmarktservice in Kontakt ist, regelmäßig Stellenangebote liest, die „Jobbörse" verfolgt, sich bei einem Krankenhaus um eine Stelle bewarb und eine Mitarbeiterin der Ärztekammer ersuchte, ihr von neu eröffneten Ordinationen Mitteilung zu machen. Das Erstgericht hat darüber hinaus - wenn auch im Zusammenhang mit seiner rechtlichen Beurteilung - darauf hingewiesen, es sei der Klägerin trotz ihrer vielfältigen Bemühungen bisher nicht gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden, welche sie in die Lage versetzen würde, ihre Lebenshaltungskosten zur Gänze allein zu decken. Dieses Sachverhaltssubstrat kann durch den bloßen Hinweis darauf, dass die Klägerin einen längeren Zeitraum nicht genutzt habe, um sich durch (welche?) Aus- und Fortbildung ihre Selbsterhaltungsfähigkeit zu sichern, nicht auf rechtlicher Ebene in Frage gestellt werden. Auch die weitere Behauptung, die Klägerin hätte „ohne Probleme eine notwendige Ausbildung machen können, um anschließend eine geeignete Anstellung zu finden", entfernt sich von dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Im Verfahren erster Instanz hat der Beklagte der Klägerin im Übrigen auch keineswegs vorgeworfen, in der Vergangenheit eine Aus- oder Fortbildung unterlassen zu haben, sondern lediglich eingewandt, das Arbeitsmarktservice würde ihr (nunmehr) eine „allenfalls notwendige Umschulung ermöglichen". Mit welcher Tätigkeit die Klägerin in der Lage sein sollte, den vom Revisionsrekurswerber angeführten Betrag von zumindest EUR 1.300 netto monatlich zu verdienen, wird nicht erklärt.

Da im Revisionsrekurs somit nicht aufgezeigt wird, inwieweit die Entscheidung von der Lösung einer im iSd § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängig wäre, erweist sich das Rechtsmittel als unzulässig und ist daher zurückzuweisen.

Die Klägerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf diese Unzulässigkeit nicht substantiiert hingewiesen, weshalb ihr Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich angesehen werden kann, sodass Kostenersatz dafür nicht in Betracht kommt.

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