OGH 9Ob54/05i

OGH9Ob54/05i24.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Berit B*****, geboren am 21. Mai 1995, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Mag. Birgit B*****, *****, diese vertreten durch Dr. Franz Marschall, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. Juni 2005, GZ 23 R 191/05v‑10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 25. April 2005, GZ 1 P 34/05t‑5, aufgehoben, das erstinstanzliche Verfahren für nichtig erklärt und der Antrag der Minderjährigen vom 22. Feber 2005 zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0090OB00054.05I.1024.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

 

Beim Bezirksgericht Neulengbach ist zu 1 A 180/03y ein Verlassenschaftsverfahren nach dem am 28. 6. 2003 verstorbenen Johann D***** anhängig. Die Minderjährige ist die Tochter des Erblassers, welcher auch noch einen Sohn, nämlich den am 26. 1. 1979 geborenen Johann D***** jun., hinterließ. Zwischen diesem und der Minderjährigen ist aufgrund einander widersprechender Erbserklärungen ein Erbrechtsstreit anhängig. Der Arbeitgeber des während aufrechten Arbeitsverhältnisses verstorbenen Erblassers überwies an den Gerichtskommissär EUR 43.144,67, worin neben fällig gewordenen Gehaltsbestandteilen (Überstundenzahlungen, Zuschüssen, Remunerationen) auch ein nach § 23 Abs 6 AngG fälliger Abfertigungsbetrag enthalten war. Dieser wurde vom Gerichtskommissär auf einem Anderkonto angelegt. Mit ihrem Antrag vom 25. 2. 2005 begehrte die Minderjährige, das Bezirksgericht Neulengbach möge als Pflegschaftsgericht den Gerichtskomissär anweisen, die auf seinem Anderkonto liegende gesetzliche Abfertigung von EUR 26.504,98 an die Mutter als gesetzliche Vertreterin zu überweisen.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Aus Anlass des Rekurses des erbserklärten Erben Johann D***** jun. hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss auf, erklärte das ihm vorangegangene Verfahren für nichtig und wies den Antrag der Minderjährigen zurück. Es verwies darauf, dass die Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichtes für einen derartigen Auftrag an den Gerichtskomissär nicht vorliege. Es reicht aus, auf die Richtigkeit der zutreffenden Begründung des Rekursgerichtes hinzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Titel „Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener" sieht § 133 Abs 4 AußStrG vor, dass zur Erforschung des Vermögens und zur Überwachung seiner Verwaltung, einschließlich seiner Sicherung, das Gericht insbesondere dem gesetzlichen Vertreter Aufträge erteilen, Auskünfte von Kreditunternehmen oder von gemäß § 102 AußStrG auskunftspflichtigen Personen einholen, eine Schätzung, die Sperre von Guthaben sowie die gerichtliche Verwahrung von Urkunden und Fahrnissen anordnen sowie einstweilige Vorkehrungen treffen kann. Unter Zitierung der Motive, welche bereits für die Änderung des § 193 AußStrG (alt) durch das KindRÄG 2001 maßgeblich waren (ErlRV 296 der Blg XXI. GP), verweisen die Materialien zum neuen AußStrG (ErlRV 224 der Blg XXII. GP) darauf, dass die Zielsetzung der vorangegangenen Reform fortgesetzt werden solle, die pflegschaftsgerichtliche Rechtsfürsorgepflicht im Bereich der Vermögensverwaltung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter zu reduzieren und Eingriffe vor allem auf die Abwendung akuter Gefährdungsfälle zu beschränken.

Die Minderjährige behauptet weder einen Gefährdungsfall, noch ist ein solcher aus dem Akteninhalt ersichtlich. Vielmehr geht es ihr darum, ihren auf § 23 Abs 6 AngG gegründeten zivilrechtlichen Anspruch unmittelbar gegenüber einer Person durchzusetzen, an die nach ihrer Ansicht zu Unrecht bezahlt wurde.

Die Vorinstanzen haben in Übereinstimmung mit der einhelligen Rechtsprechung erkannt, dass der Anspruch des unterhaltsberechtigten gesetzlichen Erben - dies dürfte nach der Aktenlage nur die minderjährige Antragstellerin sein - auf die Todfallsabfertigung nach § 23 Abs 6 AngG - unabhängig davon, ob er im Verlassenschaftsverfahren tatsächlich zum Zug kommt - originären Natur ist (RIS‑Justiz RS0028721; SZ 69/120) und daher nicht in den Nachlass gehört (SZ 25/231). Zutreffend hat das Rekursgericht aber auch darauf verwiesen, dass das Pflegschaftsgericht - im Rahmen der vorgenannten Regelung - nicht befugt ist, derartige materiellrechtlichen Ansprüche unmittelbar durch Eingriffe in Rechte Dritter durchzusetzen.

Aus Gründen der Vollständigkeit sei darauf verwiesen, dass der Gerichtskommissär in seinem Zwischenbericht vom 18. 3. 2005 (- im Pflegschaftsakt unter ON 3 erliegend -) ohnehin das Erstgericht als Abhandlungsgericht ausdrücklich um die Erteilung eines Auftrags betreffend den Todfallsabfertigungsbetrag ersucht hat. Dem Abhandlungsgericht ist es auch vorbehalten, dem Gerichtskommissär allenfalls einen Auftrag iSd § 7a Abs 1 GKoärG zu erteilen.

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