OGH 3Ob93/05f

OGH3Ob93/05f20.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Conrad Carl Borth und Dr. Johannes Müller, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Peter S***** vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien, wegen 32.655,39 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2005, GZ 12 R 238/04i-30, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der beklagte Buchsachverständige erstellte im Verfahren AZ 2 Cg

256/93v des Landesgerichts Eisenstadt (im Folgenden nur

1. Vorverfahren), in dem die auch hier klagende Reisebüro-GmbH eine

andere Reisebüro-GmbH belangt hatte, ein Sachverständigengutachten

zum Auftrag „ob bzw. welche finanziellen Transaktionen, Behebungen,

Buchungen etc. Inge P***** [im Folgenden nur Mutter der

Geschäftsführerin der klagenden Partei] vor ihrer Löschung als

Geschäftsführerin der klagenden Partei zu Lasten dieser „Firma" und

damit zu Lasten von ... [Geschäftsführerin der klagenden Partei], die

diese „Firma" übernommen hatte, bzw. zu Gunsten der beklagten Partei

oder zu ihren eigenen Gunsten zu Unrecht vorgenommen hat, bzw. ob

oder in welcher Höhe durch derartige Transaktionen der klagenden

Partei oder der ... [Tochter der Geschäftsführerin der klagenden

Partei] ein Schaden entstanden ist." In seinem Gutachten vom 21.

Oktober 1994 gelangte der Beklagte u.a. zum Ergebnis, dass es sich bei drei vom einem PSK-Konto der klagenden Partei vorgenommenen Barabhebungen im Gesamtausmaß von 365.785,74 S = 26.582,69 EUR um einen Abfluss aus dem Vermögen gehandelt habe, der Hans Dieter P***** [Ehegatte der Mutter der Geschäftsführerin der klagenden Partei] zugeflossen sei und es sich bei den von der klagenden Partei bezahlten Krankenversicherungsbeträgen von zusammen 6.416 S = 466,26 EUR um Zahlungen gehandelt habe, die einen Forderungscharakter gegenüber dem Abheber hätten. Zu den Barabhebungen ergibt sich aus Seite 10 des Gutachtens ON 37, worin die Unterlagen aufgezählt sind, unter Hinweis auf die im Akt erliegenden Auszahlungsbestätigungen Beilagen AA, BB und CC, dass diese Abhebungen von Hans Dieter P***** vorgenommen worden seien, während auf den Seiten 80 und 131 f, im speziellen in der Zusammenfassung Seite 131 des Gutachtens ON 37 die Mutter der Geschäftsführerin der klagenden Partei als Abheberin bezeichnet wird (Es handelt sich um einen Abfluß aus dem Vermögensstand der klagenden Partei, der der ... [Mutter der Geschäftsführerin der klagenden Partei] zugeflossen ist). Dieser Irrtum - gemeint: über die Person des Abhebenden - wurde im 1. Vorverfahren, aber auch im 2.Vorverfahren, auf das noch einzugehen ist, nicht problematisiert. Offenbar war den Parteien klar, dass Hans Dieter P***** im Auftrag seiner Ehegattin gehandelt hatte. Die klagende Partei obsiegte im 1.Vorverfahren, in diesem entstand ihr auch nach ihrem eigenen Vorbringen kein Schaden.

Die klagende Partei belangte sodann im Verfahren AZ 2 Cg 237/97f des Landesgerichts Eisenstadt (im Folgenden nur 2.Vorverfahren) Hans Dieter P***** wegen der genannten Barabhebungen. Der in diesem Verfahren bestellte Sachverständige Dkfm. Leopold Wundsam kam zu folgendem Ergebnis: Der dort Beklagte habe im Zeitraum 23. bis 31.

Dezember 1990 insgesamt 365.785,74 S vom Konto Nr. ... abgehoben;

diese Beträge seien ausschließlich für betriebliche Zwecke der ...

[dort und hier klagenden Partei] verwendet worden. ... [die dort und

hier klagende Partei] habe im Zeitraum März bis Mai 1990 Krankenversicherungsprämien für den dort Beklagten von 4mal 1.604 S, somit 6.416 S bezahlt. Diese Ausgaben seien auf dem Verrechnungskonto einer näher genannten Reisebüro-GmbH als Belastung verbucht worden. Auf dieses Verrechnungskonto seien weiters 140.000 S als Eingang verbucht und mit den Krankenversicherungsprämien verrechnet worden. Sollte der dort Beklagte diese Einlage getätigt haben, seien die Krankenversicherungsprämien aufgrund der Verrechnung bereits beglichen worden. Da dem Sachverständigen [Dkfm. Leopold Wundsam] diesbezüglich keine Unterlagen vorlägen, könnten dazu keine Feststellungen getroffen werden. ... Die Abhebungen vom PSK Konto ... von 365.785,74 S stünden zum überwiegenden Teil in Zusammenhang mit dem Rom-Charter. Diesem Gutachten folgend wurde im 2.Vorverfahren als erwiesen angenommen, dass die den drei Abhebungen zugrunde liegenden Geldbeträge nicht der klagenden Partei entzogen worden seien; darin liegt die Differenz zum Gutachten des Beklagten im 1.Vorverfahren. Die Sozialversicherungsabgabe von 6.416 S wurde deshalb nicht zugesprochen, weil die auch dort klagende Partei nicht habe nachweisen können, dass die Krankenversicherungsbeiträge zurückzuzahlen gewesen wären.

Die klagende Partei machte nun im vorliegenden Verfahren geltend, sie habe durch das teilweise objektiv unrichtige Gutachten des Beklagten im 1.Vorverfahren einen Schaden (fremde und eigenen Verfahrenskosten des 2.Vorverfahrens) erlitten, weil sie allein auf dessen Richtigkeit vertrauend das 2.Vorverfahren angestrengt und verloren habe. Die Vorinstanzen verneinten u.a. einen Sorgfaltsverstoß des Beklagten und wiesen das Klagebegehren ab.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist aus folgenden Erwägungen nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger, der im Zivilprozess ein unrichtiges Gutachten abgibt, haftet nach stRsp den Parteien gegenüber persönlich und unmittelbar nach §§ 1295, 1299 ABGB für den

durch ein unrichtiges Gutachten verursachten Schaden (6 Ob 634/77 =

SZ 50/98; 1 Ob 79/00z = SZ 73/96; 3 Ob 284/01p u.a., zuletzt 7 Ob

247/04f; Harrer in Schwimann2, § 1300 ABGB Rz 69; Karner in KBB, § 1299 ABGB Rz 10 mwN). Welser (Sachverständigenhaftung und Insolvenzverfahren, NZ 1984, 92 ff; billigend Koziol, Österr. Haftpflichtrecht3 I Rz 4/48) geht von einer Verantwortlichkeit des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegenüber den Parteien eines Verfahrens nach Vertragsgrundsätzen durch die verfahrensrechtliche Sonderbeziehung, in der er zu diesen Parteien steht, aus. Die Frage, ob der gerichtlich bestellte Sachverständige für Fehler seines Gutachtens den Prozessparteien bloß deliktisch oder aber nach Vertragsgrundsätzen haftet, muss hier nicht entschieden werden. Nach nun stRsp (RIS-Justiz RS0106433) trifft den Sachverständigen eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht auch zu Gunsten eines Dritten, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Disposition bilden werde. Daher kann nicht zweifelhaft sein, dass dieser Grundsatz auch dann zu gelten hat, wenn das unrichtige Gutachten zu einer schadensverursachenden Disposition nicht eines Dritten, sondern einer Prozesspartei Anlass gab. Maßgeblich ist aber auch in diesem Fall zur Frage einer schadensverursachenden Haftung der aus dem Gutachten ersichtliche Gutachtensauftrag an den Sachverständigen als der Maßstab, an dem die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens zu messen ist (vgl. 7 Ob 273/00y).

Im hier nach schadenersatzrechtlichen Maßstäben zu beurteilenden

1. Vorverfahren wurde die dort obsiegende klagende Partei durch das Gutachten des Beklagten nicht beschwert, wie sie selbst zugesteht. Im 2. Vorverfahren stellte sich nun heraus, dass nicht die Mutter der Geschäftsführerin der klagenden Partei, sondern ihr Ehegatte die strittigen Geldbehebungen von einem Konto der klagenden Partei vorgenommen hatte. Dies entspricht den Ausführungen auf Seite 10, wenngleich nicht auf den Seiten 81 und 130 f des Gutachtens des Beklagten im 1.Vorverfahren. Aus der genannten Ungereimtheit kann der klagenden Partei aber kein Schaden entstanden sein, maßgeblich war ja für den Verlust des 2.Vorverfahrens durch die klagende Partei die Frage der Verwendung der behobenen Beträge für sie. Über die Person des Abhebers konnte die klagende Partei angesichts der schriftlichen Auszahlungsbestätigungen nie im Unklaren gewesen sein; wenn sie sich insoweit über die Person auf die Seiten 81 und 131 f des Gutachtens des Beklagten berufen wollte, hätte sie nicht den Beklagten des 2. Vorverfahrens, sondern dessen Ehegattin gerichtlich belangen müssen.

Weiters begutachtete der Beklagte im 1.Vorverfahren, dass es sich bei den Behebungen um einen Abfluß aus dem Vermögensstand der klagenden Partei handle, der der Mutter der Geschäftsführerin der klagenden Partei zugeflossen sei. Nach den - auf dem Gutachten des Sachverständigen Dkfm. Leopold Wundsam basierenden - erstgerichtlichen Feststellungen sind die behobenen Geldbeträge wieder der klagenden Partei zugeflossen. Zum einem allfälligen Rückfluss der behobenen Beträge an die klagende Partei nahm der Beklagte im 1.Vorverfahren aber nicht Stellung, dies war auch gar nicht Thema des allein maßgeblichen Gutachtensauftrags. Zur Frage, wer die hier relevanten Behebungen vom Konto der klagenden Partei tätigte, erlagen bereits damals Urkunden im Akt, auf die auch auf Seite 10 des Gutachtens des Beklagten verwiesen wird; zu Rückflussen entnommener Gelder an die klagende Partei konnte der Beklagte aber mangels vorliegender Unterlagen gar nicht Stellung nehmen. Damit konnte sich der Beklagte zu seiner Haftungsfreiheit aber zu Recht darauf berufen, im 1.Vorverfahren mehrfach darauf hingewiesen zu haben, keine abschließende Stellungnahme zu den Geldflüssen innerhalb der Gesellschaften und ihrer Organe abgeben zu können, somit sein Gutachten auch im hier relevanten Punkt auf unverlässlichen bzw. unvollständigen Grundlagen aufgebaut ist (vgl. dazu die eingehenden Hinweise auf S 14 ff der Berufungsentscheidung) und dass es gerade in der jetzt allein relevanten Frage von „Rückflüssen" der Barentnahmen an die klagende Partei - tatsächlich musste, wie jetzt feststeht, der Abheber diese Beträge als Reiseleiter bei einem „Rom-Charter" zur Deckung von Reisekosten etc. aufwenden - deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erhebt (RIS-Justiz RS0026325). Damit fehlt es schon am Verschulden des Beklagten für den behaupteten Schaden der klagenden Partei. Der Sachverständige haftet den Prozessparteien und unter gewissen Voraussetzungen auch Dritten aber nur für die Folgen eines im Rechtsstreit schuldhaft abgegebenen unrichtigen Gutachtens.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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