Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.126,62 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 187,77 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei beteiligte sich an der Ausschreibung des beklagten Landes für die Generalsanierung eines Landespensionisten- und Pflegeheims in Niederösterreich. Den Zuschlag erhielt ein anderes Unternehmen, das ein Anbot mit einer höheren Auftragssumme abgab als jenes der klagenden Partei, obwohl bei der Ausschreibung der Preis das einzige Zuschlagskriterium war. Die klagende Partei unterließ es, ein Nachprüfungsverfahren beim NÖ UVS zu beantragen. Es lag ein „Oberschwellenverfahren" vor, auf das das NÖ VergG LGBl 1995/84 idF LGBl 2001/185 anzuwenden ist.
Mit Schreiben vom 28. März 2003 teilte das Amt der Landesregierung der klagenden und den anderen nicht ausgewählten Bietern mit, dass sie nicht Bestbieter seien. Den Zuschlag erhalte das namentlich genannte andere Unternehmen als Bestbieter des Verfahrens.
Mit Schreiben vom 8. April 2003 teilte das Amt der Landesregierung der klagenden Partei auf deren Anfrage als Grund dafür, dass sie nicht Bestbieter sei, mit, sie habe nicht eine näher beschriebene technische Ausführung angeboten. Die klagende Partei forderte die beklagte Partei am 23. Mai 2003 auf, ihr wegen rechtswidriger Übergehung als Bestbieter den entgangenen Nettogewinn zu ersetzen. Dies lehnte die beklagte Partei am 5. Juni 2003 schriftlich ab und berichtigte hiebei ihr Schreiben vom 28. März dahin, dass es lauten müsse, die Zuschlagsentscheidung laute auf das andere Unternehmen als Bestbieter des Verfahrens. Die beklagte Partei habe nämlich im Schreiben vom 28. März 2003 irrtümlich einen falschen Textbaustein verwendet und anstatt der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung die Erteilung des Zuschlags (im Imperfekt) mitgeteilt. Am 14. Juli 2003 erteilte das Amt der Landesregierung dem anderen Unternehmen den Zuschlag. Der vergebene Auftrag wurde überdies am 10. September 2003 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften kundgemacht. Darüber hinaus teilte das Amt der Landesregierung am 23. März 2004 nicht ausgewählten Bietern mit, dass beim Schreiben vom 28. März 2003 der falsche Textbaustein verwendet worden sei (irrtümlich: Zuschlag erteilt statt richtig: Die Zuschlagsentscheidung lautet auf ....).
Das Amt der Landesregierung teilte dem ausgewählten Unternehmen darüber hinaus am 11. Mai 2004 schriftlich mit, dass das Land im Namen und auf Rechnung einer bestimmten Gesellschaft den Zuschlag erteile und darauf hinweise, dass dieses Zuschlagsschreiben das Zuschlagsschreiben vom 14. Juli 2003 ersetze. Wann die Durchführung des Bauvorhabens vom Amt der Landesregierung auf die genannte Gesellschaft ausgelagert wurde, kann nicht festgestellt werden; es geschah jedenfalls nach dem 14. Juli 2003 (erstes Zuschlagsschreiben).
Die klagende Partei begehrte Schadenersatz (Erfüllungsinteresse) mit dem Vorbringen, der Auftrag sei rechtswidrig und schuldhaft nicht an sie als Bestbieterin erteilt worden. Die beklagte Partei habe gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot verstoßen. Sie habe in verwirrender und gegen § 53a BVergG 1997 verstoßender Weise unzulässig Mitteilungen an sie gemacht und diese uminterpretiert; Mitteilungen an andere Bieter habe sie unterlassen. Nachdem diverse Fehler bei der Vergabe offenkundig geworden seien, habe die beklagte Partei im März 2004 die zuvor mit Schreiben vom 28. März 2003 mitgeteilte Zuschlagserteilung in eine Mitteilung von der Zuschlagsentscheidung einseitig abgeändert. Darauf hin habe sie ein weiteres Zuschlagsschreiben an das andere Unternehmen gesandt. Diese verwirrende Vorgangsweise widerspreche eklatant vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung sämtlicher Bieter sowie der Transparenz des Vergabeverfahrens. Die beklagte Partei habe offenbar beabsichtigt, die klagende Partei bei ihrer Rechtsdurchsetzung nachhaltig zu behindern. Das von der hier umstrittenen Ausschreibung betroffene Werk sei im August 2004 ausgeführt worden.
Die beklagte Partei wendete die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil die klagende Partei die Anrufung des NÖ UVS unterlassen habe. Nach § 35 Abs 2 NÖ VergG sei eine Schadenersatzklage nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung des UVS gemäß § 24 Abs 3 NÖ VergG, also darüber erfolgt sei, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 35 Abs 2 NÖ VergG sei eine Schadenersatzklage nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung des NÖ UVS gemäß § 24 Abs 3 NÖ VergG erfolgt sei. Dies gelte auch für auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Schadenersatzklagen.
Das Rekursgericht bestätigte die Klagezurückweisung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob für einen Schadenersatzanspruch ein Feststellungsverfahren nach § 35 Abs 2 iVm § 24 Abs 3 NÖ VergG idF LGBl 2001/185 auch dann erforderlich sei, wenn sich der übergangene Bieter erst im Schadenersatzprozess darauf berufe, dass die Zuschlagserteilung wegen Mängeln bei der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung unwirksam sei. Der von der klagenden Partei behauptete Schadenersatzanspruch, weil rechtswidrig und schuldhaft nicht ihr als Bestbieterin der Auftrag erteilt worden sei, gehe nicht dadurch verloren, dass sich ein Zuschlag im Nachhinein als nicht wirksam erteilt herausstellen sollte. Selbst dann könne einem übergangenen Bieter durch ein derartiges, beendetes Vergabeverfahren, bei dem das ausgeschriebene Werk bereits ausgeführt worden sei, rechtswidrig (= durch Verstoß gegen das Vergabegesetz) und schuldhaft ein Schaden zugefügt worden sein. Die Anrufung des NÖ UVS setze gemäß § 24 Abs 3 NÖ VergG entweder eine Zuschlagserteilung oder den Abschluss des Vergabeverfahrens voraus. Dass der Zuschlag rechtswirksam zustandegekommen sei, sei hingegen bei der Antragstellung nicht nachzuweisen. Die Behauptung der klagenden Partei, sie sei durch die widersprüchlichen Schreiben der beklagten Partei in die Irre geführt worden, ändere nichts daran, dass sie für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch einen Antrag auf Feststellung gemäß § 24 Abs 3 NÖ VergG beim NÖ UVS hätte stellen müssen. Die widersprüchlichen Mitteilungen wären allenfalls bei der Beurteilung des Beginns der 6-wöchigen Antragsfrist zu berücksichtigen gewesen. Da es der Klägerin möglich gewesen wäre, nach Erteilung des Zuschlags eine Feststellung iSd § 24 Abs 3 NÖ VergG zu beantragen, der Wille der klagenden Partei, nicht der klagenden Partei, sondern dem anderen Unternehmen den Zuschlag zu erteilen, eindeutig gewesen sei, sei der klagenden Partei der Rechtsschutz (Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen) nicht „übermäßig erschwert worden". Die klagende Partei habe es nicht einmal versucht, einen Feststellungsantrag nach § 24 Abs 3 NÖ VergG einzubringen.
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen sowohl zum BVergG (9 Ob 132/03g = bbl 2004, 77 [Holly] = RdW 2004, 282; 6 Ob 259/03b = RPA 2004, 95 [Pock]; zuletzt 5 Ob 134/04y) als auch zum NÖ VergG (4 Ob 426/03v = wbl 2004, 122 = RPA 2004, 172 [Pock]) ausgesprochen, dass der Ersatz des entgangenen Gewinns wegen behaupteter vergaberechtswidriger Zuschlagserteilung nur dann auf dem Rechtsweg begehrt werden darf, wenn das Bundesvergabeamt bzw. der (jeweils zuständige) unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Das Verfahren zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen vergaberechtswidrigen Zuschlags ist sowohl nach dem Sinn des Gesetzes als auch nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ohne Rücksicht auf den Inhalt des jeweiligen Ersatzanspruchs im gleichen Sinn auszugestalten. Der Zweck des Feststellungsverfahrens spricht dafür, dessen (positiven für den Schadenersatzwerber) Abschluss als Prozessvoraussetzung auch für die Geltendmachung von Schadenersatz zu statuieren, wenn über den Kostenersatz hinausgehende Ansprüche geltend gemacht werden. Dieser Rsp des Obersten Gerichtshofs ist das Rekursgericht gefolgt.
Der Oberste Gerichtshof hat darüber hinaus zu 2 Ob 274/01i (= JUS-Extra OGH-Z 3889) festgehalten, dass selbst im Fall des Widerrufs einer Ausschreibung ein wegen Vergaberechtswidrigkeit erhobener Schadenersatzanspruch nur dann auf dem Rechtsweg geltend gemacht werden darf, wenn ein Feststellungsbescheid der Vergabekontrollbehörde (dort Bundesvergabeamt) feststellt, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Die Feststellungskompetenz der Vergabekontrollbehörde ist nicht nur nach Zuschlagserteilung, sondern auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens gegeben. Auch in diesen Fällen ist die Vergaberechtswidrigkeit als Grundlage des erhobenen Schadenersatzanspruchs zu prüfen und trägt das für die Rechtfertigung des Feststellungsbescheids der Vergabekontrollbehörde als Prozessvoraussetzung ins Treffen geführte Argument, die auf Vergabefragen spezialisierte Vergabekontrollbehörde solle die vom Geschädigten behauptete Vergaberechtswidrigkeit prüfen, das Gericht die übrigen Voraussetzungen eine Schadenersatzpflicht. Da im vorliegenden Fall das Vergabeverfahren jedenfalls abgeschlossen ist - der Auftrag wurde unstrittig ausgeführt - erübrigt sich daher eine Prüfung, ob die Zuschlagserteilung durch allfällige Mängel bei der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung unwirksam ist.
Die darüber hinaus von der Revisionsrekurswerberin behaupteten Widersprüche der Rekursentscheidung zu Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs besteht nicht.
Der E 2 Ob 2/97a (= bbl 2000, 33 = wbl 2000, 185 = colex 2000, 109) lag ein Fall zugrunde, in dem es dem Geschädigten gar nicht möglich war, ein Feststellungsverfahren bei der Vergabekontrollbehörde einzuleiten, weil die entsprechende landesgesetzliche Bestimmung einen bereits erfolgten Zuschlag voraussetzte, es zu diesem aber nicht gekommen war, weil die Ausschreibung nach Ablauf der Anbotsfrist widerrufen worden war. Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei eine Feststellung des NÖ UVS gemäß § 24 Abs 3 NÖ VergG von vornherein gar nicht begehrt, obwohl dies nach Zuschlagserteilung - mag diese auch mangelhaft und/oder rechtswidrig gewesen sein - oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens (Auftragsdurchführung) nach eindeutiger Gesetzeslage jedenfalls möglich gewesen wäre.
Die E 4 Ob 62/03a (= EvBl 2003/165 = ZVB 2003, 317 [Dullinger] = RdW 2003, 698 = wbl 2004, 40) verneint das Erfordernis des Feststellungsbescheids der Vergabekontrollbehörde bei einem auf culpa in contrahendo gestützten Schadenersatzanspruch. Dort wurde eine Ausschreibung vor Ende der Ausschreibungsfrist widerrufen und überdies von der Vergabekontrollbehörde Anträge auf Nichtigerklärung des Widerrufs, auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Vergabegesetz sowie auf Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei, zurück- bzw abgewiesen. Dieser Entscheidung lag somit ein mit dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.
Da die klagende Partei eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen vermag, ist ihr Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO; die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)