OGH 9ObA111/05x

OGH9ObA111/05x30.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Herbert Stegmüller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter P*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalts GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei G***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, wegen EUR 50.547,20, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 4.400) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2005, GZ 8 Ra 25/05s-32, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. November 2004, GZ 35 Cga 147/03f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Zuspruch von EUR 19.500,54 samt 9,5 % Zinsen ab 1. 8. 2003 und in der Abweisung von EUR 26.646,66 samt 9,5 % Zinsen seit 1. 8. 2003 als Teilurteil in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen, nämlich hinsichtlich des verbleibenden Teilbegehrens von EUR 4.400 samt 9,5 % Zinsen seit 1. 8. 2003 sowie im Kostenpunkt, aufgehoben.

Die Arbeitsrechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. 4. 1999 als Versicherungsagent tätig, wobei er insbesondere den Geschäftsbereich „Privatkunden" zu betreuen und auszubauen hatte. Von den bei der Beklagten eingehenden Provisionen sollte er 50 % erhalten. Darüber hinaus war er vereinbarungsgemäß vom 1. 8. 2001 bis 30. 6. 2002 im Servicemanagement der Beklagten beschäftigt, wofür er ein fixes monatliches Entgelt erhielt. Über Ersuchen der Beklagten nahm er diese Tätigkeit einschließlich einer verkaufsfördernden Unterstützung der Kooperationspartner in der Zeit von Oktober bis Dezember 2002 wieder auf, wofür ihm ein Monatsentgelt von S 60.000 zugesagt wurde; zusätzlich sollte er weiterhin die Provisionen aus den von ihm vermittelten Eigengeschäften erhalten. Unstrittig ist, dass das vereinbarte Entgelt für diese drei Monate in Höhe von (umgerechnet) EUR 13.081,11 seinem Provisionskonto gutgebucht wurde.

Der Kläger begehrte letztlich unter dem Titel „Kundenstockablöse" restliche EUR 18.531,57 (dieser Teil des Klagebegehrens ist bereits erledigt) und an „Verkaufsförderungshonorar" (Entgelt für Tätigkeit im Servicemanagement und verkaufsfördernde Unterstützung der Kooperationspartner) restliche EUR 32.015,63 jeweils an Zinsen. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass dem Kläger für seine diesbezügliche Tätigkeit bis Juni 2002 noch ein Anspruch in der Höhe von EUR 19.500,54 zustand. Für den Zeitraum ab Oktober 2002 begehrte er weitere EUR 4.400 samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte habe zwar mit 9. 1. 2003 EUR 13.081,11 „ausbezahlt", am 18. 2. 2003 jedoch zu ihren Gunsten für die Monate November und Dezember 2002 eine „Verwaltungsprovision" von je EUR 2.200 zu Unrecht gegengebucht, die somit seinen Ansprüchen hinzuzurechnen sei. Die Geltendmachung einer solchen Verwaltungsprovision durch die Beklagte sei unberechtigt, weil der Kläger mit einer Abänderung der bisherigen Kooperationsvereinbarung nicht einverstanden gewesen sei und auch einen ihm vorgelegten „Lizenzvertrag" nicht unterfertigt habe. Darüber hinaus sei er in den beiden Monaten für die Beklagte im Servicemanagement tätig gewesen und habe gar keine Geschäfte vermitteln können.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, der Kläger sei ihr „Lizenznehmer gewesen", auch wenn er die Vereinbarung nicht unterfertigt habe. Die Verrechnung des Verwaltungspauschalhonorars von EUR 2.200 monatlich sei „in Vereinbarung und mit Zustimmung des Klägers" erfolgt; dieser habe die Kontoabrechnung unbeeinsprucht akzeptiert. Ab November 2002 seien dem Kläger (bzw der OEG) 100 % der Provisionen gutgeschrieben worden, sodass die Beklagte auch berechtigt gewesen sei, dem Kläger die Verwaltungspauschale anzulasten.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 19.500,54 samt Zinsen zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von EUR 31.046,66 samt Zinsen ab. Es stellte zur Frage der Provisionsvereinbarung fest, dem Geschäftsführer der Beklagten sei im Herbst 2002 empfohlen worden, die bisherigen Kooperationsvereinbarungen mit den Mitarbeitern durch Lizenzvereinbarungen zu ersetzen. Darin sei unter anderem vorgesehen, dass dem Lizenznehmer anstelle einer Provisionsteilung im Verhältnis 50 : 50 die verdiente Provision zur Gänze gebühre, wogegen die Beklagte als Lizenzgeberin monatlich einen Betrag von EUR 2.200 als „Vertragsverwaltungsprovision" erhalten solle. Der Kläger sei im Rahmen einer mit anderen Kooperationspartnern gegründeten OEG ab 1. 1. 2003 „auf Basis der im Lizenzvertrag festgelegten Provisionsvereinbarung tätig geworden". Er habe „in der Folge" jedoch die ihm vorgelegte Provisionsvereinbarung nicht unterfertigt. Er sei weder mit der achtjährigen Laufzeit noch mit der Regelung, dass im Falle seiner Insolvenz die Beklagte zur sofortigen Auflösung berechtigt ist und alle Provisionsansprüche erwirbt, einverstanden gewesen. Ab 1. 11. 2002 sei dem Kläger die gesamte Provision der von ihm abgeschlossenen „Maklerverträge" (?) auf seinen Konto gutgebucht worden. Im Gegenzug sei er von der Beklagten im November und Dezember 2002 mit der Verwaltungsgebühr in Höhe von je EUR 2.200 belastet worden; gegen diese Vorgangsweise habe er keine Einwände erhoben. Rechtlich qualifizierte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Kläger die neue Provisionsvereinbarung laut Lizenzvereinbarung schlüssig durch die unbeanstandete Annahme der gesamten von der Versicherungsanstalt ausbezahlten Provisionen akzeptiert habe, auch wenn er die Lizenzvereinbarung letztlich nicht unterfertigt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Der Kläger sei zwar mit dem Vertragsentwurf nicht einverstanden gewesen, weil ihm die Vertragsdauer und die Rechtsfolgen einer Konkurseröffnung nicht gepasst hätten, er habe jedoch weder im Verfahren erster Instanz behauptet, noch als Partei ausgesagt, dass er der neuen Provisionsregelung einschließlich der Verwaltungskostenpauschale nicht zugestimmt hätte. Das Erstgericht habe festgestellt, dass er ab 1. 11. 2002 die Provision zu 100 % ausbezahlt (richtig: gutgebucht) erhalten und dagegen ebensowenig Einwände erhoben habe wie gegen die Abbuchung der Verwaltungsgebühr. Im Hinblick darauf, dass er im Mai 2003 im Schreiben ./20 sogar eine Gegenbuchung begehrt habe, könne kein Zweifel daran bestehen, dass er die Lizenzvereinbarung - trotz seiner Weigerung sie zu unterfertigen - zumindest partiziell akzeptiert habe. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision stütze sich auf § 502 Abs 1 ZPO.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers, in der er einen weiteren Zuspruch in Höhe von EUR 4.400 samt Zinsen anstrebt, ist zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend wendet sich der Revisionswerber gegen die Auffassung der Vorinstanzen, er hätte einer Abänderung der ursprünglichen Provisionsvereinbarung für die Monate November und Dezember zugestimmt und sich dabei auch schlüssig zur Zahlung eines Pauschalentgelts von EUR 2.200 an die Beklagte verpflichtet. Eine solche schlüssige Willenserklärung lässt sich weder aus den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen noch dem Prozessvorbringen der Beklagten ableiten, das sich im Wesentlichen darauf beschränkt, der Kläger habe die Kontoabrechnung „unbeeinsprucht akzeptiert".

Nach § 863 Abs 1 ABGB kann ein rechtsgeschäftlicher Wille auch stillschweigend durch solche Handlungen erklärt werden, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. Damit stellt das Gesetz einen strengen Maßstab an die Konkludenz von bloß möglicherweise als Willenserklärungen zu deutenden Handlungen auf (vgl dazu nur die Nachweise bei Bollenberger in KBB § 835 Rz 6). Bleibt zweifelhaft, ob jemand mit bestimmten Handlungen überhaupt etwas Rechtsgeschäftliches erklären will oder welchen Inhalt eine solche Erklärung haben soll, ist § 863 ABGB nicht anwendbar. Dies gilt insbesondere für bloßes Schweigen (dazu Bollenberger aaO Rz 8), auf das sich die Beklagte mit ihrer Behauptung des unbeeinspruchten Akzeptierens der Kontoabrechnung ersichtlich beruft; ein ausdrückliches Einverständnis mit der Kontoabrechnung haben die Vorinstanzen nicht festgestellt.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger ausdrücklich erklärt, die ihm angebotene „Lizenzvereinbarung" nicht abschließen zu wollen. Die Annahme der Vorinstanzen, er habe die Lizenzvereinbarung zumindest partiell akzeptiert erscheint schon deshalb fragwürdig, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Beklagte mit einer solchen einseitigen Änderung des von ihr formulierten Vertragswerks einverstanden gewesen wäre. Soweit sich das Berufungsgericht auf eine vom Kläger unterfertigte Urkunde aus dem Mai 2003 berufen hat, hat es sich einerseits darüber hinweggesetzt, dass das Erstgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat. Darüber hinaus ist nicht zu erkennen, inwieweit eine allenfalls konkludente Zustimmung für den Monat Mai 2003 auf den Zeitraum November und Dezember 2002 zurückwirken sollte. Zu einer derartigen Auslegung hatte auch die Beklagte keine Veranlassung (zur Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts vgl nur Bollenberger, aaO Rz 3 mwN), zumal der Kläger bereits im Verfahren erster Instanz darauf hingewiesen hat, dass er in dieser Zeit durch andere Tätigkeiten für die Beklagte ausgelastet war und gar nicht in der Lage gewesen wäre, neue Versicherungsverträge zu vermitteln und Provisionen zu verdienen. Unter diesen Umständen konnte ihm keinesfalls unterstellt werden, die Verpflichtung zur Zahlung eines ganz erheblichen monatlichen Fixbetrags - im Gegenzug zu einer Verdoppelung seines Provisionsanspruchs - übernehmen zu wollen. Auch das Argument, der Kläger habe die von der Beklagten vorgenommenen Buchungen auf seinem Konto vorerst nicht bemängelt, lässt bei näherer Betrachtung keine Schlüsse zu, wobei darauf hinzuweisen ist, dass es weder Prozessbehauptungen noch Feststellungen dazu gibt, wann ihm diese Buchungsvorgänge zur Kenntnis gelangt sind. Im Einklang mit dem - offenbar von der Beklagten hergestellten - Auszug aus dem Provisionskonto (./16) hat der Kläger vorgebracht, die Gegenbuchung von EUR 4.400 zugunsten der Beklagten sei (erst) am 18. 2. 2003 erfolgt. Auch angesichts seiner späteren Klageführung ist ein zeitweiliges Schweigen zu dieser Buchung keinesfalls als Zustimmung aufzufassen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Provisionsabrechnungen für November und Dezember 2002. Schon angesichts der von den Vorinstanzen festgestellten Ansprüche des Klägers von mehr als EUR 19.000 konnte vom Kläger nicht erwartet werden, dass er die Beklagte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie ihm zu viel an Provisionen gutgeschrieben hat.

Auch wenn damit feststeht, dass die Beklagte nicht berechtigt war, durch entsprechende Buchungen gegen die Ansprüche des Klägers mit ihrer vermeintlichen Gegenforderung von EUR 4.400 aufzurechnen, ist die Sache noch nicht spruchreif. Es mangelt nämlich an Tatsachenfeststellungen (insbesondere über die von der Beklagten geleisteten Zahlungen), die eine Beurteilung der Rechtsansicht des Klägers zulassen, dass gerade sein Anspruch auf „Servicemangementhonorar" für die Monate Oktober bis Dezember 2002 noch im Umfang von EUR 4.400 unberichtigt wäre. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht ausdrücklich auf bestimmte Verbindlichkeiten gewidmete Zahlungen der Beklagten im Sinne der Tilgungsregelung des § 1416 ABGB auf die ältesten Forderungen des Klägers anzurechnen sind. Dabei sind allerdings nur die tatsächlich bestehenden Forderungen heranzuziehen, sodass auch zu beachten sein wird, dass die laut Beilage ./16 zum 30. 11. bzw. 31. 12. 2002 gutgeschriebenen Abrechnungsbeträge (EUR 5.003,19 und EUR 2.436,14) nach den Feststellungen der Vorinstanzen überhöht sind, weil ihnen ein Satz von 100 % der der Beklagten zugeflossenen Provisionen zugrundegelegt wurde; ist es aber - wie dargelegt - zu keiner konkludenten Abänderung der ursprünglichen Provisionsvereinbarung gekommen, stehen dem Kläger nur 50 % zu. All dies wird im fortzusetzenden Verfahren mit den Streitteilen zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben sein, dazu ergänzendes Vorbringen zu erstatten.

Da auch die Entscheidung über die bisherigen Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz vom endgültigen Prozesserfolg abhängt, sind auch die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen von der Aufhebung erfasst. Über den Kostenersatz wird entsprechend dem endgültigen Prozesserfolg abzusprechen sein. Der in Ansehung der Kosten des Revisionsverfahrens ausgesprochene Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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