OGH 11Os64/05d

OGH11Os64/05d27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Yusuf K***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 30. März 2005, GZ 38 Hv 19/05m-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Yusuf K***** der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt a des Urteilssatzes) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt b) schuldig erkannt. Danach hat er am 1. und 2. Juni 2003 in Zell am See und auf der Fahrt nach München seine Tochter Hanife K***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich dadurch, dass er ihr im Hause Gartenstraße 1 ein Tuch vor den Mund band, ihren Kopf erfasste und diesen mehrmals in einem bereitgestellten, mit Wasser gefüllten Kübel untertauchte, wobei er gleichzeitig äußerte: „Entweder du fährst in die Türkei oder du stirbst hier", sowie in weiterer Folge dadurch, dass er sie in seinem PKW über eine Strecke von Zell am See bis in den Raum München mit verbundenem Mund und an den Rücken gefesselten Armen sowie gefesselten Beinen im Fahrzeug festhielt und sie einschüchterte, indem er ihr verbot zu schreien, sonst würde er zu Ende bringen, was er begonnen habe,

a) zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen des Bundesgebietes und zur Rückkehr in die Türkei sowie zur Mitfahrt in seinem Fahrzeug und Abstandnahme von der Herbeiholung jedweder Hilfe genötigt, und

b) sie während der Fahrt mit dem PKW von Zell am See bis in den Raum München widerrechtlich auf solche Weise gefangen gehalten, dass ihr die Freiheitsentziehung besondere Qualen bereitete.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Annahme einer echten Idealkonkurrenz der Tatbestände der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB. Zur Begründung wird vorgebracht, dass der Angeklagte sowohl die Drohung mit dem Tode als auch die Gewaltanwendung einzig zu dem Zweck eingesetzt habe, seiner Tochter bezüglich der beabsichtigten Freiheitsentziehung habhaft zu werden und in der Folge die bereits verwirklichte Freiheitsentziehung aufrecht zu erhalten, womit aber die Nötigung eine „Begleittat" der Freiheitsentziehung darstelle und die durch Anwendung der Nötigungsmittel entstandenen physischen und psychischen Belastungen des Tatopfers bereits durch die Qualifikation des § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB abgedeckt seien.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ein striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung erfordert, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Urteilssachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 9a E 5).

Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (US 4 f, 6) dienten die vom Angeklagten angewendeten Nötigungsmittel (neben dem damit mitbezweckten Einsteigen in seinen PKW insbesondere) der Erzwingung der Teilnahme am Flug von München in die Türkei und der Verhinderung der Herbeiholung von Hilfe am Münchener Flughafen, somit aber nicht (ausschließlich; 12 Os 5/01) dem Zweck, die nach den weiteren Urteilsannahmen (US 3 ff, 6) durch Fesselung im (zeitweise versperrten) Keller des Hauses in Zell am See begonnene und nach der Autofahrt (spätestens) mit dem Erreichen des Flughafens München beendete Freiheitsentziehung herbeizuführen oder aufrecht zu erhalten.

Indem die Subsumtionsrüge mit solcherart nicht feststellungskonformen Schlüssen nicht an diesen Urteilskonstatierungen festhält, verfehlt sie die gesetzmäßige Ausführung. Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 StPO), dass die vom Erstgericht unter anderem auch auf zugleich nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB subsumtionsrelevante Tatumstände (mit Ertrinkungsgefahr verbundenes wiederholtes Eintauchen des Kopfes des Tatopfers in einen mit Wasser gefüllten Kübel) gestützte rechtliche Annahme der Qualifikationsverwirklichung nach § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB keinen Bedenken begegnet (vgl 13 Os 48/90; 15 Os 17/94).

Der Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider verstößt die erschwerende Wertung eines „insgesamt besonders langen Deliktszeitraumes" der - nach den Urteilsannahmen (US 3 ff, 8) über mehrere Stunden aufrecht erhaltenen - Freiheitsentziehung nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; vgl Ebner WK2 § 32 Rz 64), weil der Tatbestand des § 99 Abs 1 StGB keine bestimmte Mindestdauer des Gefangenhaltens oder der sonstigen Freiheitsentziehung voraussetzt (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 99 RN 8).

Die somit zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte, im Übrigen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Beratung nach § 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten obliegt damit dem Oberlandesgericht Linz (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Stichworte