OGH 5Ob156/05k

OGH5Ob156/05k20.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dr. W*****, vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die Antragsgegner 1. K. ***** GmbH (davor: E***** N***** GmbH, davor KR-***** mbH), *****, vertreten durch Thiery & Ortenburger, Anwaltssozietät in Wien, 2. Dr. Martina K*****, 3. Dr. Ernst M*****, 4. Dr. Eva Maria M*****, 5. Mag. Ursula E*****, 6. Jörg F*****, 7. Daniel Thomas H*****, 8. Dominique F*****, 9. Klaudia F*****, Zweit- bis Neuntantragsgegner vertreten durch Gabler, Gibel & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. März 2005, GZ 41 R 229/04m-38, womit infolge Rekurses der Zweit- bis Neuntantragsgegner der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Juli 2004, GZ 9 Msch 10047/02s-29, abgeändert wurde, nachstehenden

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben und der angefochtene Sachbeschluss dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung im Revisionsrekursverfahren selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller hat mit Mietvertrag vom 18. 12. 1999 die Wohnung top Nr. 11 im Haus ***** von der KR-*****-Gesellschaft mbH per 1. 1. 2000 gemietet. Zum damaligen Zeitpunkt war Wohnungseigentum noch nicht begründet, es lag schlichtes Mieteigentum vor.

Bei der gegenständlichen Wohnung handelt es sich um einen 1995 ausgebauten Dachboden, dessen Nutzfläche ca. 240 m2 beträgt. Außerdem sind zwei Terrassen mit einer Fläche von insgesamt ca. 70 m2 damit verbunden.

Der Dachbodenausbau wurde so mangelhaft ausgeführt, dass die Gebäudehülle eine massiv mangelhafte Luftdichtheit aufweist. Die Konstruktion ist zum Teil großflächig mit Außenluft unterspült, im Bereich der Stahlkonstruktion kann nahezu ungehindert Außenluft einströmen. Am deutlichsten zeigen sich die Abkühlungen im Bereich nahezu sämtlicher Trempelwandverkleidungen im gesamten Dachgeschoss. Im Bereich des Übergangs des Dachstuhls zur Trempelwand liegen ebenso deutliche Undichtheiten vor. Auch im Bereich aller Gaupen ist die Konstruktion mit Außenluft durchspült. Es liegt daher ein umfassender Mangel an der Dampfbremse und an der Winddichtheit des Objektes vor. Die eindringende Außenluft kann sich großflächig und nahezu ungehindert hinter der Gipskartonverkleidung bzw durch das Montagesystem ausbreiten.

Bei Messungen am 10. April 2003 ergab sich in der Wohnung ein mehr als 12-facher Luftwechsel, zulässig ist lediglich ein 3-facher Luftwechsel. Bei einer derart hohen Luftwechselrate können Strömungsgeschwindigkeiten der Innenluft bis zu 9,2 m/sec, also 33 km/h auftreten. Vor allem bei den Anschlüssen der Trempelwände zur Dachkonstruktion, aber auch bei den Dachgaupen, liegen erhebliche Fehlstellen vor, sodass Außenluft ungehindert einströmt. Diese eingedrungene Außenluft kann sich infolge einer mangelhaften Dampfdiffusionsbremse und Winddichtung ungehindert zwischen dem Dachstuhl und den Vorsatzschalen ausbreiten.

Weiters entspricht ein Stahlträger im Eckraum der Wohnung nicht den Bestimmungen der Bauordnung, weil er nicht verkleidet ist.

Um eine ordnungsgemäße Sanierung der Dachhaut zu erreichen, muss die Gipskartonverkleidung abgetragen und die Dampfbremse entsprechend der ÖNorm B2260-2 neu hergestellt werden. Zusätzlich muss eine Sanierung der winddichten Schicht (Windbremse - Vordeckung des Unterdaches) von außen durch Öffnen des Dachs erfolgen.

Der Antragsteller hat am 22. 3. 2002 das Verfahren durch Antragstellung nach § 6 MRG gegen alle Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft ***** in ***** eingeleitet. Wohnungseigentümer der von ihm gemieteten Wohnung top Nr. 12 ist jedoch nur die Erstantragsgegnerin. Zweit- bis Neuntantragsgegner sind die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft.

Das Wohnungseigentum für die Erstantragsgegnerin bzw deren Rechtsvorgänger wurde im Jahr 2001 begründet.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag, der am 22. 3. 2002 bei der Schlichtungsstelle einlangte, begehrte der Antragsteller, allen Antragsgegnern binnen einem Jahr folgende Arbeiten im Dachgeschoß des Hauses ***** aufzutragen:

a) Herstellen des der Wiener Bauordnung entsprechenden Zustandes der Wärmedämmung für die Wand- und Dachkonstruktion (insbesondere im Steildachbereich und beim Terrassendach, bei Letzterem vor allem betreffend die durch die Baumaßnahmen der Antragsgegner nicht veränderte Dippelbaumdecke).

b) Herstellen des bauordnungsgemäß erforderlichen Wärmeschutzes bei der im Bereich der Dachgaupen vorliegenden Dachausführung mit Sparren.

c) Herstellen der bauordnungsgemäßen Wärmedämmung beim Trempelmauerwerk sowie der Feuermauer und den Außenwänden.

d) Herstellen einer winddichten Ausführung der Außenwände sowie der Einbindung der Gaupen und Einbauten (Trempelwand) durch Aufbringen von Winddichtungsfolien auf der derzeitigen Trempelwand und der raumseitigen Dachschrägenoberfläche, sowie Neuanplanken von Gipskartonplatten bzw Aufbringen einer diffussionsoffenen Winddichtungsfolie von außen.

e) Anbringen brandschutzsicherer Stahlträger an der Dachkonstruktion, insbesondere im „Wintergarten-Raum".

Ein darüber hinausgehendes Begehren ist nicht mehr verfahrensgegenständlich.

Der Antragsteller brachte dazu vor, dass bis zum heutigen Tag im geschilderten Umfang die Winddichtheit und Wärmedämmung der von ihm gemieteten Wohnung nicht sach- und fachgerecht hergestellt sei. Die Antragsgegner weigerten sich, einen entsprechenden Zustand herzustellen, insbesondere die erforderliche Wärmedämmung.

Die Antragsgegner bestritten dies, insbesondere wendeten Zweit- bis Neuntantragsgegner mangelnde Passivlegitimation ein. Im weiteren wurde bestritten, dass die vom Antragsteller beanstandeten Mängel überhaupt bestünden. Der Dachgeschoßausbau sei entsprechend der einschlägigen ÖNormen bis auf einen Raum mit den planmäßig vorgesehenen Material erfolgt. Die Dämmung sei ausreichend und ordnungsgemäß. Ernste Schäden des Hauses lägen nicht vor.

Das Erstgericht verpflichtete alle Antragsgegner, die oben beschriebenen Arbeiten a) bis e) binnen einem Jahr durchzuführen.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen erachtete das Erstgericht zunächst die Passivlegitimation aller Mit- und Wohnungseigentümer des Hauses für den gegenständlichen Antrag für gegeben.

Als Vermieter hätten sie im Sinn des § 3 Abs 1 MRG nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus im jeweils ortsüblichen Standard erhalten werde. Gemäß § 3 Abs 3 MRG umfasse diese Erhaltung jedenfalls jene Arbeiten, welche zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses erforderlich seien. Unzweifelhaft sei die Dachkonstruktion und die Dachhaut als allgemeiner Teil des Hauses zu qualifizieren. Es habe sich erwiesen, dass kein der Bauordnung entsprechender Wärmeschutz der Dachkonstruktion vorliege, der ortsübliche Standard daher nicht gegeben sei. Deshalb seien die Antragsgegner zur Durchführung der Arbeiten zu verpflichten.

Einem dagegen vom Erstantragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge, änderte jedoch über Rekurs der Zweit- bis Neuntantragsgegner den erstgerichtlichen Sachbeschluss dahin ab, dass das Begehren hinsichtlich der Zweit- bis Neuntantragsgegner abgewiesen wurde.

Weil im Revisionsverfahren nur mehr die Frage der Passivlegitimation der Zweit- bis Neuntantragsgegner verfahrensgegenständlich ist, reicht es aus, auf die diesbezügliche Begründung des Rekursgerichtes einzugehen.

Das Rekursgericht verneinte die Passivlegitimation der Zweit- bis Neuntantragsgegner im Wesentlichen mit der Begründung, dass § 2 Abs 1 Satz 3 MRG seit 1. 7. 2002 durch das Wohnungseigentumsbegleitgesetz (WE-BeglG) BGBl I 2002/71 eine hier maßgebliche Änderung erfahren habe:

Zwar werde nach wie vor durch einen mit einem Wohnungseigentumsbewerber abgeschlossenen Mietvertrag Hauptmiete mit dem Eigentümer oder den Eigentümern der Liegenschaft begründet, mit der Begründung von Wohnungseigentum gehe aber die Rechtsstellung des Vermieters auf den Wohnungseigentümer der vermieteten Wohnung über. Diese Regelung gelte ab 1. 7. 2002. Sei das Wohnungseigentum schon vor diesem Datum einverleibt worden, dann trete der nunmehrige Wohnungseigentümer mangels anders lautender Übergangsvorschriften im WE-BeglG mit 1. 7. 2002 in das Mietverhältnis als (alleiniger) Vermieter ein (Würth/Zingher/Kovany, Miet- und WohnR 21 Rz 6 zu § 2 MRG).

Demnach sei die Erstantragsgegnerin mit 1. 7. 2002 anstelle der ursprünglichen „Miteigentümergemeinschaft" als alleinige Vermieterin in das Mietverhältnis eingetreten. Nur sie sei daher passiv legitimiert, weil es sich bei der Durchführung von Erhaltungsarbeiten iSd § 3 MRG ausschließlich um in die Zukunft gerichtete Ansprüche handle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückverweisung der Sache an das Gericht zweiter, in eventu erster Instanz gestellt.

Der Antragsteller beantragt überdies, ihm die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung im Revisionsrekursverfahren zuzuerkennen.

Die Erstantragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht mehr beteiligt.

Zweit- bis Neuntantragsgegner beantragten, dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil weder zur Übergangsvorschrift des § 56 Abs 5 WEG 2002 noch § 4 Abs 1 WEG 2002 höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist im Sinn des Begehrens auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses auch berechtigt.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller am 23. 3. 2002, somit vor Inkrafttreten des § 2 Abs 1 dritter Satz MRG idF des WE-BeglG 2002 ein Verfahren nach § 6 MRG gegen alle Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft eingeleitet. Wohnungseigentümer der von ihm gemieteten Wohnung top Nr. 11 ist jedoch nur die Erstantragsgegnerin. Zweit- bis Neuntantragsgegner sind die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft. Für die Erstantragsgegnerin bzw deren Rechtsvorgängerin wurde im Jahr 2001 Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr. 11 begründet.

§ 4 Abs 1 WEG 2002 regelt, dass mit der Begründung von Wohnungseigentum an einem vermieteten wohnungseigentumstauglichen Objekt die Rechtsstellung des Vermieters auf den Wohnungseigentümer übergeht. Eine Wohnungseigentumsbegründung nach Inkrafttreten des WEG 2002 bewirkt also eine gesetzliche Vertragsübernahme als Folge der Veräußerung der Liegenschaft iSd § 1120 ABGB bzw § 2 Abs 1 MRG (vgl Würth/Zingher Wohnrecht 2002 Rz 2 zu § 4 WEG 2002; Vonkilch in WoBl 2002, 123 „Wirkung der Wohnungseigentumsbegründung auf ein bestehendes Mietverhältnis").

Zufolge der Übergangsvorschrift des § 56 Abs 5 WEG 2002 ist jedoch § 4 Abs 1 WEG 2002 nur in Verfahren anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2002 eingeleitet wurden.

§ 52 WEG sieht kein Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen eines Hauptmieters gegen seinen WE-Vermieter oder gegen die Eigentümergemeinschaft vor. Es kann sich daher in § 56 Abs 5 WEG 2002 bei der Verwendung des Begriffes „Verfahren, die nach dem 30. Juni 2002 eingeleitet werden", nicht um Verfahren nach § 52 WEG 2002 handeln. Die Bestimmung des § 56 Abs 5 WEG 2002 ist vielmehr eine Spezialvorschrift für Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG und daher auch im gegenständlichen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG unmittelbar anzuwenden.

Das bedeutet, dass für das gegenständliche Verfahren die „bisherige Rechtslage" maßgeblich ist, also von der Passivlegitimation sämtlicher Mit- und Wohnungseigentümer (vgl Würth in Würth/Zingher/Kovany Rz 1 zu § 4 WEG mwN) auszugehen ist.

§ 56 Abs 5 WEG 2002 und § 4 WEG 2002 sind auch dann anzuwenden, wenn die WE-Begründung vor dem 1. 7. 2002 erfolgte (Würth aaO Rz 10 zu § 4 WEG). Die differenzierende Ansicht von Schernthanner in „Die Übergangsbestimmungen im Wohnungseigentumsgesetz 2002", WoBl 2002, 157 spricht nicht dagegen. Der Autor meint mit seinen dortigen Ausführungen offensichtlich nur, dass der Vermieterwechsel nicht rückwirkend, sondern erst mit 1. 7. 2002 eintritt.

Die Novellierung des § 2 Abs 1 dritter Satz MRG durch das WE-BeglG 2002 trat mit 1. 7. 2002 in Kraft. Eine spezifische Übergangsregelung für anhängige Verfahren wurde im MRG nicht getroffen.

Diese Übergangsregelung finde sich aber, wie schon ausgeführt, in § 56 Abs 5 WEG. Sie ist unmittelbar anzuwenden.

Dem Standpunkt der Revisionsrekursgegner, dass es für die Anwendung des § 56 Abs 5 WEG ausschließlich auf die Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens ankomme, ist entgegenzuhalten, dass durch die Anrufung des Gerichts nach § 40 MRG „die Sache" bei Gericht anhängig gemacht wird, was bedeutet, dass im Weg der sukzessiven Zuständigkeit das gesamte, bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren zu Gericht gelangt (vgl immolex 2003/40), somit von einer Einheitlichkeit des Verfahrens auszugehen ist. Die von den Revisionsrekurswerbern gewünschte Auslegung des § 56 Abs 5 WEG ist daher abzulehnen.

Das hatte zur Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses zu führen.

Zum Kostenersatzbegehren des Antragstellers:

§ 37 Abs 3 Z 17 MRG idF des WohnAußStrBeglG ist nur anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. 12. 2004 anhängig geworden ist (vgl Würth/Zingher/Kovany Wohnrecht 04 Rz 2 zu § 37 MRG). Es gilt daher hier noch § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF, wonach die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung grundsätzlich jede Partei selbst zu tragen hat.

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