Spruch:
Die Beschlüsse der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26. November 2003, AZ 48 Rk 41/03g, und des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 22. Jänner 2004, AZ 10 Bs 1/04, verletzen das Gesetz in der Bestimmungen des § 485 Abs 1 Z 4 StPO und des § 293 Abs 2 StGB.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt erhob gegen Helmut J***** einen Strafantrag wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, wonach er am 19. Mai 2003 in Klagenfurt in dem gegen seinen Sohn Christian J***** zu AZ 16 Hv 71/03i des Landesgerichtes Klagenfurt anhängigen Strafverfahren - zum Nachweis der erfolgten Einzahlung eines Diversionsanbotes (Geldbetrag und Schadensgutmachung) nach § 90c Abs 4 StPO - eine Fernkopie zweier mit dem Einreichdatum (17. Mai 2003) der Bank versehener Auftragsbestätigungen über die Einzahlung von 1.800 EUR an das Landesgericht und 100 EUR an Philipp R***** vorlegte, obwohl er nach der automatisierten Versehung der Auftragsbestätigungen mit dem Einreichdatum die beiden Zahlscheine wieder an sich genommen und solcherart die bankmäßige Durchführung verhindert hatte. Mit Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26. November 2003, AZ 48 Rk 41/03g, wurde das Verfahren gegen Helmut J***** gemäß §§ 486 Abs 3, 485 Abs 1 Z 4 StPO eingestellt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, Helmut J***** habe kein "falsches Vorbringen gegenüber der Behörde" erstattet, sondern lediglich zwei inhaltlich unrichtige Auftragsbestätigungen ohne ein diesbezüglich unrichtiges weiteres Vorbringen gefaxt, sodass - weil es „keine Anhaltspunkte für unwahre Parteienbehauptungen im Strafprozess" gäbe - das Tatbild des Prozessbetruges nicht erfüllt ist. Selbst wenn man dies annehme, ergebe sich aus den Bestimmungen der Diversion eindeutig, dass dies - wie die Ratskammer ferner vermeint - „offensichtlich als absolut untauglicher, strafloser Versuch" zu werten sei.
Im Zeitpunkt dieser Entscheidung stand aufgrund der Aktenlage lediglich fest, dass Helmut J***** der Justizbediensteten Walburga M***** telefonisch erklärt hatte, die Einzahlung des Geldbetrages für seinen Sohn Christian sowie die Schadensgutmachung gegenüber Philipp R***** vorgenommen und die Zahlungsbelege an die Gerichtsabteilung per Telefax übermittelt zu haben (S 29 des Aktes 15 Hv 211/03w). Die Beträge wurden jedoch den Empfängerkonten nicht gutgeschrieben. Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der diese einerseits die Qualifikation des Tatverhaltens als Prozess- oder Behördenbetrug wiederholte und andererseits die Beweiswürdigung durch die Ratskammer bemängelte und (letztlich auch) die Unterstellung des Tatverhaltens unter die Bestimmung des § 293 Abs 1 StGB hervorhob (ON 3 des Aktes 48 Rk 41/03a), wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 22. Jänner 2004, AZ 10 Bs 1/04 (ON 5 des Aktes 48 Rk 41/03a) - bei grundsätzlicher Verwerfung der Rechtsausführungen der Ratskammer - mit der Begründung nicht Folge gegeben, dass es dem „unter Strafantrag gestellten Verhalten" mangels Vermögensrelevanz des Schadens schon an der Tatbildlichkeit mangle. Das Oberlandesgericht verneinte auch eine Unterstellung des Verhaltens des Beschuldigten unter den Tatbestand der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB, weil den Einzahlungsbelegen kein Beweiswert zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der Einstellungsbeschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt und die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Graz stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Eine Beendigung des Strafverfahrens vor dem Einzelrichter durch Beschluss der Ratskammer gemäß dem § 485 Abs 1 Z 4 StPO setzt voraus, dass der dem Strafantrag zugrunde liegende aktenkundige Sachverhalt vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist. Der unter Anklage gestellte Sachverhalt ist vom Gericht nach allen Richtungen unter den rechtlich maßgeblichen Umständen zu prüfen und jenem Gesetz zu unterstellen, das bei richtiger Auslegung darauf anzuwenden ist. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung im Strafantrag allein berechtigt nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, sofern bei rechtsrichtiger Beurteilung ein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt ist. Ein solcher, nicht zur Verfahrenseinstellung gemäß § 485 Abs 1 Z 4 StPO berechtigender Fall ist hier gegeben, weil bei zutreffender Verneinung des (schweren) Betruges (vgl Kienapfel BT II3 § 146 Rz 156) der bestehende Tatverdacht des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB außer Acht gelassen wurde, als dessen Deliktsobjekt echte Urkunden mit unwahrem Inhalt (Lugurkunden) in Betracht kommen. Da die gegenständlichen Zahlscheine mit der bankmäßigen Abstempelung geeignet waren, die (nicht erfolgte) Überweisung von Geldbeträgen vorzutäuschen, kommt den inhaltlich unrichtigen Urkunden Beweisrelevanz im Sinne des § 293 StGB zu (vgl Plöchl/Seidl WK2 § 293 Rz 18).
Die Gesetzesverletzung hat sich zum Vorteil des Beschuldigten ausgewirkt, weshalb es mit ihrer Feststellung sein Bewenden haben muss.
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