OGH 2Ob201/05f

OGH2Ob201/05f1.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele G*****, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Margarethe H*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 450,-- sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Juli 2005, GZ 36 R 544/05z-24, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 4. April 2005, GZ 26 C 103/04m-15, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Das erstgerichtliche Urteil ON 15 wurde dem Beklagtenvertreter am 15. 4. 2005 zugestellt, was auf dem Rückschein deutlich lesbar vermerkt wurde.

Am 12. 5. 2005 gab der Beklagtenvertreter seine Berufung ON 18 zur Post.

Auf dem Vorlagebericht ON 23 an das Berufungsgericht vermerkte das Erstgericht irrtümlich (vgl den Kanzleivermerk ON 25) als Zustelltag den 12. 4. 2005.

Hievon ausgehend wies das Berufungsgericht die Berufung als verspätet nach Ablauf der 4-wöchigen Berufungsfrist eingebracht zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich der - unter Hinweis auf Zechner in Fasching, Kommentar2 § 519 ZPO Rz 75 f zweifach eingebrachte - Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über ihre Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Die Zustellung des erstgerichtlichen Urteiles sei am 15. 4. 2005 erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS-Justiz RS0042770, RS0098745) und auch berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass der Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichtes, mit welchem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückweist, nach herrschender Ansicht einseitig ist (RIS-Justiz RS0043760, RS0098745; Fasching, LB2 Rz 1980; E. Kodek in Rechberger2 § 519 ZPO Rz 3). Anderer Meinung ist Zechner in Fasching, Kommentar2 § 519 ZPO Rz 75 f, § 521a ZPO Rz 14, vgl auch vor §§ 514 ff ZPO Rz 124 ff).

Im vorliegenden Fall ist es entbehrlich, sich mit dieser Lehrmeinung (vgl aber G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534, 540) näher auseinanderzusetzen, weil auch im Lichte der Entscheidung des EGMR vom 6. 2. 2001, Beer gegen Österreich, ÖJZ 2001, 516, unter den hier gegebenen Umständen keine Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit zu befürchten ist, wenn die Einholung einer Rekursbeantwortung der klagenden Partei unterbleibt. Infolge Amtswegigkeit der Zustellung hat auch die Richtigstellung eines irrtümlich angenommenen Zustelldatums von Amts wegen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0036440). Bei der hier vorzunehmenden Korrektur handelt es sich nicht um die Verwertung eines von einer Partei beigebrachten Beweises, sondern um die Wahrnehmung einer ohnehin bereits aktenkundigen Tatsache. Der klagenden Partei droht daher keine Verletzung ihrer Menschenrechte, wenn sie sich zur amtswegigen Ablesung des unzweifelhaften Zustelldatums aus dem Rückschein nicht vorweg äußern kann.

Diese Ablesung (Zustelldatum 15. 4. 2005) ergibt, dass die Berufung (Postaufgabe 12. 5. 2005) rechtzeitig innerhalb der 4-wöchigen Berufungsfrist eingebracht wurde, weshalb dem Rekurs spruchgemäß Folge zu geben war.

Kosten wurden nicht verzeichnet.

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