OGH 14Os55/05b

OGH14Os55/05b9.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich B***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28. Februar 2005, GZ 37s Hv 7/05v-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Erich B***** wurde des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1.) und des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** an der Fischa

1. am 16. Juni 2004 den Richard B***** am Körper verletzt, indem er ihm durch Schläge mit der Hand und einer Holzlatte eine 3 cm lange Rissquetschwunde an der Stirn, Abschürfungen am Nasenrücken und im Bereich der Oberlippe sowie eine Hautabschürfung am rechten Oberschenkel zufügte;

2. am 28. Dezember 2004 an dem im Miteigentum von Richard, Christian, Franz und Rosa B***** stehenden Einfamilienhaus ohne deren Einwilligung eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem er einen daran angrenzenden Holzschuppen in Brand setzte.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Wie sich aus der Ablehnung des Antrags auf Protokollberichtigung (ON 29) in unbedenklicher Weise ergibt, hat Richard B*****, ein Bruder des Angeklagten, nicht erst „nach Zureden des Richters" auf das ihm nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO zugestandene Entschlagungsrecht verzichtet, womit der Argumentation der Verfahrensrüge der Boden entzogen ist. Selbst wenn der Verzicht, wie der Beschwerdeführer behauptet, erst auf bloßes „Zureden" des Vorsitzenden ohne für diesen ersichtliche Willensmängel seitens des Zeugen zustande gekommen wäre, hätte sich an dessen Rechtswirksamkeit nichts geändert.

Ein Verfahrensmangel iS der Z 2 bis 4 des § 281 Abs 1 StPO ist nämlich erst dann anzunehmen, wenn der Vorsitzende, im Fall der Z 4 aber regelmäßig der Gerichtshof, seiner Überprüfungspflicht mangelhaft nachgekommen ist. Bloß objektives Vorliegen eines Sachverhaltes, der einer Nichtigkeit begründenden Vorschrift subsumierbar ist, genügt dafür nicht. Ganz in diesem Sinn spricht die Z 3 denn auch von der Verletzung oder Vernachlässigung einer Vorschrift, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt.

Dass der Vorsitzende dem Zeugen nicht für diesen unmissverständlich zu erkennen gegeben hätte, dessen Entschlagungsrecht anzuerkennen, behauptet die Beschwerde aber nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 37, 223 f). Ein Zeuge kann im Übrigen auch entgegen früheren Bekundungen rechtswirksam auf sein Entschlagungsrecht verzichten (§ 248 Abs 1 erster Satz iVm § 152 Abs 5 zweiter Satz StPO).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) räumt selbst ein, dass der Angeklagte nach den - aus Z 5 nicht in Frage gestellten - Urteilsfeststellungen trotz einer Blutalkoholkonzentration von 2,95 Promille im Zeitpunkt der zu

2. genannten Tat der Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB), nicht beraubt war (vgl US 8).

Bleibt anzumerken, dass das Schöffengericht den Angeklagten rechtlich verfehlt von einem bloßen Strafzumessungsaspekt (nämlich vom Vorwurf eines mit Pkt 2. des Schuldspruchs tateinheitlich begangenen Versuchs, an einem weiteren Haus eine Feuersbrunst zu verursachen) freigesprochen hat. Einer Tat für schuldig befunden oder von der Anklage freigesprochen zu werden, ist nämlich von der StPO als kontradiktorisches Gegensatzpaar angelegt; eine dritte Möglichkeit soll für Endurteile logisch ausscheiden. Schuld- und Freispruch beziehen sich demnach nicht auf die rechtliche Kategorie (strafbare Handlung), sondern auf die Tat, also das unter Anklage gestellte historische Geschehen. Das ist der Grund, warum nach stRsp ein Subsumtionsfreispruch (sog Qualifikationsfreispruch) nicht in Frage kommt (WK-StPO § 281 Rz 523). Umso mehr ist ein Freispruch wegen

eines bloßen Strafzumessungsaspektes unangebracht (15 Os 27, 60/02 =

EvBl 2002/196, 734 = RZ 2003/8, 111).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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