OGH 9ObA89/05m

OGH9ObA89/05m3.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ao Univ. Prof. Dr. Anna S*****, vertreten durch Dr. Christoph Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei o Univ. Prof. Dr. Hans‑Georg K*****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert EUR 15.000,‑ ‑), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. März 2005, GZ 7 Ra 32/05k‑22, mit dem das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 5. Oktober 2004, GZ 6 Cga 263/03v‑17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung insgesamt zu lauten haben:

„1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen dadurch Rechnung zu legen, dass sie sämtliche in der Zeit vom 1. 1. bis 31. 10. 2000 erfolgten Eingänge an Honorar für von Ärzten der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Abteilung B im Allgemeinen Krankenhaus *****, erbrachte Leistungen, aufgeschlüsselt nach Eingangsdatum und überweisender Stelle (AKH und Zahnklinik) und alle Zahlungen, welche in dieser Zeit zu Lasten dieser Eingänge geleistet wurden, bekannt gibt und die diesbezüglichen Rechnungsbücher vorlegt.

2.) Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, diese Rechnungslegung auch für die Zeiträume vom 7. 11. 1994 bis 31. 12. 1999 sowie vom 1. 11. 2000 bis 30. 6. 2002 zu leisten, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei EUR 3.212,02 (darin EUR 534,40 an USt und EUR 5,62 an Barauslagen) an anteiligen Verfahrenskosten aller Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war und ist Primararzt am Allgemeinen Krankenhaus in W***** und hat einen Lehrstuhl für Anästhesiologie und Intensivmedizin inne; er ist Leiter der klinischen Abteilung für allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin (Abteilung B). Die Klägerin war vom 7. 11. 1994 bis zum 30. 6. 2002 Oberärztin an dieser Abteilung; sie stand in dieser Zeit als Bundesbeamtin in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis. Für Sonderklasse‑Patienten hob die Krankenanstalt auf Grund von den Ärzten ausgestellter „Leistungsscheine" Honorare ein, die auf ein Konto des Beklagten überwiesen wurden. Dieser vereinbarte mit jenen Mitarbeitern, die Anspruch auf Sondergebühren hatten, dass Auszahlungen einmal jährlich im Dezember vorgenommen werden. Er verteilte am Jahresende 40 % der eingegangenen Beträge an die betroffenen Mitarbeiter. Dieser Modus wurde von der Klägerin nie beanstandet. Auf Grund ihrer Aufforderung übermittelte der Rechtsvertreter des Beklagten ihrem Rechtsvertreter eine Aufstellung über die Zahlungseingänge und -ausgänge samt Überweisungsbelegen für die Monate November 2000 bis Juni 2002.

Die Klägerin stellte in ihrer am 14. November 2003 eingebrachten Klage das aus dem Spruch ersichtliche Rechnungslegungsbegehren. Aus der Befugnis bzw. Verpflichtung des Beklagten, die den Ärzten zustehenden Sonderklassehonorare zu verteilen, resultiere seine materiell‑rechtliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Eine Verjährung ihres Anspruches sei nicht eingetreten, da der allfälligen Zahlungsansprüchen zugrundeliegende Gebührenanspruch keiner Verjährung unterliege. Soweit der Beklagte weniger als 40 % der Eingänge verteilt habe, bestehe ein Bereicherungsanspruch, der in 30 Jahren verjähre.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, es bestehe kein direkter Anspruch der Klägerin gegen ihn auf Zahlung eines Anteiles der Sonderklassehonorare und damit auch kein Rechnungslegungsanspruch. Ein der Klägerin als Beamtin gegenüber dem vorgesetzten Arzt allenfalls zukommender Ersatz für vorenthaltene Entgelte unterliege der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Aus § 45 Abs 3 WrKAG sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes weder ein direkter Anspruch zwischen dem forderungsberechtigten Arzt und den Sonderklassepatienten abzuleiten, noch begründe diese Bestimmung einen unmittelbaren Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung eines Anteiles an den von den Sonderklassepatienten eingehobenen ärztlichen Honorar. Die materiell‑rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur verlangten Auskunftserteilung resultiere allein aus dessen Befugnis, die eingehobenen Sondergebühren zu verteilen. Für den Zeitraum von November 2000 bis Juni 2002 habe er ordnungsgemäß Rechnung gelegt. Für die davor liegenden Zeiträume sei der Rechnungslegungsanspruch verjährt, weil die Klage am 14. 11. 2003 bei Gericht eingebracht worden sei. Die Klägerin habe selbst angegeben, dass die Sondergebühren einen Teil ihrer Entlohnung bildeten, weshalb es sich um Forderungen im Sinne des § 1486 Z 6 ABGB handle, die in drei Jahren verjährten. Der Beklagte gehe offenbar selbst von einer monatlichen Fälligkeit der Sondergebührenzahlung aus, woran der Umstand nichts ändere, dass er aus ökonomischen Überlegungen die Auszahlung später vorgenommen habe.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Beklagten für die Zeit vom 7. 11. 1994 bis 31. 10. 2000 zur Rechnungslegung verhielt und nur die Abweisung des Mehrbegehrens (Rechnungslegung für die Zeit im Zeitraum 1. 11. 2000 bis 30. 6. 2000) bestätigte; es erklärte die Revision für nicht zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei. Der Anspruch auf Rechnungslegung verjähre als bloßer Nebenanspruch mit dem Hauptanspruch. Allfällige Ansprüche der Klägerin auf Auszahlung weiterer Anteile aus den eingenommenen Sonderklassehonoraren seien in einem Auftragsverhältnis begründet. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Vorjudikatur einen Rückerstattungsanspruch des nachgeordneten Arztes gegen den Abteilungsleiter bejaht, sollte der Abteilungsleiter gegen die Vorgaben des § 45 Abs 3 WrKAG verstoßen haben, wobei nicht entscheidend sei, ob diese Vorgangsweise eine ausdrückliche Vereinbarung oder eine lediglich seit Jahren gepflogene Übung dargestellt habe. Das Höchstgericht sei auf die Rechtsgrundlage dieses Rückerstattungsanspruches zwar nicht näher eingegangen, habe jedoch in einer anderen Entscheidung (JBl 1982, 330) einen ärztlichen „Honorarpool" rechtlich dahin qualifiziert, dass dabei der Krankenanstaltenträger als Machthaber fungiere, weshalb er gemäß § 1012 ABGB jedem einzelnen Machtnehmer (richtig wohl: Machtgeber), also auch den nachgeordneten Ärzten, auf Grund des Auftragsverhältnisses Rechnung zu legen habe. Auch im vorliegenden Fall sei zwischen den Streitteilen auf Grund der jahrelangen Praxis der Überweisung der Sonderklassegebühren auf ein Konto des Beklagten und der nachfolgenden Verteilung durch ihn an die nachgeordneten Ärzte ein schlüssiger Geschäftsbesorgungsvertrag zustandegekommen. Für daraus resultierende Hauptansprüche, nämlich Herausgabeansprüche nach § 1009 ABGB, gelte eine 30‑jährige Verjährungsfrist. Somit sei Verjährung allfälliger Zahlungsansprüche der Klägerin und damit ihrer Rechnungslegungsansprüche nicht eingetreten. Der Auffassung des Erstgerichtes, für den Zeitraum von November 2000 bis Juni 2002 habe der Beklagte ordnungsgemäß Rechnung gelegt, sei die Klägerin inhaltlich nicht mehr entgegengetreten.

Die gegen den klagestattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobene Revision des Beklagten ist zulässig und im überwiegenden Umfang auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend haben die Vorinstanzen auf die Entscheidung SZ 70/195 (9 ObA 69/97f) hingewiesen, in der ausgeführt worden war, dass § 45 WrKAG keine Grundlage für einen direkten Anspruch eines Arztes gegen den Abteilungsleiter auf Zahlung eines Anteiles an von letzteren von den Sonderklassepatienten eingehobenen ärztlichen Honoraren bilde, doch habe der dortige Kläger auf Grund der als vereinbart anzusehenden Praxis einen direkten Anspruch auf „Rückerstattung" ihm allenfalls vorenthaltener Anteile am vom Beklagten verteilten ärztlichen Honorar. Dessen materiell‑rechtliche Verpflichtung zur verlangten Auskunftserteilung resultiere aus seiner Befugnis, die den Ärzten zustehenden Honorare zu verteilen, wobei er an die Vorgaben des § 45 Abs 3 WrKAG gebunden sei. Zum Rechtsgrund des „direkten Anspruchs auf Rückerstattung" wird in der genannten Entscheidung nichts ausgeführt.

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich nun vom damals beurteilten insoweit, als dort die Sonderklassehonorare auf ein Konto der Universitätsklinik überwiesen und in der Folge vom (offenbar zeichnungsberechtigten) beklagten Klinikvorstand aufgeteilt wurden, wogegen es hier zu einer Überweisung dieser Beträge vom Träger der Krankenanstalt auf ein (Privat‑)Konto des Beklagten gekommen ist. Da die Klägerin der jahrelangen Übung (Überweisung der Gesamtbeträge auf ein Konto des Beklagten, Aufteilung am Jahresende durch diesen) nie entgegengetreten ist, ist das Berufungsgericht insoweit zutreffend von einer schlüssigen Vereinbarung aller Beteiligten ausgegangen. Damit hat die Klägerin zugleich für die betreffenden Zeiträume auf die Geltendmachung direkter Ansprüche gegen den Krankenanstaltenträger verzichtet und kann somit allenfalls noch nicht vollständig befriedigte Zahlungsansprüche aus ihrer Mitwirkung an der Gesamtheit der verrechneten ärztlichen Leistungen nur (mehr) gegen den Beklagten geltend machen, der gleichzeitig auch zur Rechnungslegung verpflichtet ist. Seinem Einwand, eine Rechnungslegungspflicht könne für jene Zahlungen nicht bestehen, die er ohne jede rechtliche Verpflichtung an die ihm zugeordneten Ärzte geleistet habe, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil sich das Rechnungsbegehren ersichtlich nur auf die Sonderklassehonorare nach § 45 Abs 3 WrKAG bezieht.

Für die Frage der anzuwendenden Verjährungsfrist kann es nach Auffassung des erkennenden Senates aber nicht darauf ankommen, ob ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Streitteilen anzunehmen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin für die fraglichen Zeiträume allfällige Zahlungsansprüche ausschließlich gegen den Beklagten richten könnte, hat sie doch der gepflogenen Praxis schlüssig zugestimmt und sich dabei damit einverstanden erklärt, dass der Beklagte die gesamten Sonderklassehonorare erhält und entsprechend den vereinbarten Anteilen an die übrigen Ärzte auszahlt. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass den Zahlungsansprüchen der Klägerin von ihr erbrachte ärztliche Leistungen zugrundeliegen, die grundsätzlich gemäß § 1486 Z 5 ABGB (bei unselbständiger Tätigkeit) bzw § 1486 Z 6 ABGB (bei selbständiger Tätigkeit) einer Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Warum der Klägerin eine (erhebliche) längere Verjährungsfrist zugutekommen sollte, nur weil sich die Beteiligten auf eine „indirekte" Auszahlung ihres (anteiligen) Entgeltes geeinigt haben, ist angesichts der typischen Interessenlage der betroffenen Personen nicht zu erkennen. Durch den „Austausch" ihres Schuldners ist die Klägerin bei der Feststellung und Verfolgung ihrer Rechte in keiner Weise beeinträchtigt, sodass eine Verlängerung der Verjährungsfrist schon aus ihrer Sicht nicht zu rechtfertigen wäre. Umso mehr muss dies für den Beklagten gelten, der im Hinblick auf die Abrechnung und Auszahlung der anteiligen Entgelte die Funktion des Dienstgebers übernommen hat und daher auch im Hinblick auf die Verjährungsfrist grundsätzlich nicht schlechter zu behandeln ist als dieser selbst. Aus welchem Grund es sachlich gerechtfertigt sein sollte, ihm persönlich die Obliegenheit aufzuerlegen, sämtliche Rechnungsunterlagen und Belege 30 Jahre lang - und damit regelmäßig auch noch lange nach einer Pensionierung - zu Beweiszwecken bzw zu Zwecken der Rechnungslegung aufzubewahren, vermag auch die Klägerin nicht darzutun.

Da das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen somit im Hinblick auf die Verjährungsfrage ausreichende Ähnlichkeit zu den in § 1486 Z 5 und Z 6 genannten Konstellationen aufweist, gilt auch für dieses in sinngemäßer Anwendung der genannten Bestimmung die dreijährige Verjährungsfrist, wobei Rechnungslegungsansprüche zugleich mit (denkbaren) Hauptansprüchen verjähren (RIS‑Justiz RS0028102, RS0028102). Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes kann jedoch nicht von einer monatlichen Fälligkeit bzw einer monatlichen Verpflichtung zur Abrechnung und Auszahlung ausgegangen werden, weil die Praxis der Abrechnung und Auszahlung zum Jahresende keineswegs nur auf „ökonomischen Überlegungen" beruhte, sondern dieser nach den Feststellungen der Vorinstanzen eine Vereinbarung aller Beteiligten zugrundelag. Waren die der Klägerin für das Jahr 2000 gebührenden Honoraranteile somit erst mit Ende des Jahres 2000 zur Auszahlung fällig, war ein Anspruch darauf zum Zeitpunkt der Klageeinbringung (14. 11. 2003) noch nicht verjährt, was auch für den Rechnungslegungsanspruch für diesen Zeitraum gelten muss. Da der Beklagte erst für einen mit 1. 11. 2000 beginnenden Zeitraum Rechnung gelegt hat, erweist sich das Klagebegehren für die Zeit vom 1. 1. bis zum 30. 10. 2000 als berechtigt. Für die davor liegenden Zeiträume ist Verjährung eingetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Im Verfahren erster und zweiter Instanz war die Klägerin ausgehend von einem Rechnungslegungsbegehren für insgesamt 92 Monate mit 11 % erfolgreich, der Beklagte hingegen mit 89 %, sodass der Beklagte Anspruch auf Ersatz von 78 % seiner Verfahrenskosten hat; dabei waren allerdings die Schriftsätze ON 4 und ON 5 nicht zu berücksichtigen, weil eine gesonderte Urkundenvorlage vermeidbar gewesen wäre und der Beklagte die Kosten eines Fristerstreckungsantrags gemäß § 48 Abs 1 ZPO selbst zu tragen hat. Gegenstand des Revisionsverfahrens war nur mehr die Rechnungslegung für 72 Monate. Da der Beklagte insoweit zu 86 % erfolgreich war, hat er Anspruch auf Ersatz von 72 % seiner Kosten, die allerdings auf einer verminderten Bemessungsgrundlage (78,26 % des ursprünglichen Streitwert = EUR 11.739) zu berechnen sind.

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