OGH 1Ob152/05t

OGH1Ob152/05t2.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Robert R. S*****, vertreten durch Dr. Roland Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Franz M*****, vertreten durch Dr. Othmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 11.686,58 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 13.686,58), infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert EUR 6.220,64) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. April 2005, GZ 53 R 51/05i-21, womit infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Radstadt vom 16. November 2004, GZ 2 C 1331/02f-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte betreibt ein Sportgeschäft sowie eine Fremdenpension in 1738 Meter Seehöhe. Das Gebäude mit dem Sportgeschäft und der Pension ist etwa 30 Meter von einer Bundesstraße entfernt. Zwischen der Bundesstraße und der Front des Sporthauses befindet sich eine Fläche, die teils als allgemeiner Parkplatz, teils als Kundenparkplatz des Sportgeschäfts und der Pension benützt wird. Am 4. 3. 2002 gegen

22.15 Uhr näherte sich der Kläger von der Straße aus der Auslage des Sportgeschäftes an der rechten Seite der Einfahrt direkt neben dem dort aufgestellten Schild mit der Aufschrift „Pension Erika Einfahrt freihalten", um sich die noch beleuchtete Auslage des Sportgeschäfts anzusehen. Als er gerade an dem Einfahrtsschild vorbei war, brach er mit dem linken Fuß am Rand einer unmittelbar im Bereich der Parkplatzeinfahrt rund um ein Kanaleinlaufgitter gebildeten eisbedeckten Pfütze ein. Diese Pfütze hatte einen Durchmesser bis zu 3 Metern und eine maximale Tiefe von etwa 15 cm. Er kam zu Sturz und zog sich schwere Verletzungen zu.

Etwa zwei Tage vor dem Unfall hatte starkes Tauwetter zur Bildung der Pfütze geführt. Das Wasser konnte nicht abfließen, weil zu diesem Zeitpunkt der Kanal nicht aufgetaut war. Noch am Tag vor dem Unfall hatte der Beklagte erfolglos versucht, den Kanal mit Stangen und durch Zugabe von Auftausalz freizubekommen. Links und rechts der Pfütze hatte er daraufhin jeweils einen ca 1 Meter breiten schneebedeckten Bereich freigeschaufelt, welchen er am Abend des Unfalltags um etwa 20.30 Uhr auf einer Länge von jeweils etwa 3 Metern mit Splitt bestreut hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Wasseroberfläche der Pfütze mit „Schneeknollen" bedeckt. Ein Schildals Warnhinweis auf die Pfütze- wurde nicht aufgestellt; eine Absperrung hatte der Beklagte deswegen nicht angebracht, um die Zufahrt seiner Pensionsgäste zum Parkplatz nicht zu hindern. Der Kläger begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes EUR 11.686,58 (Schmerzengeld, Pflege- und Behandlungskosten und sonstige Unkosten) sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle aus dem Unfall resultierenden künftigen Schäden. Der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflichten verletzt.

Der Beklagte wendete ein, dass der Kläger den Unfall selbst verschuldet habe. Der Bereich links und rechts der Pfütze sei problemlos begehbar und auch gestreut gewesen. Es sei unmöglich, alle Flächen um das Geschäft herum in einem verkehrssicheren Zustand zu halten. Die Aufstellung eines Warnschildes sei nicht möglich gewesen, weil die Fläche auch als Zufahrt zum Parkplatz diene. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von EUR 5.220,64 Folge und stellte fest, dass der Beklagte dem Kläger für sämtliche zukünftigen und derzeit nicht bekannten kausalen Schäden aus dem Unfall im Ausmaß von 50 % hafte. Das Mehrbegehren von weiteren EUR 6.465,95 sowie das über eine Haftung von 50 % hinausgehende Feststellungsbegehren wurde abgewiesen. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, eine im Zuge von Tauwetter entstandene Pfütze mit mehreren Metern Durchmesser unmittelbar im Zugangsbereich eines der Verfügung einer Person unterliegenden Parkplatzes und einer anschließenden Geschäftsauslagenfront stelle eine Gefahrenquelle dar, die im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten zu beseitigen oder zumindest zu kennzeichnen gewesen wäre. Dass der Beklagte am Vortag versuchte, das Abfließen des Wassers durch den Kanal zu bewerkstelligen, könne ihn von seiner Haftung nicht befreien, da es ihm durchaus zumutbar gewesen wäre, durch einen deutlichen Hinweis (etwa ein Warnschild) Fußgänger auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen; eventuell hätte die Pfütze mit Brettern überbrückt oder die Einfahrt durch ein Umstellen der Steher verlegt werden können. Andererseits sei von einem Mitverschulden des Klägers auszugehen, da er aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse die Gefahrenstelle habe erkennen können und es ihm zumutbar gewesen wäre, seitlich an der Pfütze vorbeizugehen. Es sei daher von einer Haftungsteilung im Verhältnis 1:1 auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 4.000, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Als Geschäftsinhaber und Betreiber einer Fremdenpension hätte der Beklagte auf die Absicherung der Zugangswege zu den angebotenen Parkplätzen zu achten gehabt, damit deren gefahrlose Benützung auch in den Abend- oder Nachtstunden gewährleistet gewesen wäre. Der von der Parkfläche getrennte, zum Begehen vorgesehene Streifen für den Zugang und Abgang reiche für sich allein nicht aus, vor dem Betreten der nicht gesicherten Teilfläche zu warnen. Dazu hätte es einer Absperrung bedurft, weil auch für Fußgänger die breite Einfahrt sowie die Beleuchtung geradezu zum Benützen der für die PKW vorgesehenen Einfahrt eingeladen habe. Da der Kläger die Gefahrenstelle hätte erkennen können und es ihm zumutbar gewesen wäre, seitlich an der Pfütze vorbeizugehen, sei die vom Erstgericht angenommene Verschuldensteilung von 1:1 nach den Umständen des konkreten Falls angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht zulässig. Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vor.

Derjenige, der einen Verkehr auf Straßen oder Grundstücken eröffnet oder zulässt, hat im Rahmen des Zumutbaren - auch unabhängig vom Bestehen besonderer vertraglicher Verpflichtungen - die befugten Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen oder zumindest zu warnen. Er hat daher die Anlagen in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu erhalten (JBl 1980, 590 mwN; Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 41 zu § 1295). Aus allgemeinen Verkehrssicherungspflichten wird beispielsweise einem Geschäftsinhaber die Verpflichtung auferlegt, für die sichere Benutzung der Geschäftsräumlichkeiten und deren Eingangsbereichs zu sorgen (ZVR 1990/59), wenngleich die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden dürfen (ZVR 1996/112; RIS-Justiz RS0023311). Unumstritten ist, dass umfassende Schutz- und Sorgfaltspflichten bereits mit der Aufnahme rechtsgeschäftlichen Kontakts entstehen. Diese bestehen gegenüber jedermann, mit dem der Handelnde künftig in geschäftlichen Kontakt treten will; das ist zwar nicht jede beliebige Person, aber immerhin jeder potentielle Vertragspartner (RIS-Justiz RS0016402). Nun hatte der Beklagte auf dem mittels Absperrbändern abgegrenzten „Kundenparkplatz" jedenfalls einen Verkehr für die Gäste seiner Fremdenpension und für Kunden seines Sportgeschäfts eröffnet, und zwar unabhängig davon, ob diese Gäste bzw (potentiellen) Kunden den Parkplatz mit einem Kraftfahrzeug oder zu Fuß benutzen. Es ist daher - im Sinne der zuvor zitierten Judikatur - nicht daran zu zweifeln, dass ein potentieller Kunde, der von den beleuchteten Auslagen des Sportgeschäfts des Beklagten „angelockt" wurde, in den Schutzbereich im Sinne eines gefahrlosen Betretens der abgegrenzten Parkplatzfläche einbezogen ist. Die Gegebenheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalls bedürfen keiner weiteren verallgemeinernden Rechtsprechung. Parkplätze sowie Zugänge zu Geschäftslokalen müssen jedenfalls bei vertraglichen Sonderbeziehungen auch bei winterlichen Verhältnissen in einem Fremdenverkehrsort sicher begehbar sein. Dies gilt grundsätzlich auch für die (späten) Abendstunden, insbesondere wenn ein Geschäftsinhaber durch Beleuchtung seiner Auslagen zu erkennen gibt, an der Kontaktaufnahme mit (potentiellen) Kunden interessiert zu sein. Der Beklagte hätte daher den Parkplatz und die Zugänge in einer Weise abzusichern gehabt, dass deren gefahrlose Benützung gewährleistet gewesen wäre. Diesen gesteigerten Schutzbereich können auch Passanten für sich in Anspruch nehmen, die sich in der Absicht nähern, die beleuchtete Auslage des Geschäftslokals zu betrachten. In der Auffassung des Berufungsgerichts, im konkreten Fall habe der Beklagte nicht alle ihm zur Absicherung der Gefahrenquelle zumutbaren Maßnahmen gesetzt, um ein sicheres Betreten des Parkplatzes bzw des Zugangsbereiches zu seinem Geschäft und der von ihm betriebenen Fremdenpension zu gewährleisten, stellt keine unvertretbare, im Interesse der Rechtssicherheit jedenfalls wahrzunehmende Verkennung der Rechtslage dar. Zwar ist es richtig, dass nicht jede Stelle, von der aus ein Geschäftslokal das Gasthaus faktisch erreichbar ist, auch bei schlechten Witterungsverhältnissen rund um die Uhr in verkehrssicherem Zustand gehalten werden muss, sondern es ausreicht, wenn die Zugänge und der unmittelbar davor befindliche Bereich von Schnee und Eis gesäubert oder bestreut werden (vgl JBl 1991, 48). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht nur um einen Fußgängerweg zu einem Geschäftslokal und einer Fremdenpension, sondern um einen (auch) als Zugang dienenden Parkplatz. Wie groß letztendlich derjenige Bereich (des Parkplatzes) ist, den jemand zu säubern und zu streuen hat, hängt primär von den örtlichen Verhältnissen, insbesondere auch - wie das Berufungsgericht bereits festgehalten hat - von der Art der Beleuchtung sowie davon ab, ob auch mit dem Begehen desjenigen Bereichs gerechnet werden muss, in dem sich eine Gefahrenstelle (hier: die vereiste Pfütze) befindet. Wann die Grenze der Zumutbarkeit weiterer oder erhöhter Verkehrssicherungspflichten erreicht oder überschritten ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0111380). Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

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