Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Nebenintervenientin ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.394,15 (darin enthalten EUR 399,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 2.784 (darin enthalten EUR 1.061 Barauslagen und EUR 287,17 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die 1935 geborene Klägerin besuchte am 16. 3. 2002 die von der Beklagten im Rahmen von von der Nebenintervenientin angemieteten Räumlichkeiten in der Hofburg veranstaltete Messe „Wohn-Stil". In dem für die Besucher vorgesehenen Bereich stürzte sie auf einen nicht neuwertigen und auch nicht versiegelten Parkettboden, der zum Unfallszeitpunkt außergewöhnlich glatt und unüblich rutschig war. Dies war auch die Ursache für den Sturz der Klägerin. Warnhinweise betreffend die besondere Rutschigkeit des Bodens waren nicht aufgestellt, jedoch war dieser Umstand der Klägerin bereits davor aufgefallen.
Bei dem Sturz erlitt die Klägerin einen Oberschenkeltrümmerbruch links samt einer daraus resultierenden Beinverkürzung, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich aufgrund der Verletzungen noch die Notwendigkeit einer Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese ergibt. Die Klägerin hatte unfallsbedingt 10 Tage durchgehend starke Schmerzen, 51 Tage abklingend mittelstarke und etwa 203 bis 207 Tage leichte Schmerzen, außerdem benötigte sie aufgrund der festgestellten Verletzungen eine Haushaltshilfe im Ausmaß von 676 Stunden.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin einerseits die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle aus dem Unfall resultierenden Schäden. Ferner macht sie an Schmerzengeld EUR 37.000 und an Aufwendungen für die infolge der Verletzung erforderliche Haushaltshilfe EUR 7.000 geltend. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass die Beklagte aufgrund des Vertrages als Veranstalterin der Messe aber auch aufgrund der Verkehrssicherungspflichten für die besondere Glätte des Bodens und die fehlenden Warnhinweise einzustehen habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Pflege der Messeräumlichkeiten und der Parkettböden der in den Prozess eingetretenen Nebenintervenientin als Vermieterin vorbehalten gewesen sei. Die Nebenintervenientin wendete vor allem ein, dass der Parkettboden ordnungsgemäß gepflegt und zum Zeitpunkt des Vorfalls weder feucht noch frisch gebohnert gewesen sei. Die Veranstaltung sei auch bewilligt und dabei der Boden nicht beanstandet worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und stellte fest, dass die Beklagte zu zwei Drittel für die Schäden aus dem Vorfall zu haften habe. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Beklagte aufgrund ihrer Vertragsbeziehung zu den Messebesuchern verpflichtet sei, die für den Besucherverkehr vorgesehenen Verkehrswege innerhalb der Messe so zu gestalten, dass mit deren Benützung keine Gefahren für die Messebesucher verbunden sind. Dieser Verpflichtung sei die Beklagten aber nicht nachgekommen, da der Zustand des Parkettbodens unüblich glatt und rutschig gewesen sei. Keine Bedeutung komme dem Nichtaufstellen der Warnhinweise zu, da die Klägerin die Rutschigkeit des Bodens ohnehin bereits wahrgenommen hatte. Die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden insoweit anrechnen lassen, da sich trotz Kenntnisnahme der besonderen Rutschigkeit keine Vorsorge getroffen habe, der Rutschgefahr zu entgehen oder den Messebesuch abzubrechen.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil erhobenen Berufung der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten Folge. Es folgerte dabei rechtlich, dass entsprechend § 1296 ABGB zu vermuten sei, dass ein Schaden ohne Verschulden eines anderen entstanden sei. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Geschädigte nachzuweisen, dass die Entstehung des Schadens durch ein Verhalten des Schädigers überwiegend wahrscheinlich sei. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten könnten besondere Sicherungsmaßnahmen dann erforderlich werden, wenn die potenziell betroffene Person nur über eine beschränkte Einsichtsmöglichkeit verfüge. Die Verkehrssicherungspflichten dürften aber nicht überspannt werden. Zwar habe der Veranstalter einer Ausstellung dafür zu sorgen, dass sich die Räumlichkeiten und Bodenflächen in einen verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand befinden, jedoch könnten Sicherungsvorkehrungen nur in einen begrenzten Rahmen getroffen werden. Zwar sei der Klägerin der Nachweis gelungen, dass ihr Schaden durch die Glätte des Bodens eingetreten sei, jedoch würden die Umstände des Einzelfalls gegen ein Verschulden der Beklagten am Sturz der Klägerin sprechen. Es habe nicht verifiziert werden können, worauf die außergewöhnliche Glätte und die unübliche Rutschigkeit zurückzuführen sei. Auch sei der Klägerin dieser Umstand schon zuvor bewusst gewesen. Insoweit komme dem Fehlen von Warntafeln keine Bedeutung zu. Die Beklagte habe auch keine Hinweise auf eine im Verlauf der Messe eingetretene Glätte oder Rutschigkeit des Parkettbodens gehabt. Sei doch Aussage des Geschäftsführers der Beklagten kein anderer der 7.000 Besucher gestürzt. Es sei im Ergebnis eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten bzw der Nebenintervenientin zu verneinen.
Die außerordentliche Revision erachtet das Berufungsgericht als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.
Das Berufungsgericht ist hinsichtlich der Frage der Beweislast von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen. Nach ständiger Judikatur entstehen mit Abschluss eines Vertrages nicht nur Hauptleistungspflichten, sondern als Nebenpflichten auch Schutz- und Sorgfaltspflichten, die unter anderem auch darauf hinauslaufen, alle Rechtsgüter des Vertragspartners, mit denen der Verpflichtete in Berührung kommt nach Tunlichkeit vor Schaden zu bewahren (vgl zuletzt OGH 30. 5. 2005, 8 Ob 56/05a mwN; etwa RIS-Justiz RS0018232 mwN; etwa 7 Ob 13/01i). Daneben werden unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses allgemeine Verkehrssicherungspflichten angenommen (vgl etwa RIS-Justiz RS0023355 mwN; zuletzt 7 Ob 38/05x). Gerade für den Veranstalter einer Messe ist es nun anerkannt, dass er die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, um die Besucher vor Schäden aus der Benützung der Räumlichkeiten zu bewahren (vgl dazu etwa auch Harrer in Schwimann, ABGB² § 295 Rz 61 f; vgl aber auch schon RIS-Justiz RS0023421 unter Hinweis auf OGH, 5 Ob 701/77). Dabei handelt es sich nicht um eine „allgemeine Verkehrssicherungspflicht", sondern steht dies im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand. Gerade wenn - wie hier - bei der Veranstaltung einer Messe zum Thema „Wohn-Stil" auch ein älteres Publikum angesprochen wird, hat der Veranstalter darauf zu achten, dass die Gehwege gefahrlos benutzt werden können. Dass dies aber dann nicht der Fall ist, wenn - wie hier - nach den eindeutigen Feststellungen die Böden „außergewöhnlich glatt und unüblich rutschig" sind - ist eindeutig. Soweit nun das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass es an der Klägerin gelegen wäre, aufzuklären, worauf diese außergewöhnliche Glätte und unübliche Rutschigkeit zurückzuführen war, entfernt sie sich aber von der allgemeinen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass es grundsätzlich am „Verkehrssicherungspflichtigen" liegt, nachzuweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat (vgl zuletzt OGH 8 Ob 56/05a mwN; etwa RIS-Justiz RS0022476). Weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin haben den Beweis angetreten, woraus sich die besondere Rutschigkeit und unübliche Glätte ergeben hätte bzw inwieweit diese unvermeidbar gewesen wäre. Insoweit kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es eine Überspannung der Verkehrssicherungspflichten wäre, von dem Messeveranstalter zu verlangen, dass eine „außergewöhnliche" Glätte und „unübliche" Rutschigkeit vermieden wird (vgl in diesem Zusammenhang auch schon die Entscheidung 6 Ob 224/73 = EvBl 1974/138 = SZ 46/116 zum Erfordernis eines Gleitschutzes bei einem Kokosläufer). Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25. 7. 2000 zu 10 Ob 26/00x, stützt, ist sie darauf zu verweisen, dass im damaligen Verfahren eine „außergewöhnliche Glätte und unübliche Rutschigkeit" nicht festgestellt wurde, sondern es bloß darum ging, dass im Eingangsbereich eines Geschäftslokales infolge des Regens eine gewisse Nässe eingeschleppt war und es offensichtlich nur um die Beurteilung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten ging. Da die Ansprüche der Klägerin der Höhe nach nicht strittig sind, war der Revision der Klägerin Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf die §§ 40, 51 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)