OGH 6Ob72/05i

OGH6Ob72/05i14.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN ***** eingetragenen L***** Gesellschaft m. b. H. mit dem Sitz in ***** K*****, wegen Bucheinsicht des Gesellschafters Peter H*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und andere Rechtsanwälte in Kufstein, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 8. Februar 2005, GZ 3 R 184/04i-36, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Oktober 2004, GZ 62 Fr 1330/02m-32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 FBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG (RGBl 208/1854) zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht ist zwar an die in einem Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden. Ein Abgehen des Rekursgerichts von dieser Rechtsansicht bei einer neuerlichen Entscheidung ist aber unerheblich, weil die Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof unabhängig von der Entscheidung des Rekursgerichts zu lösen ist (RIS-Justiz RS0044011; RS0042173; RS0042181).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht dem Gesellschafter einer Gesellschaft mbH gegenüber der Gesellschaft zur Unterstützung seiner Leitungs- und Prüfungsrechte nicht nur das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht (§ 22 Abs 2 und § 93 Abs 4 GmbHG), sondern auch ein allgemeiner, nicht näher zu begründender, alle Geschäftsangelegenheiten umfassender Informationsanspruch zu (RIS-Justiz RS0060098; SZ 70/157 ua). Während in Deutschland das Verweigerungsrecht der Gesellschaft gegen einen solchen Anspruch gesetzlich geregelt ist (§ 51 Abs 2 dGmbH), besteht in Österreich insoweit keine solche Regelung. Es ist aber in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass rechtsmissbräuchlich erhobenen Informationsansprüchen nicht stattgegeben werden darf (SZ 70/157 mwN). Als rechtsmissbräuchlich wurde das Individualrecht des Gesellschafters beurteilt, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden (6 Ob 245/99v mwN) und insbesondere, wenn der Gesellschafter die Erlangung von Geschäftsinformationen anstrebt, die er für sein Kokurenzunternehmen benötigt oder verwenden will (6 Ob 323/98p).

Ein Rechtsmissbrauch liegt dann vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Beweispflichtig dafür, dass der Rechtsausübende kein anderes Interesse hat als zu schädigen oder dass doch der Schädigungszweck und unlautere Motive so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, ist der den Rechtsmissbrauch Behauptende (SZ 69/289 ua). Selbst wenn nur relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch verbleiben, geben diese aufgrund der dargestellten Beweislast zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (4 Ob 233/02x mwN).

Von diesen Grundsätzen des Obersten Gerichtshofs ist das Rekursgericht im vorliegenden Einzelfall nicht abgewichen. Die Bewertung eines Begehrens (hier: auf Bucheinsicht) als rechtsmissbräuchlich stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (5 Ob 200/02a; 7 Ob 103/05f ua). Die einzelfallbezogene Beurteilung des Rekursgerichts, dass unabhängig vom Verhalten des Antragstellers in mehreren Zivilprozessen, in denen die Gesellschaft mbH Prozesspartei war oder noch ist, nicht auf eine konkrete Missbrauchsabsicht des Antragstellers geschlossen werden könne, stellt keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifenden Fehlbeurteilung dar.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 15 Abs 1 FBG iVm § 16 Abs 4 AußStrG RBGl 208/1854 und § 510 Abs 3 ZPO).

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