OGH 10Ob72/05v

OGH10Ob72/05v28.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für Tuncay K*****, geboren am 7. Oktober 1953, AZ 5 P 50/04h des Bezirksgerichtes St. Pölten, wegen Genehmigung einer Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN, infolge Rekurses des Sachwalters Dr. Christian H*****, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Mai 2005, GZ 12 Nc 17/05z-2, womit die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht St. Pölten an das Bezirksgericht Döbling nicht genehmigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 13. Mai 2004 (ON 174) übernahm das Bezirksgericht St. Pölten die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache des Tuncay K***** infolge Verlegung des Wohnsitzes des Betroffenen. In der Folge übertrug das Bezirksgericht St. Pölten mit Beschluss vom 20. 1. 2005 (ON 190) die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Döbling, weil sich der Betroffene tatsächlich ständig in Wien und zwar sehr oft bei Frau Perihan A***** aufhalte. Die monatliche Taschengeldanweisung erfolge per Postanweisung ebenfalls an die Anschrift 1180 Wien, ***** und werde vom Betroffenen meist am Postamt 1180 Wien abgeholt. Das Schreiben des Betroffenen (ON 188) weise als Absenderanschrift ebenfalls diese Adresse auf. Der Aufenthalt des Betroffenen in St. Pölten habe offensichtlich nur für sehr kurze Zeit bestanden und es bestehe derzeit überhaupt kein örtlicher Bezug zu diesem Bezirksgericht.

Das Bezirksgericht Döbling lehnte mit Verfügung vom 18. 2. 2005 (ON 194) die Übernahme der Zuständigkeit zumindest zum aktuellen Zeitpunkt ab. Der Betroffene bestreite, dass er sich bei Frau Perihan A***** an der angegebenen Adresse in Wien aufhalte. Auch Perihan A***** habe erklärt, dass der Betroffene nicht bei ihr wohne. Eine bloße Postadresse des Betroffenen in Wien könne noch keine Zuständigkeit eines Wiener Gerichtes begründen. Anhaltspunkte für einen Lebensmittelpunkt des Betroffenen an einer sonstigen Wiener Adresse, insbesondere im Sprengel des Bezirksgerichtes Döbling, seien dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Das gemäß § 111 Abs 2 JN befasste Oberlandesgericht Wien genehmigte die vom Bezirksgericht St. Pölten beschlossene und vom Bezirksgericht Döbling nicht angenommene Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache nicht. Maßgebendes Kriterium für eine Zuständigkeitsübertragung sei stets das Wohl des Betroffenen. Entscheidend sei, wo der Pflegebefohlene tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt habe. Dies sei im konkreten Fall nicht feststellbar, da der Betroffene offenbar unsteten Aufenthaltes sei. Da es keine konkreten Anhaltspunkte für die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Betroffenen (auf Dauer) in den Sprengel des Bezirksgerichtes Döbling gebe, fehle es an den Voraussetzungen, um von der einschränkend auszulegenden Ausnahmebestimmung des § 111 JN Gebrauch zu machen und die Zuständigkeit vom zuletzt zuständigen Bezirksgericht St. Pölten an das Bezirksgericht Döbling zu übertragen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Sachwalter erhobene Rekurs ist zulässig (vgl 4 Ob 254/04p mwN), aber nicht berechtigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Dieser Schutz wird auch in Sachwalterschaftssachen in der Regel am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen am besten gewährleistet sein, sodass eine Übertragung der Zuständigkeit insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Pflegebefohlene nach Einleitung des Verfahrens seinen ständigen Aufenthalt und somit den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel verlegt. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person wird nur durch ihre körperliche Anwesenheit, nicht aber durch ein Willenselement bestimmt; er setzt dauerhafte, nicht nur vorübergehende Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt voraus, die sich in einer bestimmten längeren Dauer und Beständigkeit des Aufenthaltes äußern und sich auf objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art gründen (6 Nd 509/92 mwN ua).

Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einem Sachverhalt, der darauf schließen ließe, dass der Betroffene seinen ausschließlichen Lebensschwerpunkt tatsächlich nach Wien verlegt habe. Nach den aus der Aktenlage erkennbaren „instabilen" Wohnverhältnissen kann von einem Mittelpunkt der Lebensführung im Sprengel des Bezirksgerichtes Döbling keineswegs gesprochen werden. Bezeichnend für die instabilen Wohnverhältnisse des Betroffenen ist auch der Umstand, dass er nach der Auskunft aus dem Zentralen Melderegister (ON 201) seit 12. 4. 2005 nunmehr in 1070 Wien, *****, gemeldet ist. Das Bezirksgericht St. Pölten hat im Hinblick auf diese aktuelle Meldeauskunft mittlerweile mit Beschluss vom 17. 5. 2005 (ON 203) die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Wien-Josefstadt übertragen, wobei eine Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Wien-Josefstadt bisher aber noch nicht erfolgt ist. War nun aber nicht feststellbar, dass der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt in den Sprengel des Bezirksgerichtes Döbling verlegt hat, kann von einer Zweckmäßigkeit der Übertragung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Döbling zweifellos nicht gesprochen werden.

Soweit der Sachwalter in seinem Rekurs noch geltend macht, die Voraussetzungen für die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht St. Pölten wären von vornherein nicht gegeben gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage nicht geprüft werden kann, weil dieser Beschluss rechtskräftig geworden ist.

Dem Rekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

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