OGH 6Ob74/05h

OGH6Ob74/05h23.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Hans-Georg Zeiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2004, GZ 2 R 213/04i-20, womit das Endurteil des Handelsgerichts Wien vom 22. Juni 2004, GZ 15 Cg 31/03f-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.315,08 EUR (darin 219,18 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen der Klägerin und der Beklagten - einer Gesellschaft des Fiat Konzerns - bestand seit 1999 ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Gebietshändlervertrag. Dieser enthielt - entsprechend den Vorgaben des Konzerns unter anderem nachstehende (hervorgehobene) Bestimmungen:

„Umfang

1.1.a. Die Gesellschaft ernennt hiemit den Gebietshändler für das in Beil. /1 definierte Gebiet („Vertragsgebiet")

- zum autorisierten Wiederverkäufer für jene neuen [Kraftfahrzeuge] der Marke [Fiat] (im Folgenden als „die Marke" bezeichnet), welche in der jeweiligen Liste enthalten sind, die die Gesellschaft dem Gebietshändler von Zeit zu Zeit übermitteln wird (im Folgenden als „Vertragsfahrzeuge" bezeichnet), sowie für Originalersatzteile dieser Personenkraftwagen, die von oder für Fiat Auto SpA mit dem Sitz in Italien („der Hersteller") erzeugt und durch die Gesellschaft in Österreich vertrieben werden (als „Originalersatzteile" und gemeinsam mit den Vertragsfahrzeugen als „Vertragsprodukte" bezeichnet); und

- autorisiert den Gebietshändler zur Erbringung von Wartungs- und Serviceleistungen an den Vertragsfahrzeugen vor und nach dem Verkauf („Service").

............

Tätigkeit außerhalb des Gebietes

1.5. Außerhalb des Gebietes ist es dem Gebietshändler nicht gestattet, direkt oder indirekt:

a) Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen für den Vertrieb der Vertragsprodukte zu besitzen;

b) Bestellungen in irgendeiner personalisierten Werbeform zu sammeln (einschließlich mittels Telefon, Haus-zu-Haus-Verkauf, Propaganda, individuelle Briefe, etc, jedoch ohne darauf beschränkt zu sein);

c) Dritte für den Verkauf der Vertragsprodukte und/oder für die Erbringung des Service einzusetzen.

..............

Markenausschließlichkeit

1.7. Der Gebietshändler verpflichtet sich,

a) keinerlei neue Personenkraftwagen oder Transporter einer anderen Marke als der Marke zu verkaufen, wobei allerdings ausdrücklich vereinbart wird, dass die Beschränkung gemäß diesem Art 1.7.a) für den Gebietshändler nicht gilt, wenn der Verkauf eines neuen Motorfahrzeuges einer anderen Marke

(i) durch eine getrennte Gesellschaft oder andere getrennte Rechtsperson (im Eigentum oder unter der Kontrolle des Gebietshändlers oder dessen Gesellschafter) ausgeführt oder durchgeführt wird; und

(ii) in Verkaufsräumlichkeiten durchgeführt wird, die von jenen in Teil B.1. der Beilage 2 dieses Gebietshändlervertrages verschieden sind; und

(iii) unter einer getrennten Geschäftsführung; und

(iv) in einer solchen Art durchgeführt wird, dass jegliche Verwechslung mit der Marke vermieden wird;

b) keinerlei Ersatzteile zu verkaufen, die mit den Originalersatzteilen im Wettbewerbsverhältnis stehen, es sei denn, dass diese eine gleiche oder bessere Qualität aufweisen, als die entsprechenden Originalersatzteile.

...........

Ordentliche Vertragsbeendigung

(idF Vertragsergänzung Nr 2)

6.1. Dieser Gebietshändlervertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann jedoch von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer zumindest 24-monatigen Kündigungsfrist jederzeit mittels Verständigung an die jeweils andere Vertragspartei aufgekündigt werden.

Unabhängig von der Bestimmung des vorstehenden Absatzes ist jede Vertragspartei berechtigt, diesen Gebietshändlervertrag unter Einhaltung einer zumindest 12-monatigen Kündigungsfrist mittels Verständigung an die jeweils andere Vertragspartei aufzukündigen, falls die Gesellschaft das Händlernetz oder einen wesentlichen Teil des Händlernetzes reorganisieren muss, zum Beispiel auf Grund des Eintrittes externer Umstände auf dem österreichischen Markt der Kraftfahrzeugindustrie, wie insbesondere neue Verhaltensweisen von Mitbewerbern der Marke im geschäftlichen Verkehr, oder auf Grund des Eintritts von Umständen, welche die Struktur der Marktnachfrage für die Vertragsprodukte beeinflussen, und zwar entweder allgemein oder in einem bestimmten geographischen Gebiet, etc, oder auf Grund anderer Faktoren, welche die Marke spezifisch berühren und zur Folge haben, dass die Organisationsstruktur des Händlernetzes oder eines wesentlichen Teils des Händlernetzes und/oder der geographischen Abdeckung einen effizienten, wettbewerbsfähigen und profitablen Vertrieb und/oder eine effiziente, wettbewerbsfähige und profitable Erbringung von Service-Dienstleistungen betreffend die Vertragsfahrzeuge und/oder Originalersatzteile nicht mehr ermöglicht.

...........

Teilungültigkeit (idF Vertragsergänzung Nr 1)

8.5. Falls sich irgendeine Bestimmung des Gebietshändlervertrages in irgendeiner Weise und in irgendeinem Ausmaß auf Grund bestehender oder künftiger Gesetze, Verordnungen, Direktiven oder Verfügungen, die darauf anwendbar sind, als ungültig oder undurchsetzbar herausstellen sollte, verpflichten sich die Vertragsparteien hiermit, den gegenständlichen Gebietshändlervertrag durch für beide Seiten akzeptable Bestimmungen entsprechend abzuändern, um diesen Konflikt zu beseitigen, wobei allerdings die vorher bestehende Ausgewogenheit der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien in dem Gebietshändlervertrag respektiert werden muss. Der Gebietshändler verpflichtet sich, angemessene Ergänzungen des Gebietshändlervertrages, welche die Gesellschaft in diesem Zusammenhang vorschlägt, im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft nicht abzulehnen. Falls der Gebietshändler solche Vorschläge der Gesellschaft aus welchen Gründen auch immer ablehnt, so ist jede Vertragspartei berechtigt, diesen Gebietshändlervertrag unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist aufzukündigen und der Gebietshändler anerkennt die Notwendigkeit für die Gesellschaft, ähnliche Bestimmungen für das gesamte Gebietshändlernetz anzuwenden.

..........

Nichtübertragbarkeit dieses Gebietshändlervertrages

8.7. Dieser Gebietshändlervertrag wird persönlich mit dem Gebietshändler abgeschlossen, und der Gebietshändler hat daher nicht das Recht, diesen Gebietshändlervertrag oder irgendeinen Teil desselben ohne die vorhergehende schriftliche Zustimmung der Gesellschaft, die nicht ohne wichtigen Grund verweigert werden darf, an einen Dritten abzutreten oder zu übertragen. Die Gesellschaft hat das Recht, alle Rechte und Pflichten gemäß diesem Gebietshändlervertrag sowie diesen Gebietshändlervertrag in seiner Gesamtheit an eine Gesellschaft zu übertragen, welche im Eigentum des Herstellers oder der Gesellschaft steht, oder von diesem kontrolliert wird, soweit dies nicht schon gemäß anderen Bestimmungen dieses Gebietshändlervertrages genehmigt ist. "

Beilage 1 zum Gebietshändlervertrag bestimmt das in Art 1.1 genannte Gebiet des Gebietshändlers mit dem Sprengel der BH D***** und benennt namentlich zwei weitere in diesem Gebiet tätige Gebietshändler, Händler und Vertragswerkstätten.

Am 1. 10. 2002 trat die Verordnung (EG) Nr 1400/2002 der Kommission vom 31. 7. 2002 über die Anwendung von Art 81 Abs 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (im Folgenden KFZ-GVO 2002) in Kraft. Nach ihrem Artikel 10 (Übergangszeitraum) gilt das Verbot nach Art 81 Abs 1 EG „vom 1. Oktober 2002 bis zum 30. September 2003 nicht für Vereinbarungen, die am 30. September 2002 bereits in Kraft waren und die die Voraussetzungen für eine Freistellung zwar nach der Verordnung (EG) Nr 1475/95, nicht aber nach der vorliegenden Verordnung erfüllen". Aufgrund der KFZ-GVO 2002 entschloss sich die Konzernspitze des Fiat-Konzerns, einen einzigen (Muster)Vertrag für Gebietshändler in Europa vorzugeben. Die Beklagte kündigte daraufhin sämtliche Gebietshändlerverträge - so auch jenen mit der Klägerin - zum 30. 9. 2003 auf und berief sich auf Punkt 6.1 des Händlervertrags idF der Vertragsergänzung Nr 2, wonach die Kündigungsfrist in Fällen, in denen die Gesellschaft das Händlernetz oder einen wesentlichen Teil des Händlernetzes reorganisieren müsse, 12 Monate beträgt.

Die zunächst von der Klägerin erhobenen Feststellungsbegehren, dass die Kündigung des Gebietshändlervertrags zum 30. 9. 2003 vertragswidrig erfolgt sei; in eventu dass die Kündigungsfrist frühestens am 30. 9. 2004 ende; in eventu dass der Vertragskündigung keine Umstrukturierung des Händlernetzes im Sinne von Art 5 Abs 3 KFZ-GVO 1995 zugrunde liege, wurden bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen. Gegenstand des zweiten Rechtsgangs ist das weitere Feststellungsbegehren der Klägerin, dass die Beklagte ihr für sämtliche Schäden der fristwidrigen Vertragsauflösung des Händlervertrages zum 30. 9. 2003 hafte. Dazu brachte die Klägerin vor, die Kündigung sei vertragswidrig, weil die Beklagte das Vertriebsnetz nicht umstrukturiert habe. Lediglich drei von 53 Händlern seien aus dem Vertragsnetz ausgeschieden. Es bestehe keine Notwendigkeit einer Umstrukturierung, weil eine Anpassung des Händlervertrags an die neue KFZ-GVO durch Beseitigung der wettbewerbsbehindernden Bestimmungen möglich und der Beklagten auch zumutbar sei. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch eine ausnahmsweise Kündigungsmöglichkeit widerspreche Treu und Glauben. Die Beklagte habe keinen konkreten Vorschlag zu einer Änderung des bestehenden Vertrags unterbreitet. Der Klägerin sei durch die Verkürzung der Kündigungsfrist ein Schade in Höhe ihres (ziffernmäßig noch nicht bestimmbaren) Verdienstentgangs entstanden.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Das Feststellungsbegehren sei nicht zulässig, weil die Klägerin bereits auf Leistung klagen könne. Der Vertrag sei unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist wirksam beendet worden. Auch nach den Ausführungen der Generaldirektion Wettbewerb sei im Fall der Umstrukturierung des Händlernetzes eine Vertragskündigung unter Einhaltung einer 12-Monatsfrist zulässig. Die Beklagte habe sich entschieden, ihr bisher exklusives Vertriebssystem auf ein selektives - mit der neuen KFZ-GVO in Einklang stehendes - Vertriebssystem umzustellen. Dies bringe eine völlig Neustrukturierung ihres Händlernetzes mit sich, weil in diesem Fall die Vertragsgebiete wegfielen. Es sei auch notwendig geworden, die Vertragshändlerverträge in Händler- und Serviceverträge zu trennen und getrennte Verträge abzuschließen. Aus Anlass der Umstrukturierung sei mit allen Vertragshändlern Standardhändlerverträge geschlossen worden. Lediglich drei Händler seien nicht in das neue System übernommen worden. Eine Aufrechterhaltung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags sei nicht möglich gewesen, weil dieser nach Ablauf der Kündigungsfrist kartellrechtswidrig geworden wäre. Der Entfall der kartellrechtswidrigen Bestimmungen hätte entgegen der Behauptungen der Klägerin nicht ausgereicht, weil damit keine neue Vertriebsstruktur aufgebaut werden könne. Im Übrigen sehe auch der zwischen den Parteien geschlossene Gebietshändlervertrag eine 12-monatige Kündigungsfrist für den Fall einer erforderlichen Reorganisation des Händlernetzes vor.

Das Erstgericht wies auch das Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der fristwidrigen Vertragsauflösung zum 30. 9. 2003 ab. Es stellte - zusammengefasst - noch fest, dass sich die Konzernspitze des Fiat Konzerns aufgrund der Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr 1400/2002 vom 31. 7. 2002 entschlossen habe, einen einheitlichen Gebietshändlervertrag für ganz Europa vorzugeben und diesen lediglich an die jeweiligen lokalen Rechtsverhältnisse anzupassen. Zuvor habe es im Fiat Konzern im Bereich des Betriebes Koppelungen gegeben, sodass immer nur Fiat PKW und Transporter als Kombination vergeben worden seien. Derartige Koppelungen seien nun nicht mehr vorgesehen worden. Darüber hinaus sei es bis dahin im Konzern üblich gewesen, mit Subhändlern keine direkten Vertriebsvereinbarungen über dieselbe Marke abzuschließen. Auch diesbezüglich habe sich der Konzern entschieden, dass ein Subhändler künftig auch in direkte Vertragsbeziehungen zum Hersteller (etwa im Werkstättenbereich) treten könne. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 24. 9. 2002 den Gebietshändlervertrag mit der Klägerin zum 30. 9. 2003 aufgekündigt und diesen Schritt mit der unabwendbaren Notwendigkeit begründet, das gesamte oder doch zumindest einen wesentlichen Teil des Vertriebsnetzes für Kraftfahrzeuge zu restrukturieren. Die Beklagte habe mit gleichlautendem Schreiben auch sämtliche anderen mit ihr bestehenden Gebietshändlerverträge aufgekündigt. Folgeverträge seien lediglich mit drei der aufgekündigten Gebietshändler, darunter auch mit der Klägerin nicht zustande gekommen. Mit den übrigen Vertriebspartnern habe die Beklagte neue - der KFZ-GVO 2002 entsprechende - Vertriebshändlerverträge abgeschlossen. Sie habe sich in ihrem Schreiben vom 24. 9. 2002 auch bereit erklärt, in Verhandlungen über eine eventuelle Verlängerung der Kündigungsfrist auf zwei Jahre einzutreten. Grundsatz der Verlängerung sei jedoch, dass ein der neuen Gruppenfreistellungsverordnung widersprechender Gebietshändlervertrag im Sinn des neuen von der Beklagten geplanten selektiven Vertriebssystems abzuändern sei und die unverbindlich empfohlenen Verkaufspreise, Bonuszahlungen und andere wirtschaftliche Bedingungen des Vertriebsvertrags an die neue GVO und an die neue Geschäftspolitik des Hauses angepasst werden müssten. Dem Angebot der Verlängerung der Kündigungsfrist sei die Klägerin nicht nähergetreten. Sie habe mit Schreiben des Rechtsvertreters vom 31. 10. 2002 die Kündigung als einseitige Willenserklärung der Herstellerin zur Kenntnis genommen und die Ansicht vertreten, die Kündigung sei rechtswidrig, sodass der Klägerin aus der kartellrechtswidrigen Vertragskündigung ein Schadenersatzanspruch zustehe. Als Schade werde die entgangene Nettoprovision aus dem Neuwagengeschäft für ein Jahr geltend gemacht. In der Folge habe die Klägerin einen Handelsvertrag mit der Marke KIA abgeschlossen, den sie nicht abgeschlossen hätte, wenn der Vertrag durch die Beklagte nicht gekündigt worden wäre.

Aus dem, dem erstgerichtlichen Urteil als „integrierender Bestandteil" angeschlossenen einheitlichen Mustervertrag (den die Beklagte mit den übrigen Vertragshändlern nach Inkrafttreten der KFZ-GVO 2002 abschloss) werden nachstehende Bestimmungen hervorgehoben:

„3. Vertragsrahmen

3.1. Gemäß den Bestimmungen des vorliegenden Händlervertrages ernennt Fiat hiemit den Händler zum nicht exklusiven, autorisierten Fiat PKW-Händler für den Verkauf von Vertragsfahrzeugen innerhalb des EWR. Der Händler nimmt hiermit diese Ernennung an.

3.2. Es gilt als ausdrücklich vereinbart, dass sich die Vertragsparteien stets so verhalten, dass ihre Beziehung unter die in der GVO vorgesehene Freistellung fällt.

4. Verkaufsbefugnis

4.1. Der Händler ist berechtigt und verpflichtet, im Einklang mit den Bestimmungen des vorliegenden Vertrages Vertragsfahrzeuge innerhalb des EWR zu verkaufen, und zwar

a) an Kunden oder

b) an Wiederverkäufer, jedoch nur, wenn es sich dabei um einen autorisierten Fiat PKW Händler handelt.

...

7. Ernennung anderer Mitglieder des Fiat Vertriebs- und Servicesystems

7.1. Fiat (und jede weitere Person, auf welche die Definition „Hersteller" zutrifft) hat das Recht, jederzeit weitere autorisierte Fiat-PKW-Händler zu ernennen, ohne dass daraus eine Haftung oder anderweitige Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung einer Abfindung oder Entschädigung gegenüber dem Händler entsteht. ...

10. Verkauf von anderen als Vertragsfahrzeugen

10. 1. Entscheidet der Händler, Neufahrzeuge, die keine Vertragsfahrzeuge sind, in denselben Geschäftsräumen zu verkaufen, in denen die Vertragsfahrzeuge verkauft werden, so muss der Händler die Vertragsfahrzeuge dort in markenexklusiven Bereichen ausstellen, um Verwechslungen auszuschließen. ..."

Die Anlage F des Fiat-PKW-Händlervertrages enthält eine Auflistung der (künftigen) Vertriebs- und Finanzstandards nach diversen Kriterien wie etwa Corporate Identity, Gebäude und Flächen, markenexklusiver Ausstellungsbereich, Personal/Training, Organisation.

Das Erstgericht verneinte ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung wegen der schon am 30. 9. 2003 erfolgten Beendigung des Vertragsverhältnisses bereits Leistungsklage hätte erheben können. Sie habe bereits mit Schreiben vom 31. 10. 2002 Schadenersatz in Höhe der entgangenen Nettoprovision aus dem Neuwagengeschäft für ein Jahr begehrt. Die entgangene Nettoprovision hätte sie unschwer aus den in der Vergangenheit erzielten Provisionen ableiten können. Im Übrigen habe die Beklagte die gebotene Sorgfalt nicht verletzt. Ihre Ansicht, die Änderung des Vertriebssystems von einem exklusiven in ein quantitativ selektives sei als Reorganisation des Händlernetzes im Sinn des Punktes 6.1 des Vertrages und/oder eine Umstrukturierung im Sinne des Art 5 Abs 3 der KFZ-GVO Nr 1475/95 anzusehen, sei zumindest rechtlich vertretbar. Im Übrigen habe sich der Gebietshändler im Punkt 8.5 der Vertragsergänzung Nr 1 auch verpflichtet, von der Beklagten vorgeschlagene angemessene Ergänzungen des Gebietshändlervertrages im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft nicht abzulehnen. Die Beklagte habe im Hinblick auf die nur einjährige Übergangsfrist der KFZ-GVO in ihrem Kündigungsschreiben auch einen Vorschlag für eine verlängerte Kündigungsfrist erstattet. Die neue KFZ-GVO stamme vom 31. 7. 2002, sodass es der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, einen Art 81 EG entsprechenden Vertragszustand durch Kündigung kartellwidriger Vereinbarungen unter Wahrung einer zweijährigen Kündigungsfrist zum 1. 10. 2003 (Inkrafttreten der KFZ-GVO 2002) herzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Beklagte wegen der Anwendung der KFZ-GVO 2002 auf den bestehenden Gebietshändlervertrag (nach Ablauf der Übergangsfrist) zu einer vorzeitigen Kündigung unter Einhaltung einer bloß 12-Monatsfrist berechtigt gewesen sei. Das Berufungsgericht verneinte die von der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend verneinte es auch den Schadenersatzanspruch der Klägerin schon dem Grunde nach. Als Anspruchsgrundlage für die wegen fristwidriger Kündigung behaupteten Schadenersatzansprüche komme eine analoge Anwendung des Handelsvertretergesetzes auf Vertragshändler in Frage, weil die Beziehungen zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller so gestaltet seien wie sonst zwischen Unternehmen und Handelsvertretern üblich. Nach § 24 habe der Handelsvertreter im Falle einer unberechtigten vorzeitigen Vertragsauflösung ein Wahlrecht, auf Vertragserfüllung zu bestehen oder Schadenersatz zu begehren. Die Parteien des vorliegenden Verfahrens seien auch erkennbar von einem derartigen Wahlrecht der Klägerin ausgegangen. Punkt 6.1 des Gebietshändlervertrags bestimme zwar eine 24-monatige Kündigungsfrist, ermögliche jedoch die Kündigung in 12-Monatsfrist, wenn die Gesellschaft das Händlernetz oder einen wesentlichen Teil desselben reorganisieren müsse. Die Prüfung des bisherigen Gebietshändlervertrags mit der KFZ-GVO 2002 vor dem Hintergrund des Art 81 EG ergebe, dass eine Kombination aus selektivem und exklusivem Vertrieb nunmehr (im Unterschied zur KFZ-GVO 1995) unzulässig sei. Die KFZ-GV 2002 habe auch eine Aufhebung der Verbindung zwischen Vertrieb und Kundendienst gebracht und die Möglichkeit des gleichzeitigen Vertriebs mehrerer Marken wesentlich erleichtert. Nach den Feststellungen habe die Beklagte nicht nur einen exklusiven Vertrieb, sondern eine Kombination aus einem exklusiven und selektiven Vertrieb unterhalten, Vertrieb und Kundendienst seien zusammengefasst worden und der Vertrieb von Fahrzeugen anderer Marken nur unter bestimmten stark eingeschränkten Umständen für zulässig erklärt worden. Die Beklagte habe daher befürchten müssen, dass der gesamte Gebietshändlervertrag oder zumindest wesentliche Teile von der Freistellung der KFZ-GVO 2002 ausgenommen und damit wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art 81 Abs 1 EG zumindest in wesentlichen Teilen ab dem 1. 10. 2003 nichtig sein könnten. Von der drohenden Nichtigkeit sei auch eine Vielzahl von auf die dort vereinbarte Vertriebsstruktur zugeschnittenen Detailbestimmungen betroffen gewesen. Allein die Umstellung auf einen selektiven Vertrieb, die vertragliche Trennung von Vertrieb und Kundendienst und die Erleichterung des Mehrmarkenvertriebs habe eine grundlegende inhaltliche Neuordnung der Verträge im Sinn des Art 6.1 des Gebietshändlervertrags erfordert. Damit sei aber der Beklagten kein Verstoß gegen vertragliche Pflichten und damit auch kein rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen, sodass ein Schadenersatzanspruch schon dem Grunde nach ausscheide. Der Beklagten sei ab dem Zustandekommen der KFZ-GVO 2002 (31. 7. 2002) und dem Ende der Übergangsfrist (30. 9. 2003) eine zweijährige Kündigungsfrist nicht mehr zur Verfügung gestanden. Art 10 KFZ-GVO 2002 nehme nämlich zum 30. 9. 2002 bereits bestehende (und den Voraussetzungen einer Freistellung nach der Verordnung 1475/95 entsprechende) Gebietshändlerverträge nur für den Zeitraum zwischen 1. 10. 2002 bis 30. 9. 2003 vom Verbot nach Art 81 Abs 1 EG aus. Bis zum 30. 9. 2003 wäre es aber der Beklagten nicht möglich gewesen, den Gebietshändlervertrag mit der Klägerin in der (ordentlichen) Kündigungsfrist von 24 Monaten zu beenden.

Im Übrigen habe die für die Kausalität des Schadens beweispflichtige Klägerin nicht dargelegt, welche vertraglichen Bestimmungen nach Ablauf der Übergangsfrist zum 30. 9. 2003 noch in Kraft gewesen wären, aus welchen sie Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Fahrzeugen der Beklagten hätte ableiten können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Dass der Gebietshändler durch Aufkündigung zum 30. 9. 2003 beendet wurde, steht außer Streit. Die Klägerin begehrt Schadenersatz und zwar den Entgang jenes Gewinns, den sie in dem auf den Kündigungsstichtag (30. 9. 2003) folgenden Jahr erzielt hätte. Sie macht geltend, nach Punkt 6 des (in Übereinstimmung mit der KFZ-GVO Nr 1475/95 geschlossenen) Vertriebsvertrags hätte die Kündigungsfrist nur bei objektiver Notwendigkeit einer Änderung der Vertriebsstrukturen in Bezug auf einen wesentlichen Teil des Händlernetzes auf 12 Monate verkürzt werden dürfen. Beide Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Im Übrigen hätte die Beklagte eine Einigung mit der Klägerin unter Beiziehung von sachverständigen Dritten oder eines Schiedsrichters herbeiführen müssen. Anspruchsgrundlage ihres Schadenersatzanspruchs ist daher die behauptete vertragswidrige Aufkündigung des Vertriebsvertrags. Eine allfällige Verletzung von Bestimmungen der KFZ-GVO Nr 1475/95 scheidet als Anspruchsgrundlage des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs aus, weil Gruppenfreistellungsverordnungen nur bestimmen, unter welchen Voraussetzungen das Kartellverbot des Art 81 Abs 1 EG auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen nicht anwendbar ist, jedoch weder zwingende zivilrechtliche Vorschriften enthalten (ständige Rechtsprechung EvBl 1998/104; ÖBl 1999, 132; ÖBl 1999, 295; 8 Ob 295/99m; RIS-Justiz RS0109282), noch den Vertrag unmittelbar ergänzen (Creutzig, EG-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor Rz 179 unter Hinweis auf EuGH vom 18. 12. 1986 Slg 1986, 4071). Sie sind keine Verbotsnormen, sondern Bedingungen für den Eintritt eines Rechtsvorteils, nämlich der Freistellung vom Kartellverbot (Eilmansberger, Probleme der Kündigung von Kfz-Händlerverträgen, wbl 1998, 340).

Bei Auslegung der (in Übereinstimmung mit der KFZ-GVO Nr 1475/95 formulierten) Kündigungsbestimmungen des vorliegenden Vertriebsvertrags kann jedoch auf die GVO Nr. 1475/95 zurückgegriffen werden, weil der Zweck der gewählten Formulierung offenkundig darin lag, den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung sicherzustellen.

Nach Punkt 6.1 des vorliegenden Gebietshändlervertrags (idF der Vertragsergänzung Nr 1) beträgt die (ordentliche) Kündigungsfrist 24 Monate, es sei denn, die Vertriebsgesellschaft muss das Händlernetz oder einen wesentlichen Teil desselben reorganisieren. In einem solchen Fall sieht der Vertrag eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor. Dieser Vertragspunkt übernahm die Regelung des Art 5 Abs 3 KFZ-GVO Nr 1475/95, wonach die Freistellung nicht durch das vertragliche Recht der Lieferantin gehindert wird, „die Vereinbarung innerhalb einer Frist von mindestens einem Jahr zu kündigen, falls sich die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren". Der im Vertrag gewählte Begriff „Reorganisation" ist daher im Sinn einer „Umstrukturierung" des Händlernetzes zu verstehen. Der Sinn der auf ein Jahr verkürzten Kündigungsfrist liegt darin, eine flexible Anpassung des Vertriebsvertrags zu ermöglichen (Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, § 14 Rz 57, § 15 Rz 19; Ceipek, KFZ-Vertrieb in der EU 253). In Ergänzung führt der Vertrag beispielhaft Umstände an, die das Erfordernis einer derartigen Reorganisation bzw Umstrukturierung auslösen können. Diese Beispiele machen deutlich, dass eine Reorganisation dann als erforderlich angesehen wird, wenn Umstände eintreten, die zur Folge haben, dass die Organisationsstruktur des Händlernetzes oder eines wesentlichen Teils desselben es nicht mehr ermöglicht, Vertrieb oder Service-Dienstleistungen „effizient", „wettbewerbsfähig" und „profitabel" zu erbringen. Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig. Dass - wie die Klägerin meint - eine Anpassung an die durch die KFZ-GVO Nr 1400/2002 für den Kraftfahrzeugvertrieb geschaffene neue Rechtslage ganz generell nicht darunter fallen könnte (wie dies etwa Creutzig, Die neue Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor, EuZW 2002, 560, vertritt), ist nicht einzusehen. Es wird nämlich auch die durch eine Rechtsänderung angezeigte Reorganisation des Vertriebsnetzes dazu dienen, Vertrieb und Service weiterhin „effizient", „wettbewerbsfähig" und „profitabel" zu gestalten, während die Beibehaltung der den Anforderungen der GVO Nr 1400/2002 nicht mehr entsprechenden Vertriebsstruktur schon durch den Wegfall der Freistellung einen effizienten wettbewerbsfähigen und profitablen Vertrieb gefährdet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin beantwortet auch der Leitfaden der Europäischen Kommission - Generaldirektion Wettbewerb vom 31. 7. 2002 zur KFZ-GVO 2002 die hier entscheidungswesentliche Frage, ob das Inkrafttreten dieser Verordnung eine Umstrukturierung des konkreten Vertriebsnetzes der Beklagten (oder eines wesentlichen Teils desselben) im Sinn des Vertriebsvertrags erforderlich machte, nicht im Sinn des Rechtsmittels. Dieser Leitfaden enthält eine der Information dienende und rechtlich nicht verbindliche Erläuterung der Gruppenfreistellungsverordnung (Wendel, Die neue GVO Nr 1400/2002 vom 31. 7. 2002 - Automobilvertrieb seit dem 1. 10. 2002, WRP 2002, 1395). Er beantwortet ganz generell Fragen, die „möglicherweise aufgeworfen werden", so etwa Frage 20 („Wie können Verträge, die der Verordnung (EG) Nr 1475/95 entsprechen, während des Übergangszeitraumes beendet werden?") wie folgt: „Die Tatsache, dass die Geltungsdauer der Verordnung (EG) Nr 1475/95 am 30. September 2002 endet und sie durch eine neue Verordnung ersetzt wird, bedeutet noch nicht, dass ein Vertriebsnetz umgestaltet werden muss. Nach dem Inkrafttreten der Verordnung kann ein Fahrzeughersteller dennoch beschließen, sein Netz zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Um die Verordnung (EG) Nr 1475/95 einzuhalten und den Übergangszeitraum in Anspruch nehmen zu können, müssen Vertragskündigungen zwei Jahre im Voraus erfolgt sein, es sei denn, es erfolgt eine Umstrukturierung des Händlernetzes....". Zur Frage 68 („Werden in der Verordnung Mindestkündigungsfristen festgelegt?") führt der Leitfaden aus: „....Wenn eine Vertragspartei eine unbefristete Vereinbarung beenden will, muss sie normalerweise eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren einhalten. .... Will der Lieferant eine Vereinbarung aufgrund der Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, beenden, muss er eine Kündigungsfrist von mindestens einem Jahr einhalten. Die Notwendigkeit für eine Umstrukturierung kann sich aus dem Verhalten von Wettbewerbern oder aufgrund anderer wirtschaftlicher Entwicklungen ergeben, gleichgültig, ob diese durch interne Entscheidungen eines Herstellers oder externe Faktoren verursacht werden .... In Anbetracht der Vielzahl der möglichen Situationen wäre es unrealistisch zu versuchen, alle denkbaren Gründe für eine Umstrukturierung anzuführen. Ob eine Umstrukturierung erforderlich ist oder nicht, ist eine objektiv zu beantwortende Frage ...".

Diesen Ausführungen des Leitfadens ist zu entnehmen, dass die Änderung der Rechtslage zwar nicht per se zu einer Umstrukturierung des Vertriebssystems führen muss (nämlich vor allem dann nicht, wenn das bestehende Vertriebssystem ohnehin in Einklang mit der neuen KFZ-GVO steht), dass aber im Fall einer - objektiv notwendigen - Umstrukturierung, deren Gründe vielfältiger Natur sein können, die Vertragsbeendigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr zulässig ist.

Zur neuen Rechtslage nach Inkrafttreten der KFZ-GVO Nr 1400/2002 nahm auch das Schrifttum umfangreich Stellung. Betont wird, dass diese neue GVO den Automobilvertrieb nachhaltig verändern und die Kraftfahrzeugwirtschaft neu ordnen werde (Knöbl, Gruppenfreistellungsverordnung 1400/2002, RdW 2002/637), sich für die Hersteller die Notwendigkeit ergeben werde, ihre Vertriebsnetze ab 1. 10. 2003 neu zu strukturieren, wobei sich eine Mehrzahl für quantitativen selektiven Vertrieb entscheiden werde (Pfeffer, Die neue Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr 1400/2002 für die Automobilbranche, NJW 2002, 2910). Die neue Gruppenfreistellungsverordnung werde zu einer umwälzenden Veränderung des gesamten Automobilvertriebs in der EU führen. Dem müssten (und würden) auch die Hersteller Rechnung tragen und infolge der GVO 2002 gezwungen sein, ihre Vertriebsnetze in erheblichem Umfang neu zu strukturieren (Wendel aaO WRP 2002, 1400, 1414). Die GVO könne daher sehr wohl dazu führen, dass ein Hersteller gemäß Art 5 Abs 3 KFZ-GVO Nr 1475/1995 spätestens zum 30. 9. 2002 wirksam eine Restrukturierungskündigung mit einjähriger Frist zum 30. 9. 2003 aussprechen könnte. Angesichts der erheblichen Belastungen für den Vertrieb, die die Änderung der GVO mit sich bringe, seien die Interessen der Händler in besonderer Weise betroffen, und die Folgen der neuen GVO dürften eine Kündigung wegen „Umstrukturierung" durch den Hersteller rechtfertigen (Wendel aaO WRP 2002, 1401). Bei Anpassung der Verträge an die GVO Nr 1400/2002 sei kaum ein Fall vorstellbar, der nicht unter den Tatbestand der „notwendigen Umstrukturierung" falle. Insbesondere der Wechsel von einem kombiniert exklusiv-selektiven System in ein rein selektives Vertriebssystem erfordere erhebliche Änderungen in der Vertriebsstruktur. Angesichts der EU-weit erforderlichen Anpassung der Verträge an die neuen Bestimmungen könne auch kein Zweifel darüber bestehen, dass zumindest ein wesentlicher Teil des Vertriebsnetzes betroffen sei (Roniger/Hemetsberger, KFZ-Vertrieb neu, Art 3 GVO Nr 1400/2002 Rz 30).

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ist die Frage, ob die durch Inkrafttreten der KFZ-GVO 2002 geänderte Rechtslage eine Reorganisation (Umstrukturierung) des Vertriebsnetzes der Beklagten mit dem Ende der Übergangsfrist objektiv erforderlich machte, anhand der im konkreten Fall erforderlichen Veränderungen des Vertriebssystems zu beurteilen. Dabei sind vor allem jene Änderungen zu berücksichtigen, die erforderlich werden, um auch weiterhin den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung in Anspruch nehmen zu können.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestand das Vertriebssystem der Beklagten (der GVO Nr 1475/95 entsprechend) aus der Kombination zwischen exklusivem und selektivem Vertrieb. Es bestand eine zwingende Verknüpfung zwischen Vertrieb und Kundendienstleistungen. Mit anderen Worten: Der Händler war verpflichtet, neben dem Vertrieb von Fahrzeugen der Herstellermarke auch eine Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge des Herstellers zu unterhalten und sämtliche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten für diese Kraftfahrzeuge durchzuführen. Der Klägerin war dementsprechend ein exklusives Gebiet für Vertrieb und Kundendienstleistungen zugewiesen worden, sie durfte außerhalb ihres Vertragsgebiets nicht tätig werden. Die Möglichkeit des Vertriebs von Fahrzeugen einer anderen Marke war stark eingeschränkt. Zugleich bestanden Gebietshändlerverträge mit zwei weiteren Unternehmen im Vertragsgebiet der Klägerin. Mit Inkrafttreten der KFZ-GVO 2002 und Ablauf der Übergangsfrist (30. 9. 2003) war die Kombination zwischen selektivem und exklusivem Vertrieb unzulässig. Die Herstellerin (bzw Lieferantin) musste sich entscheiden, ob sie ihren Händlern ein exklusives Vertragsgebiet zuweist oder ein selektives Vertriebssystem ausgestaltet, bei dem sie die Zulassung eines Händlers von qualitativen und quantitativen Kriterien abhängig machen kann. Auch die im Vertriebsvertrag des Fiat-Konzerns (zu dem die Beklagte gehörte) vorgesehene (zwingende) Verbindung zwischen Vertrieb und Kundendienstleistungen musste - als Voraussetzung einer Freistellung nach 1. 10. 2003 - aufgelöst werden. Der Händler durfte nach diesem Zeitpunkt - anders als dies im bisherigen Vertrag vorgesehen war - Verkauf oder Kundendienst voneinander getrennt anbieten. Der Vertrieb von Fremdmarken musste ihm - mit geringen Beschränkungen hinsichtlich gesonderter Ausstellungsräume - gestattet werden (zu den Änderungen der GVO Nr 1400/2002 siehe Roniger/Hemetsberger, KFZ-Vertrieb neu, Rz E 61 f; Pfeffer aaO NJW 2002, 2910; Liebscher/Petsche, Die neue KFZ-Gruppenfreistellungsverordnung; Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen § 15; Petsche, Die neue Kfz-GVO, ecolex 2002, 860; Wendel aaO WRP 2002, 1395).

Dass Gruppenfreistellungsverordnungen als kartellrechtliche Normen die Vertragspartner zivilrechtlich nicht unmittelbar zur Anpassung der Verträge verpflichten (ÖBl 1999, 295), bedeutet keineswegs, dass objektiv gesehen kein Anpassungsbedarf im Sinn des Art 5 Abs 3 KFZ-GVO Nr 1475/1995 und des Art 6.1. des Vertriebsvertrags durch Umstrukturierung (Reorganisation) bestünde. Die in der KFZ-GVO 2002 - als Voraussetzung einer Freistellung vom Kartellverbot des Art 81 Abs 1 EG - verankerten Vertriebsprinzipien erfordern vielmehr - auch objektiv gesehen - eine entsprechende grundlegende inhaltliche Neuordnung des Vertriebssystems, wollte die Beklagte die Rechtsvorteile der Gruppenfreistellung nach Ende der Übergangsfrist (30. 9. 2003) nicht verlieren. Die Beibehaltung ihres bisherigen Vertriebssystems hätte - wie schon das Berufungsgericht aufzeigte - das Risiko mit sich gebracht, dass der gesamte Gebietshändlervertrag mit der Klägerin (oder zumindest ein wesentlicher Teil) von der Freistellung durch die neue Gruppenfreistellungsverordnung ausgenommen und damit wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot des § 81 Abs 1 EG ab 1. 10. 2003 nichtig geworden wäre. Diese Gefahr konnte die Beklagte nur durch eine grundlegende inhaltliche Neuordnung ihrer Vertriebsverträge abwenden. Ihr (überwiegendes) Interesse an einer entsprechenden Umstrukturierung des Vertriebssystems durch Anpassung an die KFZ-GVO 2002 als Voraussetzung für die Beibehaltung des Rechtsvorteils der Freistellung ist somit nicht zweifelhaft, zumal der Klägerin ein besonderes Interesse an der Beibehaltung eines mit Nichtigkeitssanktion bedrohten Vertrags nicht zugebilligt werden kann. Ihr Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Gebietshändlervertrags hat gegenüber jenem der Beklagten an einer Anpassung an die geänderte Rechtslage zurückzustehen.

Die Beklagte durfte daher den Vertriebsvertrag entsprechend seinem Punkt 6.1 in der für den Fall der Reorganisation des Händlernetzes vorgesehenen Frist von 12 Monaten auflösen. Ihre Kündigung steht mit Sinn und Zweck der verkürzten Frist in Einklang. Nach den Intentionen der KFZ-GVO Nr 1475/95 sollte nämlich die Verkürzung dazu dienen, eine flexible Anpassung des Vertrags an geänderte Verhältnisse zu ermöglichen (Liebscher/Flohr/Petsche aaO § 14 Rz 57, § 15 Rz 19; Ceipek KFZ-Vertrieb in der EU 253; Wendel aaO WRP 2002, 1400).

Im vorliegenden Fall ist auch nicht zweifelhaft, dass die vom Fiat-Konzern vorgegebene Änderung des Vertriebssystems jeden einzelnen Gebietshändlervertrag und damit das gesamte Vertriebsnetz dieses Herstellers in der EU betrifft. Wieviele Händler aus dem Vertriebsnetz der Beklagten tatsächlich im Zuge der Reorganisation ausgeschieden sind und wieviele - nach Änderung der Vertriebsstruktur - in diesem System verblieben sind, ist für die Anwendbarkeit der verkürzten Kündigungsfrist nicht entscheidend. Es spielt nämlich keine Rolle, ob sich die Anzahl der Händler durch die Neuordnung des Vertriebssystems tatsächlich und wesentlich geändert hat (Roniger/Hemetsberger aaO Art 3 Rz 30; Wendel aaO WRP 2002, 1395).

Die Beklagte hat daher bei Aufkündigung des Gebietshändlervertrags nicht vertragswidrig gehandelt; ein Schadenersatzanspruch der Klägerin scheidet von vornherein aus, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nach wie vor besteht.

Das erstmals im Revisionsverfahren erhobene Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe auch deshalb vertragswidrig gehandelt, weil sie vor Inanspruchnahme der einjährigen Kündigungsfrist entweder ein Sachverständigenverfahren einleiten oder vorweg eine gerichtliche Zustimmung hätte einholen müssen, ist als Neuerung unbeachtlich. Im Übrigen enthält der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierte Art 5 Abs 3 KFZ-GVO Nr 1475/95 lediglich die Verpflichtung der Vertragspartner, bei fehlendem Einvernehmen einem Sachverständigenverfahren zuzustimmen; das Recht des Vertragspartners auf Anrufung der Gerichte bleibt unberührt. Dass die Klägerin den Wunsch nach einem Sachverständigenverfahren geäußert hätte, steht nicht fest und wurde nicht behauptet. Sie hat vielmehr vorgebracht, die Kündigung mit Schreiben vom 31. 10. 2002 zur Kenntnis genommen und Schadenersatz - sowie Ausgleichsansprüche - somit eine Anrufung des zuständigen Gerichts - angedroht zu haben.

Der unberechtigten Revision der Klägerin war nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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