OGH 4Ob56/05x

OGH4Ob56/05x14.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Friedrich K*****, vertreten durch Moringer & Moser, Rechtsanwälte OEG in Linz, gegen die beklagte Partei Erwin L*****, vertreten durch Mag. Alexander Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 17. Jänner 2005, GZ 4 R 247/04b-15, womit der Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 18. November 2004, GZ 26 Cg 155/04w-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger, ein Unternehmensberater und Sportwissenschafter, ist Inhaber der am 6. August 2002 angemeldeten und zu Reg.Nr. 207421 eingetragenen Wortmarke „INWA" für die Klassen 16 (Druckereierzeugnisse), 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen), 28 (Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel), 41 (Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Workshops, Vorträgen und Ausbildungen) und 44 (medizinische Dienstleistungen, Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen).

Der Beklagte betreibt ein Sportgeschäft, in dem er (ua) Nordic Walking Stöcke eines finnischen Herstellers vertreibt, auf denen unterhalb des Griffs quer zur Stockrichtung die Aufschrift „INWA", darunter „Approved by INWA" und nochmals darunter „Made in Finnland" aufscheint. Darüber hinaus befindet sich in Längsrichtung eine den Namen des finnischen Herstellers enthaltende Typenbezeichnung sowie ein Verweis auf eine Website (www.nordicwalking.com ) sowie Angaben zur Beschaffenheit der Stöcke und die Daten der beklagten Partei (deren Etablissementbezeichnung). Der Beklagte bewirbt die Stöcke auch im Internet, wobei eine Abbildung samt Beschreibung zu sehen ist, bei der aber kein Hinweis auf die Bezeichnung „INWA" zu erkennen ist.

Der Vizepräsident des finnischen Herstellers hat bereits am 20. August 2000 beim finnischen Patent- und Registeramt in Helsinki einen „Internationalen Verein für Nordic Walking-International Nordic Walking Association" angemeldet. Für diesen Verein, der auch unter der Abkürzung „INWA" auftritt, wurde Anfang 2001 eine die Abkürzung „INWA" enthaltende Wortbildmarke entwickelt.

Der Beklagte hat in Österreich den Verein „Internationale Nordic Walking Association" mit dem Sitz in G***** angemeldet, dessen Bildung gemäß Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 14. Juni 2002 nicht untersagt wurde.

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger, dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, mit dem Markennamen „INWA" versehene Gegenstände anzubieten und/oder zu vertreiben, sofern der Kläger zur Verwendung dieser Marke keine Zustimmung erteilt hat. Der Kläger stützt sich auf das von ihm erworbene Markenrecht und behauptet, niemandem, insbesondere weder dem Beklagten noch dem finnischen Hersteller der Nordic Walking Stöcke, das Recht zur Verwendung seiner Marke eingeräumt zu haben.

Der Beklagte wendete ein, die Marke des Klägers sei nur für die Klassen 16, 25, 28, 41 und 44 registriert. Die Klasse 28 erfasse Sportartikel nur insoweit, als die angeführten Artikel nicht bereits in einer anderen Klasse enthalten seien. Die Klasse 18 umfasse Spazierstöcke, Bergstöcke, Sitzstöcke und Stockgriffe, weshalb die vom Kläger registrierte Marke für die gegenständlichen Nordic Walking Stöcke keine Schutzwirkung entfalte. Verwechslungsgefahr habe der Kläger nicht einmal behauptet. Darüber hinaus habe der Kläger seine Marke sittenwidrig erworben, es liege der Löschungstatbestand der Agentenmarke im Sinn des § 30a MSchG vor. Der Name „INWA" als Abkürzung für International Nordic Walking Association werde seit dem Jahr 2000 als Abkürzung für einen in Finnland gegründeten Verein verwendet, darüber hinaus auch vom finnischen Hersteller der gegenständlichen Nordic Walking Stöcke sowie seiner 100-%igen Vertriebstochter in Deutschland. Für diese sei der Kläger auch tätig geworden; ihm sei daher bekannt, dass das finnische Mutterunternehmen bereits 1997 offiziell Nordic Walking Stöcke einem breiten Publikum vorgestellt, die International Nordic Walking Association ua durch ihren Vizepräsidenten gegründet habe und eine entsprechende Markenregistrierung beabsichtigt gewesen sei. Der Kläger sei auf Grund seiner Tätigkeit für den finnischen Hersteller zur Wahrung dessen geschäftlicher Interessen verpflichtet gewesen, das Vertriebsunternehmen des finnischen Herstellers habe das Zeichen im Ausland schon seit dem Jahr 2000 gebraucht. Der Beklagte habe die Stöcke direkt vom finnischen Hersteller bezogen, weshalb ihm auch der Einwand des sittenwidrigen Markenrechtserwerbs zustehe. Das Sicherungsbegehren sei darüber hinaus zu weit gefasst. Der Beklagte verkaufe die Stöcke unter Verwendung der Marke des finnischen Herstellers sowie dessen Produktbezeichnung, der Hinweis „Approved by INWA" sei ein Prüfzeichen und kein Markengebrauch.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Klasse 28 der auch für Österreich gültigen Klassifikation von Nizza umfasse zwar grundsätzlich Turn- und Sportartikel, jedoch nur soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten seien. Es komme nicht auf die Qualifikation des Gegenstands nach dem Gebrauchszweck an, sondern nur darauf, ob ein derartiger Artikel in einer anderen Klasse enthalten sei. In der Klasse 18 seien Spazierstöcke enthalten, daher auch die hier gegenständlichen Nordic Walking Stöcke. Dem Kläger komme daher kein Schutz nach § 10 Abs 1 Z 1 MSchG zu.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung. Nordic Walking Stöcke seien nicht technisch derart auf die Ausübung einer bestimmten Sportart ausgerichtet, dass sie nicht mehr als Spazierstöcke bezeichnet und verwendet werden könnten. Es komme bei der Klassifikation der Waren nicht auf die Qualifikation des Gegenstands nach dem Gebrauchszweck an. Auch sei fraglich, ob es sich bei der Beschriftung mit „INWA Approved by INWA" um einen Markengebrauch handle, weil diese Markierung als Prüfzeichen nicht auf die Herkunft der Nordic Walking Stöcke abstelle. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist wegen fehlender Rsp des Obersten Gerichtshofs zu einer vergleichbaren Klassifizierungsfrage zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

§ 10 Abs 1 Z 1 MSchG gewährt (in Umsetzung von Art 5 MarkenRL 89/104/EWG) dem Markeninhaber Rechte gegenüber demjenigen, der ein mit der Marke gleiches Zeichen (Art 5 MarkenRL: identisches Zeichen) für solche Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen gleich (Art 5 MarkenRL: identisch) sind, für die die Marke eingetragen ist.

Bei der Prüfung der Warenidentität ist, ebenso wie bei der Prüfung der Warenähnlichkeit, bei eingetragenen Marken das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis maßgebend (s 4 Ob 18/02d = ecolex 2002, 44 - OPUS ONE mwN). Die im Warenverzeichnis verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach objektivem Verkehrsverständnis auszulegen (4 Ob 18/02d mwN; Ströbele/Hacker, dMarkenG7 § 9 Rn 90 f mwN). Im Übrigen ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen, ob die Waren oder Dienstleistungen gleich (ähnlich) sind (4 Ob 18/02d mwN; Ströbele/Hacker aaO Rn 92 f). Als relevante Faktoren kommen dabei insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck, ihrer Vertriebsstätte und Nutzung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht (4 Ob 18/92d mwN). Die Klasseneinteilung der internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für Fabrik- oder Handelsmarken gemäß dem Abkommen von Nizza vom 15. 6. 1957 (abgedruckt bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz², 2141 ff; Kucsko, Geistiges Eigentum 358 ff) sieht, falls eine Ware mit Hilfe der Klasseneinteilung, der erläuternden Anmerkungen oder der alphabetischen Liste nicht qualifiziert werden kann, für Fertigwaren eine Klassifizierung grundsätzlich nach ihrer Funktion oder Bestimmung vor. Wenn dieses Kriterium in der Klasseneinteilung nicht vorgesehen ist, werden Fertigwaren in Analogie zu anderen vergleichbaren in der alphabetischen Liste genannten Fertigwaren klassifiziert. Falls keine entsprechende Position gefunden werden kann, sind andere untergeordnete Kriterien heranzuziehen, wie zB das Material, aus dem die Waren hergestellt sind, oder ihre Wirkungsweise.

Die Klasse 28 umfasst Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, sowie Christbaumschmuck. Nach den erläuternden Anmerkungen enthält diese Klasse insb Angelgeräte und Geräte für verschiedene Sportarten und Spiele. Nicht enthalten sind Christbaumkerzen (Klasse 4), Taucherausrüstungen (Klasse 9), elektrische Christbaumbeleuchtungen (Ketten) (Klasse 11), Fischereinetze (Klasse 22), Gymnastik- und Sportbekleidung (Klasse 25) sowie Zucker- und Schokoladewaren als Christbaumschmuck (Klasse 30).

Die Klasse 18 enthält Leder- und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren. Diese Klasse enthält im Wesentlichen Leder, Lederimitationen, Reisebedarfsartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, sowie Sattlerwaren; sie enthält insbesondere nicht Bekleidungsstücke (siehe alphabetische Warenliste).

Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung sind Nordic Walking Stöcke nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung und bei gebotener objektiver generalisierender Betrachtungsweise sowie unter Berücksichtigung der primär heranzuziehenden Funktion und Zweckbestimmung nicht als Spazierstöcke zu betrachten. Spazierstöcke werden regelmäßig nicht paarweise verwendet; ein Nordic Walking Stock ist auf Grund seiner funktionsbedingten Überlänge in der Regel auch gar nicht geeignet, als Spazierstock zu dienen. Dazu kommt, dass die Klasse 18 in erster Linie auf das Ausgangsmaterial (Leder, Lederimitation, Häute, Felle) und den Hersteller (Sattler) abstellt; industriell gefertigte Nordic Walking Stöcke aus modernen Materialien wie Kohlenstofffasern weisen dazu in keinem der beiden Kriterien eine auch nur entfernte Nahebeziehung auf. Nordic Walking Stöcke fallen damit als Turn- und Sportartikel in die Klasse 28. Der vom Kläger unter Berufung auf § 10 Abs 1 Z 1 MSchG angestrebte Markenschutz kann daher nicht mangels Warenidentität versagt werden.

Angesichts der als bescheinigt angenommenen Bezeichnung der vom Beklagten vertriebenen Nordic Walking Stöcke mit dem der Wortmarke des Klägers gleichen Zeichen „INWA" erweist sich auch der Einwand des Beklagten als unberechtigt, es liege keine Benutzung eines Zeichens im Sinn des § 10a MSchG vor. Das Anbringen des Zeichens auf der Ware ist nach § 10a Z 1 MSchG eine der Benutzungsarten, die als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung anzusehen sind. Daran vermag auch der Zusatz „approved by INWA" nichts zu ändern. Das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers wird auch dann verletzt, wenn die Marke als Kennzeichen einer Vereinigung verwendet wird, die Nordic Walking Stöcke prüft.

Zu prüfen bleibt noch der - von den Vorinstanzen auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Ansicht zur Klasseneinordnung von Nordic Walking Stöcken bislang nicht behandelte - Einwand des Beklagten, der Markenrechtserwerb des Klägers sei sittenwidrig.

Als sittenwidrig hat der Oberste Gerichtshof einen Markenrechtserwerb zunächst in den Fällen beurteilt, in denen der Erwerber - in welcher Weise auch immer - zur Wahrung der geschäftlichen Interessen eines anderen, der das Zeichen schon gebraucht hat, verpflichtet ist und dessen ungeachtet das Markenrecht an diesem oder einem ähnlichen Zeichen für gleiche oder gleichartige Waren ohne Zustimmung des bisherigen Benützers erwirbt. Aber auch der Versuch, den Hersteller - zu dem keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestand - durch Registrierung einer Marke beim Vertrieb gleichartiger Erzeugnisse im Inland auszuschalten, wurde als sittenwidriges Erschleichen des Markenrechts erkannt. Die Anmeldung und der Erwerb eines Kennzeichenrechtes kann aber auch dann einen unzulässigen Behinderungswettbewerb nach § 1 UWG bedeuten und damit den Markenrechtserwerb sittenwidrig werden lassen, wenn ein schutzwürdiger Besitzstand des Vorbenutzers an dem Kennzeichen nicht besteht. Die Anmeldung zur Eintragung einer Marke kann nämlich schon dann wettbewerbswidrig sein, wenn der Anmelder beabsichtigt, eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Eine sittenwidrige Wettbewerbsbehinderung hat auch nicht zur Voraussetzung, dass die Behinderungsabsicht der einzige Beweggrund des Anmelders ist; es genügt vielmehr, wenn es sich um ein wesentliches Motiv handelt (4 Ob 128/01d = ÖBl 2002/48 - Silberpfeil mwN; 4 Ob 310/98m = ÖBl 2000, 25 - Pinkplus ua).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgebracht, der Kläger wäre auf Grund seiner Zusammenarbeit mit dem Hersteller der Nordic Walking Stöcke verpflichtet gewesen, dessen Interessen zu wahren. Die Markenanmeldung des Klägers behindere den Vertrieb der Stöcke in Österreich, weil der Hersteller ein der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen entwickelt habe. Sollte es dem Beklagten gelingen, den behaupteten Sachverhalt zu bescheinigen, so wäre das Vorgehen des Klägers als sittenwidrig zu beurteilen. Eine Berufung auf die Rechte aus der Marke wäre damit ausgeschlossen.

Das Erstgericht wird die vom Beklagten zum Sittenwidrigkeitsvorwurf behaupteten Umstände zu prüfen und - allenfalls nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens - Feststellungen zu treffen haben, die eine abschließende Beurteilung des vom Kläger erhobenen und auf sein Markenrecht gestützten Unterlassungsanspruchs ermöglichen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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