OGH 11Os42/05v

OGH11Os42/05v7.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred L***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 12. Jänner 2005, GZ 24 Hv 130/04d-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred L***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 1 vierter und fünfter Fall SMG (Punkt A I 1 des Urteilstenors), des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG (A I 2), der Vergehen nach § 27 Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (A II), § 28 Abs 1 SMG (A III) und § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (A IV) sowie des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt. Danach hat er

(zu A) den bestehenden Vorschriften zuwider in Aigen im Mühlkreis und an anderen Orten

I) ein Suchtgift in einer großen Menge

1) aus- und eingeführt, indem er von April 2004 bis 18. Mai 2004 mit einem PKW gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Mihail M***** drei Platten (á 200 Gramm) Cannabisharz (54 Gramm Reinsubstanz) von Holland nach Österreich schmuggelte;

2) in Verkehr gesetzt, indem er am 18. Mai 2005 mindestens 276,2 Gramm Cannabisharz (26,5 Gramm +/- 0,96 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz) an die Brüder Johnny und Jimmy Lö***** um 800 EUR und um Übergabe eines gebrauchten Wohnmobiles verkaufte;

II) gewerbsmäßig von Februar 2004 bis April 2004 in drei Teilmengen je 40 Gramm, insgesamt somit ca 120 Gramm Cannabiskraut zum Preis von 280 EUR je Teilmenge an Willibald E***** verkaufte;

III) ein Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 19. Mai 2005 weitere 196,8 Gramm Cannabisharz (20,7 +/- 0,7 Gramm delta-9-THC Reinsubstanz) unter dem Boden seines aufgebockten Wohnwagens in einem Versteck „bunkerte";

IV) weiteres Suchtgift erworben, besessen und anderen unentgeltlich überlassen, indem er von etwa 11. Dezember 2001 bis 19. Mai 2004 eine insgesamt unbekannte Menge Cannabisharz gelegentlich teils alleine, teils gemeinsam mit Reinhold S*****, Willibald E***** und Jimmy und Johnny Lö***** sowie dreimal im Mai 2004 mit Bianca A***** konsumierte, und am 19. Mai 2004 weitere 109,3 Gramm Cannabisharz und ca 20 Gramm Cannabiskraut besaß;

(zu B) Anfang Mai 2004 bis 19. Mai 2004 in Ried im Innkreis mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausgenützt, indem er die am 6. April 1985 geborene Bianca A***** in das Bordell „Grottenbar" vermittelte und den Schandlohn von wöchentlich ca 900 EUR kassierte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch, wie die Staatsanwaltschaft, den Strafausspruch mit Berufung anficht.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO kritisiert der Beschwerdeführer die Verlesung des Protokolls über die (im Vorverfahren erfolgte: ON 10) Vernehmung des Zeugen Mihail M***** vom 26. Mai 2004 in der Hauptverhandlung und dessen Verwertung im Urteil, obgleich diese Vernehmung nichtig sei, weil der Zeuge auf sein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO weder hingewiesen worden sei noch darauf verzichtet habe.

Dabei übersieht die Beschwerde zum einen, dass der Zeuge, über sein Entschlagungsrecht belehrt, durch die Erklärung „ich will aussagen" (S 119) auf sein Aussageverweigerungsrecht ausdrücklich verzichtet hatte, zum anderen aber, dass mit dem relevierten Nichtigkeitsgrund nur in der Hauptverhandlung unterlaufene mit Nichtigkeit bedrohte Verfahrensfehler geltend gemacht werden können.

Die Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 2 begründende Verlesung eines (vermeintlich) nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsaktes in der Hauptverhandlung hinwieder setzt eine Verwahrung des Beschwerdeführers gegen die Verlesung voraus, die im vorliegenden Fall nicht erfolgte. Im Gegenteil: Nach dem unwidersprochen gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll (S 256) wurden die Aussagen des Mihail M***** vor der Gendarmerie (S 79 ff) und vor dem Untersuchungsrichter (ON 10) gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverständlich verlesen.

Dem in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand der Aktenwidrigkeit der Feststellung, der Beschwerdeführer sei in Holland gewesen und habe dort Cannabis gekauft, ist zunächst entgegenzuhalten, dass dieser Begründungsmangel nur dann gegeben ist, wenn das Gericht eine (schuld- oder subsumtionsrelevante) Urteilsannahme auf ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel stützt, dieses aber unrichtig oder sinnentstellt wiedergibt. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der Zeuge Reinhold S***** habe solche Konstatierungen rechtfertigende Aussagen nicht gemacht, wird übersehen, dass die Tatrichter die inkriminierte Feststellung primär auf die für glaubwürdig gehaltenen Angaben des Zeugen Mihail M***** stützten (US 7 f), der den Beschwerdeführer als dessen Chauffeur insgesamt dreimal mit dem PKW nach Holland brachte und annahm, „dass es um Drogen geht", wobei er das tatsächlich nach Österreich transportierte Cannabis bei der letzten Fahrt auch gesehen hat (S 119 ff). Der bloße Hinweis der Tatrichter (auch) auf die als „eindeutig belastend" bezeichneten Angaben des Reinhold S***** (US 7), der angegeben hatte, der Beschwerdeführer habe ihm gegenüber geäußert, „dass er das Cannabis nicht in Österreich kauft, da es zu teuer ist" und „er kauft dieses nur im Ausland" (S 131), vermag demzufolge, zumal darin kein Widerspruch zu den Urteilskonstatierungen zu erkennen ist, Aktenwidrigkeit nicht zu begründen.

Keineswegs unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) sind der Beschwerde zuwider die unter Heranziehung der Angaben der Zeugin Bianca A***** vor der Sicherheitsbehörde getroffenen Feststellungen des Schöffengerichtes zum Urteilsfaktum B. Dass die Tatrichter den entlastenden Angaben dieser Zeugin in der Hauptverhandlung unter anderem auch auf Grund des dort gewonnenen persönlichen Eindrucks keinen Glauben schenkten, ist ein Akt freier richterlicher Beweiswürdigung, dessen Bekämpfung allein durch eigene Beweiswerterwägungen im Nichtigkeitsverfahren unzulässig ist. Mit dem Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) versucht die Beschwerde unter selektivem Hervorheben einzelner Passagen der Aussagen der Zeugen Mihail M***** und Bianca A***** sowie eigenständiger Bewertung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht statthaften Art in Frage zu stellen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Dazu sind auch das Unterbleiben der allein von der Staatsanwaltschaft, nicht auch von der Verteidigung beantragten Vernehmung des Siegfried Ach***** und die spekulativen Überlegungen über dessen Aussageverhalten nicht geeignet.

Unter Berücksichtigung der vom Vorbringen der Tatsachenrüge vernachlässigten Gesamtheit der Erwägungen der Tatrichter zur Annahme gewerbsmäßigen Vorgehens im Schuldspruchfaktum A II werden auch daran keine erheblichen Bedenken dargetan. Neben den zutreffenden Hinweisen auf die Notorietät der Tatsache, dass Cannabiskraut am Suchtgiftmarkt stets günstiger angeboten wird als Cannabisharz sowie auf die vollkommen lebensfremde Verantwortung, das Cannabiskraut sei mit einem Verlust von 2 EUR pro Gramm verkauft worden, und auf die Aussage des Mihail M*****, wonach „L***** seine Suchtgiftgeschäfte nicht umsonst macht", errechneten die Tatrichter den Mindestgewinn von 1 EUR pro Gramm, sohin von insgesamt 120 EUR binnen zwei Monaten aus dem Vergleich der eigenen Angaben des Beschwerdeführers über Ein- und Verkaufspreise (US 10) und verwiesen zur Absicht, sich eine fortlaufende (Neben-)Einnahmequelle zu verschaffen, nachvollziehbar auch auf die äußerst angespannte finanzielle Situation des Beschwerdeführers (US 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte