OGH 15Os39/05g

OGH15Os39/05g2.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Muhammed Ali K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 2, 129 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Muhammed Ali K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 27. Jänner 2005, GZ 39 Hv 80/04t-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im den Angeklagten Muhammed Ali K***** betreffenden Schuldspruch und Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der genannte Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Martin Ko***** enthält, wurde Muhammed Ali K***** des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 2, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 15. März 2004 in Kaltenleutgeben versucht, Verfügungsberechtigten der R***** Pressbaum-Breitenfurt durch Aufbrechen eines Bankomaten, sohin eines Behältnisses, 100.000 Euro Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; diese ist im Recht. Zutreffend zeigt die Mängelrüge auf, dass das Schöffengericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung ein erhebliches, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis unberücksichtigt gelassen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421).

Die Tatrichter stützten ihre Konstatierungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers in erster Linie auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Angeklagten Martin Ko***** in Zusammenhalt mit dem - dessen Zurechnungsfähigkeit, Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit trotz Vorliegens einer geistigen Einschränkung bejahenden - neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. P***** (US 6, 8 iVm S 159). Der Experte sah keine Hinweise für Hypothesen, wonach die Belastung des Beschwerdeführers durch den Zweitangeklagten auf einem Phantasiegebilde beruhe oder auf ein rein infantiles Wohlgefälligkeitsverhalten zurückzuführen sei (S 163 f). Dabei hat das Schöffengericht jedoch die - erst nach Abschluss des Sachverständigengutachtens - abgelegte, den Ausführungen des Gutachters entgegen stehende Aussage des Zeugen Hans Ko***** mit Stillschweigen übergangen. Dieser Zeuge sagte aus, dass sein Sohn ständig phantasiere und lüge, sodass er ihn nicht mehr ernst nehme (S 173 f). Trotz Anwesenheit des Sachverständigen während der Zeugenvernehmung erfolgte keine Ergänzung des Gutachtens. Weil sich die Tatrichter mit der gegen die Glaubwürdigkeit des den Beschwerdeführer belastenden Angeklagten Martin Ko***** sprechenden Zeugenaussage nicht auseinandergesetzt haben und es im konkreten Fall nicht auszuschließen ist, dass sie bei deren Berücksichtigung zu anderen Feststellungen gelangt wären, liegt eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421 ff), sodass die Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden war (§ 285e StPO). Mit seiner Berufung war der Angeklagte Muhammed Ali K***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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