OGH 15Os44/05t

OGH15Os44/05t10.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in der Strafsache gegen Michael K***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 20. Dezember 2004, GZ 20 Hv 36/04w-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung (§ 60 Abs 1 OGH-Geo) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Michael K***** wurde der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. Jänner und 5. Mai 2004 (laut US 4 bis 6 und 8: 2003) in Mariazell

(1) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich seiner am 10. Oktober 1998 geborenen Tochter Katharina K***** vorgenommen, indem er diese mit der Hand an der Scheide berührte und kitzelte;

(2) durch die zu 1) beschriebenen Taten mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4, 5, 5a, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich bereits aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund als zielführend. Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte am 8. Jänner 2003 und 5. Mai 2003 (vgl dazu den Schuldspruch mit Datum 2004 auf US 2) jeweils am Abend, nachdem er sich mit seiner Tochter Katharina in ein großes Bett gelegt hatte, diese an der Scheide berührt und gekitzelt (US 4 und 5).

Wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend geltend macht, fehlen in den Entscheidungsgründen weitere Feststellungen zur zeitlichen Dauer der Berührung, Intensität, Präzision und Zielsicherheit der Berührung ebenso wie zur subjektiven Tatseite.

Da von Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Missbrauchs nur dann gesprochen werden kann, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifische eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine - nicht bloß flüchtige und sexual sinnbezogene - Berührung gebracht werden, wären nach Lage des Falles zur verlässlichen Beurteilung des Sachverhaltes bei Berührung der Scheide der 1998 geborenen Tochter die Feststellung der Dauer der angelasteten Missbrauchshandlung sowie deren Intensität, Präzision und Zielsicherheit geboten, um beurteilen zu können, ob nicht bloß flüchtige und oberflächliche, demnach straflose Berührungen vorliegen (RIS-Justiz RS0095186). Derartige Konstatierungen sind dem bekämpften Urteilen nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus lässt das Ersturteil jegliche Feststellung zur subjektiven Tatseite vermissen. Der Mangel an Konstatierungen über den Vorsatz des Täters bei Vorsatzdelikten begründet Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a (Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 281 Z 9a E 12, 15 Os 4/96).

Die aufgezeigten Urteilsfehler machen eine gänzliche Verfahrenserneuerung in Bezug auf die dem Angeklagten zur Last gelegten strafbaren Handlungen unumgänglich, sodass ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte nicht erforderlich war. Gemäß § 285e StPO war daher bei nichtöffentlicher Beratung der zum Vorteil des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung (wegen Strafe und wegen des - unter dem Titel der Beschwerde bekämpften - Zuspruchs an die Privatbeteiligte) war der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die durch die Aufhebung des Schuldspruchs bedingte Kassierung des Strafausspruchs zu verweisen.

Stichworte