OGH 11Os31/05a (11Os32/05y)

OGH11Os31/05a (11Os32/05y)3.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Emin Y***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hüseyin C***** und Astrit H***** sowie die Berufungen der Angeklagten Emin Y*****, Yalcin Y*****, Arsim H*****, Ladislav I*****, Lubomir K***** sowie der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Urteile des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29. November 2004, GZ 447 Hv 4/04y-365, und vom 13. Dezember 2004, GZ 447 Hv 4/04y-388, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Hüseyin C***** und Astrit H***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit den erstangefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Hüseyin C***** der Verbrechen (zu B II 3 bis 8) „des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes als Beteiligter" nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall, 15 StGB, (zu C I, II 2, III 1) des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster Satz zweiter Fall, zweiter Satz erster Fall, und 15 StGB sowie (zu D) des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB, mit dem zweitangefochtenen Urteil Astrit H***** (zu A II 1) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB, (zu B III 1 und 2) des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter und (soweit verfehlt, siehe unten) dritter Fall, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB, (zu C II 2) des versuchten Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 erster Satz zweiter Fall StGB sowie (zu D) des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach haben in Wien - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung -

Hüseyin C***** unter anderem in insgesamt sechs im Urteil näher beschriebenen Fällen (B II 3 bis 8) zwischen 21. Februar und 4. April 2004 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (zu ergänzen: unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung) auf im Urteil dargetane Weise zur Ausführung verschiedener näher beschriebener Raubtaten durch die unmittelbaren Täter beigetragen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen anderen fremde bewegliche Sachen abgenötigt werden, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

Astrit H***** unter anderem (zu A II 1) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich am 6. März 2004 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Yalcin Y***** als Mittäter Sabine S***** und Adrienn S***** Bargeld aus der Tageslosung der Firma B*****, indem Y***** das ihm von H***** übergebene Messer gegen den Körper von S***** und S***** richtete und sie die Übergabe von Geld forderten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die genannten Urteile richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hüseyin C***** und Astrit H*****, die des Erstgenannten gestützt auf § 345 Abs 1 Z 13 StPO, jene des Zweitgenannten gestützt auf § 345 Abs 1 Z 1, 5 und 9 StPO; beide schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*****:

Der Sanktionsrüge (Z 13) zuwider hat der Schwurgerichtshof mit der Wertung der „Tatwiederholung" einerseits und des Zusammentreffens von „zwei Verbrechen und einem Vergehen" andererseits nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, wurde der Beschwerdeführer doch wegen insgesamt sieben Verbrechen und eines Vergehens schuldig erkannt und kann sich daher durch die vom Erstgericht gewählte Bezeichnung des Zusammentreffens der sechs Verbrechen des schweren Raubes als „Tatwiederholung" nicht für beschwert erachten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****:

Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet eine Ausgeschlossenheit der erkennenden Richter gemäß § 68 Abs 2 StPO, weil diese in derselben Sache bereits in der (sodann zur Entscheidung über den Beschwerdeführer vertagten) Hauptverhandlung vom 29. November 2004 ein Urteil über weitere Angeklagte gefällt hatten, vernachlässigt aber dabei den klaren Inhalt der zitierten Gesetzesstelle, dessen taxativer Aufzählung zufolge (nur) die Tätigkeit als Untersuchungsrichter in derselben Sache, die Teilnahme an der Entscheidung über einen Anklageeinspruch oder die Teilnahme an einer Hauptverhandlung, die infolge einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung wiederholt werden muss, Ausgeschlossenheit begründet. Keine dieser oder der weiteren in § 68 (Abs 1 und Abs 3 bis Abs 5) StPO bezeichneten Konstellationen liegt hier vor (vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 128).

Die Verfahrensrüge (Z 5) scheitert bereits daran, dass der bloße Verweis des Verteidigers eingangs der Hauptverhandlung vom 13. Dezember 2004, „dass der Gerichtshof und die Geschworenen befangen seien" (S 5/IX) keinerlei inhaltliche Begründung iSd Konkretisierungserfordernisses des § 73 letzter Satz StPO enthielt (vgl Lässig, WK-StPO § 73 Rz 5). Im Übrigen behauptet nicht einmal die Beschwerde das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich die erkennenden Richter bei ihrer Urteilsfällung am 29. November 2004 nicht nur eine Meinung über den Fall des Beschwerdeführers gebildet hätten, sondern auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt gewesen seien, von dieser abzugehen. Erst dann stünde aber eine Befangenheit im Sinn der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche psychologische Motive in Rede (Lässig, WK-StPO § 72 Rz 1). Die Rüge nach Z 9 behauptet eine Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit des Wahrspruchs der Geschworenen zur Hauptfrage A II 1, weil diese die Textpassage, wonach auch „Astrit H***** das Messer gegen diese (die Raubopfer) richtete", gestrichen haben. Damit komme zum Ausdruck, dass der Tatbeitrag des Beschwerdeführers lediglich darin bestanden habe, Yalcin Y***** ein Messer gegeben zu haben, das dieser im Zuge des Raubes verwendet habe, sodass ein Konnex zwischen dem Angeklagten H***** und der Raubtat nicht erkennbar sei und der Vorwurf der Verwendung einer Waffe in Widerspruch zur dargestellten Textstreichung stehe. Dabei geht die Beschwerde jedoch nicht vom gesamten Inhalt des Wahrspruchs aus, vernachlässigt sie doch, dass die - im Übrigen auch zur subjektiven Tatseite der Zurechnung der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB richtig belehrten (S 11 f der Rechtsbelehrung) - Geschworenen durch ihre Beantwortung der bezeichneten Hauptfrage davon ausgegangen sind, dass der Beschwerdeführer und sein Komplize von ihren Opfern die Übergabe von Geld forderten, während der Angeklagte Y***** das ihm vom Angeklagten H***** übergebene Messer gegen sie richtete.

Bemerkt wird zum Schuldspruch des Angeklagten H***** zu B III 2, dass bei mehrfacher Beteiligung ein und desselben Täters an der selben Tat die Beitragstäterschaft in der Bestimmungstäterschaft aufgeht, erstere zu letzterer materiell subsidiär ist (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 112). Die Annahme des Geschworenengerichts, der Angeklagte habe zu diesem Punkt das Verbrechen des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB begangen, ist daher rechtlich verfehlt. Einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bedurfte es aber fallbezogen mangels Wertung der fälschlich angenommenen zweifachen Tatbegehungsform als erschwerend nicht (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 24, 25; 15 Os 30/05h). Die teils nicht gesetzmäßig ausgeführten, teils offenbar unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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