OGH 1Ob57/05x

OGH1Ob57/05x12.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz K*****, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der F***** Gesellschaft m. b. H., *****, wider die beklagten Parteien 1) August J*****, und 2) Margarethe J*****, beide vertreten durch Dr. Peter R. Föger, Mag. Hanno Pall und Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwälte in Jenbach, wegen 30.850,74 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2005, GZ 1 R 251/04b-25, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In einem Begehren des Masseverwalters auf Erfüllung eines erst teilweise erfüllten Vertrags wird die Ausübung des dem Masseverwalter nach § 21 Abs 1 KO zustehenden Wahlrechts erblickt Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Masseverwalter bei seinem Begehren auf Vertragserfüllung zunächst zum Ausdruck bringt, der Gemeinschuldner habe seiner Auffassung nach den Vertrag bereits voll erfüllt, sodass § 21 KO nicht anwendbar sei (7 Ob 227/00h = RdW 2001/682; 4 Ob 541/88 = SZ 61/170). Die Erklärung des Masseverwalters nach § 21 Abs 1 KO ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung; sie ist jedoch an keine bestimmte Form gebunden und kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden (4 Ob 2119/96p = SZ 69/117 mwN). Aus dieser - in zweiter Instanz beachteten - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erhellt, dass die Ansicht des Berufungsgerichts, der Masseverwalter habe - nach den Umständen dieses Falls - letztlich von seinem Rücktrittsrecht gemäß § 21 Abs 1 KO Gebrauch gemacht, zumindest nicht auf einer krassen Fehlbeurteilung als Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision beruht.

2. Es entspricht ferner einer bereits gefestigten Linie der Rechtsprechung, dass der Rücktritt von einem gerichtlichen Vergleich gemäß § 918 ABGB jedenfalls dann möglich ist, wenn die im Vergleich vereinbarten Leistungspflichten der Parteien synallagmatisch verknüpft sind (5 Ob 65/98i; 3 Ob 210/97x = SZ 70/120). Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die im Austauschverhältnis stehenden Leistungen Zug-um-Zug abzuwickeln sind. Das legen bereits die allgemeinen Erwägungen in der Entscheidung 3 Ob 210/97x nahe, obgleich dort eine Leistungspflicht Zug-um-Zug Gegenstand der Vereinbarung war. Einigten sich die Vertragspartner auf eine Vorleistungspflicht des einen und eine Nachleistungspflicht des anderen, so kann das für sich nichts an einer synallagmatischen Leistungsverknüpfung - wie etwa im Fall werkvertraglicher Pflichten (4 Ob 541/88) - ändern. Vor diesem Hintergrund muss das Rücktrittsrecht hier umso mehr deshalb in Anspruch genommen werden können, weil es sich nicht auf § 918 ABGB, sondern auf § 21 Abs 1 KO stützt. Letztere Norm stellt aber nur auf die Erfüllung zweiseitiger - demnach synallagmatischer - Rechtsgeschäfte ab (7 Ob 2097/96z = ZIK 1997, 60; Gamerith in Buchegger/Bartsch/Pollak, Österr Insolvenzrecht4 § 21 Rz 3 mwN).

3. Es mangelt indes an einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, in der das Rücktrittsrecht des Masseverwalters gemäß § 21 Abs 1 KO ausdrücklich auch auf (gerichtliche) Vergleiche erstreckt worden wäre. Die Frage danach, ob auch (gerichtliche) Vergleiche unter die durch § 21 Abs 1 KO erfassten Rechtsgeschäfte fallen, ließ sich indes bereits auf dem Boden einer Leitlinie der bisherigen Rechtsprechung (7 Ob 2097/96z = ZIK 1997, 60) lösen, wonach sich § 21 Abs 1 KO auf Rechtsgeschäfte bezieht, bei denen die Vertragspartner im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten vereinbarten (s zur Anwendung dieser Leitlinie auf Vergleiche Gamerith aaO). Das entspricht etwa auch der bei identer Insolvenzrechtslage in Deutschland zu Vergleichen herrschenden Ansicht. Danach sind Vergleiche jedenfalls dann als gegenseitige Verträge im Sinne des § 103 Abs 1 dInsO anzusehen, wenn die übernommenen Leistungspflichten „gegenseitig voneinander abhängen" (Huber in MünchKomm InsO [2002] § 103 Rz 82; vgl ferner BGH NJW 1992, 967). Dass der im Anlassfall maßgebende gerichtliche Vergleich nicht im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten der Vertragspartner zum Gegenstand hätte, wird auch in der Revision nicht behauptet, sind doch die Beklagten der Ansicht, ihre Leistungspflicht hänge von der Erfüllung der Vorleistungspflicht durch den Masseverwalter ab.

4. Die Beklagten setzen sich überdies gegen die Ansicht der zweiten Instanz zur Wehr, dass die in der Berufung aufgestellte Behauptung, die Bewirkung der noch erforderlichen Schallschutzmaßnahmen sei unmöglich, weil sie Maßnahmen in Nachbarwohnungen erfordere, eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung sei. Soweit sind die Beklagten lediglich an die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu erinnern, dass die Auslegung einer Prozesserklärung im Einzelfall nur dann revisibel ist, wenn deren Ergebnis fundamentalen Auslegungesregeln - wie etwa im Fall einer Verletzung der Gesetze der Sprache oder der Logik - widerspricht (3 Ob 77/03z; 5 Ob 17/03s = WoBl 2003, 217; je mwN). Ein solcher Beurteilungsfehler des Berufungsgerichts ist jedoch nicht zu erkennen.

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