OGH 1Ob25/05s

OGH1Ob25/05s15.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** GesmbH *****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier und Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Sch***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 20.226,34 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. November 2004, GZ 4 R 109/04k-25, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob im Einzelfall aufgrund der besonderen Umstände eine Klageänderung im Interesse der erwünschten endgültigen und erschöpfenden Beendigung des Streits zuzulassen ist, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung vor, die im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre (2 Ob 236/00w = MietSlg 53.705).

Die Entscheidung des Rekursgerichts bewegt sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach Klagsänderungen tunlichst zuzulassen sind, insbesondere dann, wenn durch sie ein neuer Prozess vermieden und das Ziel der endgültigen und erschöpfenden Bereinigung des Streits erreicht werden kann (SZ 27/167; SZ 47/49; 4 Ob 563/88; 2 Ob 92/00v; 7 Ob 88/00t; 7 Ob 99/04s uva).

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin ist durch die Ergänzung der ursprünglich rechtserzeugenden Tatsachenbehauptung, dass die Forderung der Klägerin aus eigenem Recht zustehe, durch jene, dass die Klägerin (auch) Zessionarin sei, keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu befürchten. Der bisherige, zur Prüfung des geltend gemachten Anspruchs wegen unsachgemäßer Bauführung bzw Bauüberwachung getätigte Verfahrensaufwand, ist auch weiterhin voll verwertbar. Dass allenfalls deutsches Recht Anwendung finden könnte, kann schon infolge Ähnlichkeit der anzuwendenden Normen keine erhebliche Erschwerung bewirken.

Der Ansicht, dass das Erstgericht für das geänderte Klagebegehren (aufgrund einer zwischen den Vertragsteilen geschlossenen und den Zessionar bindenden Gerichtsstandvereinbarung) unzuständig und damit das bisherige Verfahren wertlos sei, ist Folgendes entgegen zu halten:

Die Streitteile haben für den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Beklagten, „der behauptete Ansprüche der Klägerin aus unsachgemäßer Bauführung und unzureichender Bauüberwachung" hinsichtlich eines bestimmten Bauvorhabens „zum Gegenstand haben wird", die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien vereinbart. Die ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit ist eine in der Regel außerhalb des Prozesses geschlossene, somit vorprozessuale Prozesshandlung der Parteien (Simotta in Fasching/Konecny I² § 104 JN Rz 1 mwH). Die Wirksamkeit (Zulässigkeit und Gültigkeit) sowie die Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 104 JN sind nach den Regeln des Prozessrechts zu beurteilen (Simotta aaO Rz 3 mwH). Auf die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist, da diese kein materiellrechtlicher Vertrag ist, primär Prozessrecht anzuwenden. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Auslegung von Verträgen können nach herrschender Meinung nicht unmittelbar herangezogen werden. Soweit das Prozessrecht keine Auslegungsregeln zur Verfügung stellt, ist primär der objektive Erklärungswert festzustellen. Wenn dies nicht ausreicht, ist entsprechend den für alle Rechtsgebiete wirksamen allgemeinen Auslegungsregeln des § 7 ABGB vorzugehen (Simotta aaO Rz 9 mwH). Der objektive Erklärungswert der vorliegenden Gerichtsstandsvereinbarung ist sehr wohl dahin zu verstehen, dass davon alle (behaupteten) Ansprüche der Klägerin aus unsachgemäßer Bauführung und unzureichender Bauüberwachung bei dem in der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich genannten Bauvorhaben umfasst sind. Dass sich diese „Ansprüche" auf aus einem (ausschließlich) zwischen den Streitteilen bestehenden Vertragsverhältnis ableitbare reduzierten, ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Es sind daher vom objektiven Erklärungswert dieser Gerichtsstandsvereinbarung auch der Klägerin zedierte Ansprüche aus „unsachgemäßer Bauführung und unzureichender Bauüberwachung" hinsichtlich des namentlich angeführten Bauvorhabens mitumfasst.

Die Rechtsmittelwerberin vermochte eine Fehlentscheidung des Rekursgerichts, die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs notwendig machte, nicht aufzuzeigen.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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