Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Dem Scheidungsfolgenvergleich der Eltern der Minderjährigen vom 27. 1. 2000 lag ein monatliches Nettoeinkommen des damals geldunterhaltspflichtigen Vaters von 72.000 ATS zu Grunde, die Obsorge kam der Mutter zu. Mit Beschluss vom 28. 7. 2003 wurde der Mutter die Obsorge entzogen und dem Vater übertragen, bei dem das Kind bereits seit Dezember 2002 lebt.
Die Mutter bezog im Jahr 2003 an Kranken- bzw Arbeitslosengeld monatlich durchschnittlich 771,96 EUR, seit 1. 1. 2004 monatlich 724,16 EUR netto.
Der Vater begehrte namens der Minderjährigen, die Mutter für 2003 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 140 EUR und ab 1. 1. 2004 zur Zahlung eines solchen von 130 EUR zu verpflichten.
Die Mutter trat diesem Begehren mit dem Hinweis darauf entgegen, der Vater beziehe ein wesentlich höheres Einkommen, sodass das Kind nicht auf ihre Alimentation angewiesen sei; im Übrigen habe der Vater anlässlich des Obsorgewechsels erklärt, keine Unterhaltszahlungen zu verlangen.
Das Erstgericht entschied antragsgemäß, wobei es von den erwähnten Bezügen der Mutter ausging; ein Unterhaltsverzicht sei nicht möglich.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter keine Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es vertrat die Auffassung, es sei zwar nach einem Teil der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine teilweise oder sogar gänzliche Befreiung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils denkbar, wenn der betreuende Elternteil über ein beträchtlich höheres Einkommen verfüge, sodass die dem Geldunterhaltspflichtigen zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Würdigung der Umstände nicht mehr ins Gewicht falle, doch betrage der vom Erstgericht festgesetzte Unterhaltsbeitrag der Mutter immerhin rund die Hälfte des für 6- bis 10-jährige Kinder maßgeblichen „Regelbedarfssatzes", sodass er durchaus ins Gewicht falle, und habe die Mutter außerdem kein konkretes Vorbringen zur Höhe des Einkommens des Vaters erstattet.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht mit der Begründung für zulässig, es liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vor, ob das Gericht zur amtswegigen Überprüfung des Einkommens des betreuenden Elternteils verpflichtet sei und ob bei einem möglichen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von rund der Hälfte des Regelbedarfssatzes diese Alimentierung nicht mehr ins Gewicht falle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.
1. Im Hinblick auf das Entscheidungsdatum des Erstgerichts kommen die Bestimmungen des AußStrG 2003, BGBl I 111/2003, über den Revisionsrekurs (§§ 62 bis 71) noch nicht zur Anwendung (§ 203 Abs 7), sodass auf die in § 68 Abs 1 AußStrG 2003 zwingend vorgesehene Einräumung der Möglichkeit zur Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung vorliegendenfalls noch nicht Bedacht genommen werden muss.
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStrG 1854) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG 1854 ab:
2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit mehrfach die Auffassung vertreten hat (8 Ob 651/90 = EFSlg 64.966 ua), dass dann, wenn der die Kinder betreuende Elternteil über ein im Vergleich zum anderen Ehegatten beträchtlich höheres Einkommen verfüge, aus dem der Unterhalt derselben zur Gänze oder zum Großteil geleistet werde oder geleistet werden könne, sodass die dem anderen Teil - auf Grund seines Einkommens nur im Bereich des Existenzminimums - zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Betrachtung aller Umstände nicht mehr ins Gewicht falle, dies auch zu einer gänzlichen Befreiung des an sich geldunterhaltspflichtigen Elternteiles von der Alimentationspflicht führen könne. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit aber mehrfach klargestellt (SZ 73/133; 9 Ob 80/01g = EFSlg 99.236), dass die erhöhte Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils - von krassen Ausnahmen abgesehen - nicht zu einer Verminderung des vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalts führen dürfe, weil das Gesetz unmissverständlich die primäre Geldunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils nach dessen Leistungsfähigkeit anordne; nur wenn diese nicht bestehe, sei der betreuende Elternteil heranzuziehen; der für wesentlich erachtete Einkommensvergleich sei eine Billigkeitserwägung, die ihren wahren Grund im Verhältnis der Eltern zueinander habe; darauf könne es bei der Beurteilung des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegenüber dem nicht betreuenden Elternteil aber nicht ankommen; diesem gegenüber habe das Kind Anspruch auf Geldunterhalt entsprechend dessen Leistungsfähigkeit.
Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (1 Ob 16/02p = JBl 2002, 516; 1 Ob 176/04w), allerdings auch zum Ausdruck gebracht, dass die ältere, auf der Entscheidung 8 Ob 651/90 basierende Rechtsprechung durchaus zutreffend gewesen, in der Folge jedoch über Gebühr dahin ausgedehnt worden sei, dass sich ein auch durchaus leistungsfähiger geldunterhaltspflichtiger Elternteil auf eine Reduzierung seiner Unterhaltpflicht wegen des beträchtlichen Unterschieds zwischen seinem und dem Einkommen des anderen Elternteils berufen habe dürfen; für eine derartige Ausdehnung habe aber keine gesetzliche Handhabe bestanden.
Geht man vorliegendenfalls davon aus, dass die der Mutter auferlegten Unterhaltsbeiträge jeweils etwa dem halben, an sich für die Minderjährige geltenden „Regelbedarf" entsprechen, ist die vom Rekursgericht vertretene Auffassung, von derartigen Unterhaltsbeiträgen könne nicht mehr gesagt werden, dass sie im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht ins Gewicht fielen, nicht zu beanstanden.
3. Der Oberste Gerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0013458) einen weiteren Anhaltspunkt für die Prüfung der Belastbarkeit des geldunterhaltspflichtigen Elternteils in den Pfändungsfreibeträgen von Arbeits- und Pensionseinkommen (§ 291b EO). Es könne - ohne eine dem Zweck der Unterhaltsbemessung abträgliche, allzu aufwendige Stoffsammlung - jener Teil des durchschnittlichen Nettoeinkommens des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, der ihm auch im Fall der exekutiven Durchsetzung des Unterhaltstitels verbleiben müsse, als Anhaltspunkt genommen werden; dieser Teil sei - nur überschlagsmäßig, wie es einem nur als Orientierungshilfe dienenden Kriterium entspreche - zu ermitteln, bilde aber keine „starre Untergrenze"; bis zu diesem Betrag könne die Unterhaltsbemessung jedenfalls voll ausgeschöpft werden, was insbesondere bei relativ niedrigen Einkommen und mehreren Sorgepflichten notwendig sei.
Die Mutter gesteht nun in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich zu, dass ihr monatliches Nettoeinkommen „nahe dem Existenzminimum" liege, wobei sie allerdings erkennbar auf jenes nach § 291a EO abstellt und übersieht, dass nach § 291b Abs 1 und 2 EO bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen dem Verpflichteten (lediglich) 75 % des unpfändbaren Freibetrags nach § 291a EO zu verbleiben haben und ihm für jene Personen, die Unterhaltsansprüche geltend machen, weder ein Unterhaltsgrund- noch ein Unterhaltssteigerungsbetrag gebührt. Reduziert man die von der Mutter seit 2003 monatlich bezogenen Einkünfte (etwa 770 bzw 725 EUR) um 25 % und stellt das Ergebnis (etwa 580 bzw 540 EUR) jenen Einkünften gegenüber, die ihr nach Abzug der von den Vorinstanzen festgesetzten Unterhaltsbeiträge tatsächlich noch verbleiben (etwa 630 bzw 595 EUR), dann zeigt sich, dass die Mutter mit diesen Unterhaltsbeiträgen in ihrer Leistungsfähigkeit nicht überfordert wird, sondern die Entscheidungen der Vorinstanzen vielmehr vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht zu beanstanden sind.
4. Soweit sich die Mutter schließlich darauf beruft, insbesondere rückwirkende Unterhaltsleistungen würden sie über Gebühr belasten, releviert sie ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Rechtsfrage, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Unterhalt grundsätzlich auch für die Vergangenheit gefordert werden kann (siehe nur SZ 61/143) und daher keine „überraschende Nachforderung" vorliegt. Es ist auch rechtlich unerheblich, ob sie auf Grund ihres jetzigen Einkommens finanziell in der Lage ist, ihre Nachzahlungspflicht zu erfüllen.
Damit ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)