OGH 3Ob9/05b

OGH3Ob9/05b16.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Karin K*****, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, wider den Gegner der gefährdeten Partei Dr. Alois K*****, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 21. Juli 2004, GZ 21 R 210/04p-245, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 22. April 2004, GZ 4 P 70/01d-229, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Entscheidung über den Widerspruch des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung aufgetragen.

Text

Begründung

Die am 25. April 1979 geborene gefährdete Partei ist die Tochter des Gegners der gefährdeten Partei.

Das Erstgericht erließ auf ihren Antrag ohne vorherige Anhörung ihres Gegners die einstweilige Verfügung vom 2. Oktober 2002, womit der Gegner der gefährdeten Partei zur Leistung einstweiligen Unterhalts (§ 382 Z 8 lit a EO) verpflichtet wurde.

Der Gegner der gefährdeten Partei erhob Rekurs, in eventu Widerspruch (ON 6), den er damit begründete, er sei vor der Beschlussfassung nicht einvernommen worden. Durch seine Einvernahme wäre bescheinigt worden, dass der Anspruch der gefährdeten Partei nicht nur nicht ausreichend bescheinigt worden sei, sondern überhaupt nicht bestehe. Er beziehe sich zur Begründung des Widerspruchs auf alle Ausführungen im Rekurs mit der Ergänzung, dass infolge Unterlassung seiner Einvernahme alle dort angeführten rechtserheblichen Tatsachen ungeprüft geblieben seien.

Das Erstgericht legte vorerst den Rekurs vor. Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 15. Jänner 2003 wurde ein einstweiliger Unterhalt von monatlich 658 EUR ab 1. August 2002, mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 22. Oktober 2003, AZ 3 Ob 135/03d, schließlich ein einstweiliger Unterhalt von monatlich 584 EUR ab 1. August 2002 zuerkannt.

Der Gegner der gefährdeten Partei beantragte am 30. Jänner 2004 (ON 226), über seinen Widerspruch eine Verhandlung anzuberaumen und mit Beschluss zu entscheiden. Er stellte weiters Anträge auf Einvernahme von Zeugen sowie der gefährdeten Partei.

Das Erstgericht wies den Widerspruch als unzulässig zurück und verwies den Gegner der gefährdeten Partei mit seinem Antrag auf Anberaumung einer Verhandlung auf diese Entscheidung. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung zu einem ähnlich gelagerten Fall nicht gefunden werden könne.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, der Gegner der gefährdeten Partei habe in Bezug auf den Widerspruch im Wesentlichen auf die einzelnen Rekursargumente verwiesen, auf die das Rekursgericht in seiner Entscheidung vom 15. Jänner 2003 (ON 16) Punkt für Punkt eingegangen sei; es habe zu allen Einwänden ausführlich Stellung genommen, weshalb hier keine Rede davon sein könne, dass dem Gegner der gefährdeten Partei nicht ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden wäre. Die Behandlung der im Rekurs dargelegten Argumente des Gegners der gefährdeten Partei durch das Rekursgericht komme im Ergebnis einer Entscheidung nach Äußerung des Gegners gleich. Die Bestimmung des § 397 Abs 1 EO komme somit im konkreten Fall nicht zum Tragen; die Zurückweisung des Widerspruchs durch das Erstgericht entspreche der Sachlage. Das Rekursgericht verneinte weiters die vom Gegner der gefährdeten Partei geltend gemachte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses gem § 477 Abs 1 Z 9 ZPO; das Erstgericht habe nämlich - wenn auch ohne weitere nähere Begründung - ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der Widerspruch unzulässig sei, weshalb von einem völligen Fehlen von Gründen nicht die Rede sein könne.

Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 397 Abs 1 erster Satz EO kann der Gegner der gefährdeten Partei, falls er nicht bereits vor der Beschlussfassung einvernommen wurde, Widerspruch erheben. Der Widerspruch ist zwar gemäß § 397 Abs 1 zweiter Satz EO gegen eine einstweilige Verfügung nach § 382a EO unzulässig, nicht jedoch gegen eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO wie hier. Maßgebend ist nur, ob das Gericht dem Gegner der gefährdeten Partei das rechtliche Gehör eingeräumt hat, nicht aber, ob dieser sich auch tatsächlich geäußert hat (E. Kodek in Angst, EO § 397 Rz 2; G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO §§ 397, 398 Rz 5; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, 253 §§ 397, 398 EO Rz 2, je mwN). Der Gegner der gefährdeten Partei kann in einem solchen Fall sowohl Rekurs gegen die einstweilige Verfügung als auch Widerspruch erheben (SZ 43/81; RZ 1994/47 u.a.; E. Kodek aaO Rz 6; G. Kodek aaO Rz 9; Zechner aaO 254 §§ 397, 398 Rz 3).

Der Umstand, dass dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung nicht Folge gegeben wurde, bewirkt nicht die Unzulässigkeit des Widerspruchs, über den in einem solchen Fall nunmehr zu entscheiden ist. Die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn Rekurs und Widerspruch - zulässigerweise (E. Kodek aaO § 398 Rz 4; G. Kodek aaO; Zechner aaO) - gleich begründet sind, kann hier dahingestellt bleiben. Der Gegner der gefährdeten Partei hat im Widerspruch nämlich ausdrücklich vorgebracht, dass der Anspruch der gefährdeten Partei „nicht nur nicht ausreichend bescheinigt wurde, sondern überhaupt nicht besteht". Zum Beweis dafür hat er schon im Widerspruch seine Einvernahme beantragt. Der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung enthält somit eine Bestreitung der Tatsachenbehauptungen der gefährdeten Partei in ihrem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung.

Die Argumentation des Rekursgerichts, der Gegner der gefährdeten Partei habe im Widerspruch „im Wesentlichen auf die einzelnen Rekursargumente verwiesen", auf die bereits bei Behandlung des Rekurses "Punkt für Punkt" eingegangen worden sie, lässt den Umstand außer Acht, dass der Gegner der gefährdeten Partei im Widerspruch gerade nicht die vom Erstgericht in der einstweiligen Verfügung als bescheinigt angenommene Sachverhaltsgrundlage als zutreffend akzeptiert hat.

Der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ist somit nicht unzulässig, weshalb das Erstgericht über diesen Rechtsbehelf nach mündlicher Verhandlung (§ 398 Abs 1 EO) zu entscheiden haben wird. Die vom Rekursgericht verneinte Frage der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses kann hingegen nicht mehr mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0042981).

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