OGH 14Os138/04

OGH14Os138/0421.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtswärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mohammed Naim H***** wegen des Verbrechens der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28. Juni 2004, GZ 20 Hv 9/04z-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Hochfellner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen unter das Verbrechen der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 2004 sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Mohammed Naim H***** hat durch die im Schuldspruch angeführte Tat das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (idF des StRÄG 2004) begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Seiner Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird nicht Folge gegeben.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Mohammed Naim H***** des Verbrechens der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15, schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde der Privatbeteiligten Monja-Brigitte L***** ein Betrag von 150 Euro zugesprochen.

Nach dem Schuldspruch hat Mohammed Naim H***** am 19. Juli 2003 in Bruck an der Mur Monja-Brigitte L*****, eine Person weiblichen Geschlechts, die sich aufgrund starker Alkoholisierung in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, zum außerehelichen Beischlaf missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er sich gegen die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Beiziehung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen wendet. Der Antrag war zum Beweis dafür gestellt worden, dass sich Monja-Brigitte L***** aufgrund des geringen Alkoholkonsums nicht in einem Zustand befunden hat, der sie zum Widerstand unfähig machte, und dass die DNA-Spuren des Angeklagten nicht durch sexuelle Handlungen an den Körper der Genannten gekommen sind (S 435). Der Beschwerdeführer ließ bei der Antragstellung außer Acht, dass bereits das schriftliche Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Walter R***** über chemisch-toxikologische Untersuchungen der Blut- und Harnprobe der Monja-Brigitte L***** vorlag (ON 14), welches durch einverständliche Verlesung in das Beweisverfahren Eingang fand (S 437). Dieses ergab nicht nur einen Mittelwert der Alkoholkonzentration - bezogen auf den jeweiligen Zeitpunkt der Probennahme - des Blutes von 1, 23 ‰ und des Harns von 1,73 ‰, sondern auch eine andere Substanz im Harn, die anhand der gängigen toxikologischen Datenbanken nicht identifiziert werden konnte (S 291 ff). Damit im Einklang stand auch die Aussage des Zeugen Georg H*****, der zufolge der Angeklagte zum Getränk aus einer Dose etwas hinzugegeben hat (S 421). Aufgrund dieser Verfahrensergebnisse erwies sich ein (weiteres) gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten von vornherein als ungeeignet, eine die Widerstandsunfähigkeit begründende physische Beeinträchtigung des Tatopfers wegen bloß geringer Alkoholisierung in Frage zu stellen, und stellt damit einen unzulässigen Erkundungsbeweis dar. Wie DNA-Spuren eines Menschen auf den Körper eines anderen gelangt sind, ist grundsätzlich keine Frage, die durch ein medizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden kann. Noch weniger könnte ein Sachverständiger ausschließen, dass die dem Angeklagten zuzuordnenden biologischen Spuren, die im Scheiden- und Afterbereich der Monja-Brigitte L***** vorgefunden wurden, nicht durch geschlechtliche Handlungen entstanden sind. Auch dieser Beweisantrag wurde daher zu Recht als ungeeignet abgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen. Aus deren Anlass überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil mit einer von keiner der Prozessparteien geltend gemachten, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden und daher von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit behaftet ist.

Der festgestellte Sachverhalt wurde nämlich in rechtlicher Hinsicht als das Verbrechen der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15, beurteilt. Durch dieses Gesetz, welches bezüglich der Änderungen des Strafgesetzbuches am 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist, wurden die bisher als Verbrechen der Schändung bezeichneten Tatbestände des § 205 StGB durch das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person ersetzt. Nach Abs 1 der neuen Strafbestimmung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer eine wehrlose Person oder eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornimmt oder von ihr an sich vornehmen lässt oder sie zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich zu vorzunehmen.

Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt lässt sich zwanglos auch unter die Strafbestimmung des § 205 Abs 1 StGB idF nach dem StRÄG 2004 subsumieren; denn dem im neuen Recht verwendeten Begriff "wehrlos" kommt derselbe Bedeutungsinhalt zu wie dem Ausdruck "widerstandsunfähig" in der alten Fassung (Fabrizy, StGB8, Ergänzungsheft 2004 § 205 Rz 1; 294 BlgNR 22. GP, 19). Da die Strafdrohung der neuen Bestimmung keine Untergrenze aufweist, ist das neue Gesetz für den Angeklagten in seinen Gesamtwirkungen günstiger als jenes, das zur Zeit der Tat gegolten hat, sodass es nach § 61 StGB anzuwenden ist.

Demzufolge war das angefochtene Urteil - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - in der rechtlichen Unterstellung der zum Schuldspruch festgestellten Tatsachen aufzuheben und diese rechtsrichtig als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF des StRÄG 2004 zu beurteilen. Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend keinen Umstand; als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), gegen dessen Annahme keine Verfahrensergebnisse sprechen.

Im Hinblick auf diesen zusätzlichen Milderungsgrund ist die geringfügig unter der vom Erstgericht ausgesprochenen Sanktion liegende Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen. Nach Art der Tat stehen einer bedingten Nachsicht auch nur eines Teiles der Freiheitsstrafe sowohl spezial- als auch generalpräventive Gründe entgegen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Den Zuspruch an die Privatbeteiligte bekämpft der Angeklagte lediglich unter Hinweis auf die Nichtigkeitsbeschwerde dem Grunde nach. Da die Berufung aber keine Gründe geltend macht, die gegen die Zuerkennung des angeführten Betrages sprechen und solche sich im Übrigen auch aus den Akten nicht ergeben, war der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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