OGH 5Ob279/04x

OGH5Ob279/04x7.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Franz H*****, vertreten durch Göbel & Hummer Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei G*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Gheneff-Rami Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 6.255,90 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Mai 2004, GZ 41 R 271/03m-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. August 2003, GZ 28 C 306/03i-9, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 728,11 (darin EUR 121,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 1.029,39 (darin EUR 83,23 USt und EUR 530,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine damalige Ehefrau Ingrid F***** waren seit dem 1. 5. 1974 Mieter einer dem WGG unterliegenden Genossenschaftswohnung. Eigentümerin des Wohnhauses und Vermieterin war die Beklagte. Der Kläger und seine damalige Ehefrau haben bei Abschluss des Mietvertrages gemeinsam einen Finanzierungsbeitrag von S 175.500,-- geleistet.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung von EUR 6.255,90 sA als Hälfte des Finanzierungsbeitrages gemäß § 17 WGG nach Auflösung des Mietvertrages. Nach Scheidung seiner Ehe 1983 sei die Wohnung nur mehr von Ingrid F***** benützt worden. Zur Eintreibung einer ihm gegen diese zustehenden Forderung von S 200.000,-- habe der Kläger Forderungsexekution auf das Ingrid F***** gegen die Beklagte zustehende halbe Abrechnungsguthaben geführt. Über eine von der Beklagten gegen Ingrid F***** wegen Mietzinsrückständen eingebrachte Mietzins- und Räumungsklage sei ein seit 20. 4. 2001 rechtskräftiges Versäumungsurteil ergangen. Mangels freiwilliger Räumung durch Ingrid F***** sei am 31. 8. 2001 die zwangsweise Delogierung erfolgt. Die Beklagte habe gegen den Kläger wegen des bis März 2001 aufgelaufenen Mietzinsrückstandes von S 56.827,15 eine Klage eingebracht. In der Folge sei es zu einem außergerichtlichen Vergleichsabschluss im Korrespondenzweg gekommen, wonach die Beklagte gegen den Kläger keine Forderung aus Mietzinsrückständen habe, und eine solche nur gegen Ingrid F***** bestehe, deren Rückzahlungsanspruch - und damit der exekutive Anspruch des Klägers gegen die Beklagte - sich entsprechend vermindere.

Die Beklagte stellte außer Streit, dass klagsgegenständlich nur der Hälfteanteil des Klägers am Finanzierungsbeitrag ist, ebenso wurde die Höhe des Rückzahlungsbetrages außer Streit gestellt. Die offenen Mietzins- und Kostenforderungen wurden kompensando als Gegenforderung bis zur Höhe des Klagsbetrages eingewendet.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 6.255,90 sA. Es ging dabei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Nach Scheidung der Ehe des Klägers im Jahr 1983 benützte nur mehr seine geschiedene Ehegattin Ingrid F***** die Wohnung. Wegen Mietzinsrückständen erwirkte die Beklagte gegen diese ein seit 20. 4. 2001 rechtskräftiges Versäumungsurteil auf Bezahlung des Mietzinsrückstandes und auf Räumung der Wohnung. Da Ingrid F***** ihrer urteilsmäßigen Verpflichtung nicht nachkam, brachte die Beklagte in der Folge eine Klage gegen den Kläger auf Bezahlung des rückständigen Mietzinses bis März 2001, das sind S 56.827,15 ein (9 C 627/01g des BG Favoriten) und führte Räumungsexekution gegen Ingrid F*****, die am 31. 8. 2001 durchgeführt wurde.

Der Kläger führte gegen Ingrid F***** wegen einer aus dem Scheidungsvergleich resultierenden Forderung von S 200.000,-- Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Ingrid F***** gegenüber der Beklagten zustehenden Forderung auf Auszahlung des halben Abrechnungsguthabens gemäß § 17 WGG. Die Exekution wurde mit Beschluss vom 18. 6. 2001 bewilligt.

Am 21. 5. 2001 schrieb die Beklagtenvertreterin an den Klagevertreter (Beil 3): "... Meine Mandantin wird die Abrechnung gemäß § 17 WGG vornehmen, wenn Ihr Mandant auf seine Mietrechte verzichtet. Der offene Mietzinsrückstand wird entsprechend dem Mietvertrag mit dem auszuzahlenden Finanzierungsbeitrag gegenverrechnet und die Hälfte dieses Betrages nach Rücksprache mit Frau F***** Ihrem Mandanten ausbezahlt. Im Verfahren vor dem BG Favoriten zu 9 C 627/01g wird ewiges Ruhen vereinbart ...." Mit Schreiben vom 7. 6. 2001 (Beil 4) hielt die Beklagtenvertreterin fest: "... meine Mandantin ist nun bereit, von der Fortsetzung dieses Verfahrens Abstand zu nehmen und den bestehenden Mietvertrag außergerichtlich aufzulösen, wenn von dem an Frau F***** auszuzahlenden Finanzierungsbeitrag gemäß § 17 WGG sowohl der offene Mietzinsrückstand als auch die bisherigen Rechtsanwaltskosten bezahlt werden, sodass Ihr Mandant nur die Hyperocha erhält ...." Mit Schreiben vom 13. 6. 2001 (Beil 5) beantwortete der Klagevertreter die Schreiben Beil 3 und 4 wie folgt:

".... namens meines Mandanten bestätige ich die von Ihnen im Brief vom 21. 5. 2001 skizzierte und mit Fax vom 7. 6. 2001 präzisierte Vereinbarung. Im Verfahren vor dem BG Favoriten 9 C 627/01g tritt somit ewiges Ruhen ein ...." In der vorangegangenen Korrespondenz hatte die Beklagtenvertreterin mit Schreiben vom 6. 3. 2001 (Beil C) an den Klagevertreter den Abschluss eines neuen Mietvertrages mit dem Kläger angeboten, wofür Grundvoraussetzung wäre, dass der Kläger der Beklagten den Nachweis des dringenden Wohnbedürfnisses und der Förderungswürdigkeit mittels Einkommensnachweises erbringe. Mit Schreiben vom 4. 5. 2001 (Beil D) an die Beklagtenvertreterin hatte der Klagevertreter "vorsorglich und ohne Präjudiz für den Rechtsstandpunkt, dass kein Mietverhältnis mehr besteht, die Aufkündigung bzw Auflösung des allfälligen noch bestehenden Mietverhältnisses zum frühest möglichen Zeitpunkt" erklärt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, die Klagsforderung sei unstrittig, die Gegenforderung der Beklagten im Hinblick auf die Vereinbarung, das gegen den Kläger geführte Mietzinsverfahren ruhen zu lassen und Mietzinsrückstand und Anwaltskosten von der Ingrid F***** zustehenden Finanzierungsbeitragshälfte abzuziehen, nicht berechtigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge zusammengefasst Folgendes aus:

Der Kläger und Ingrid F***** seien trotz zwangsweiser Räumung mangels Einbindung des Klägers in das Räumungsverfahren nach wie vor Mieter der Wohnung, weshalb dem Kläger schon mangels wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses kein Rückzahlungsanspruch gemäß § 17 WGG zustehe. Selbst im Falle einer wirksamen Vertragsauflösung wäre der Anspruch von Mitmietern auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrages eine Gesamthandforderung, zu deren Geltendmachung ein Mieter allein nicht legitimiert sei, auch wenn er nur einen Kopfteil fordere. Auf Grund der geführten Korrespondenz habe der Kläger als redlicher Erklärungsempfänger nicht davon ausgehen dürfen, dass ihm die Rückzahlung einer ungeschmälerten Hälfte des Finanzierungsbeitrages angeboten werde. Er müsse sich daher die Aufrechnung mit den Gegenforderungen, welche den Finanzierungsbeitrag überstiegen, gefallen lassen.

Da sowohl zur Frage einer "sukzessiven" Auflösung des Mietverhältnisses mit Mitmietern als auch zur Frage der Rechtsnatur des Rückzahlungsanspruches nach § 17 WGG keine gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofes existiere und die Beantwortung dieser Fragen über den Einzelfall hinausgehe, sei die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers nicht zuzulassen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist infolge dessen auch berechtigt. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In seiner Rechtsrüge führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Mietverhältnis sei nach dem Willen beider Mieter und der Vermieterin beendet, die Rückzahlung des Klagsbetrages sei im Korrespondenzweg vereinbart worden.

Hiezu wurde erwogen:

Das Berufungsgericht hat selbst erkannt, dass - trotz unklaren Vorbringens - letztlich offenbar beide Parteien von der Beendigung des Mietverhältnisses ausgehen. Die zur Vertragsauflösung mit beiden Mitmietern notwendigen Handlungen müssen nicht zwingend gleichzeitig erfolgen. Gegen die ehemalige Ehegattin des Klägers hat die Beklagte ein seit 20. 4. 2001 rechtskräftiges Räumungsurteil erwirkt, vom Kläger hat die Beklagte einen Verzicht auf seine Mietrechte verlangt, der Kläger hat durch seinen Rechtsfreund mit Schreiben vom 4. 5. 2001 erklärt, dass ein Mietverhältnis nicht mehr bestehe bzw vorsorglich aufgekündigt werde. Unter diesen Umständen besteht kein Grund, den Parteien (und der Mitmieterin) selbst nach exekutiver Wohnungsräumung den Weiterbestand des Mietvertrages aufzudrängen. Vielmehr rechtfertigt all dies zusammen die Annahme, dass das Mietverhältnis zwischen Vermieterin und beiden Mitmietern aufgelöst wurde. Auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, hier liege eine Gesamthandforderung vor, die der Kläger nicht allein geltend machen könne, ist nicht zu billigen. Da die Mitmietergemeinschaft (RIS-Justiz RS0013191, vgl auch RS0013874) infolge Auflösung des Mietvertrages aufgehoben wurde, kann jeder der beiden ehemaligen Mitmieter seinen Anteil am gemäß § 17 Abs 1 WGG zurückzuzahlenden Finanzierungsbeitrag fordern, im Zweifel die Hälfte (vgl 3 Ob 591/90 = JBl 1991, 643 = WoBl 1992/52 zur Ablöserückforderung von ehemaligen Mitmietern). Die der Höhe nach unbestrittene Klagsforderung ist daher berechtigt.

Was die eingewendete Gegenforderung anlangt, so hält der erkennende Senat im Hinblick auf die vorliegende Vergleichskorrespondenz die Vertragsauslegung des Erstgerichtes und nicht die des Berufungsgerichtes für zutreffend: Die Beklagte hat sich mit einem "ewigen Ruhen" im von ihr gegen den Kläger angestrengten Mietzinsprozess einverstanden erklärt; gemäß § 47 Abs 1 ZPO waren die Kosten als gegenseitig aufgehoben anzusehen. In diesem Zusammenhang durfte der Kläger die mit Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 7. 6. 2001 präzisierte Vereinbarung dahin verstehen, dass die Klägerin ihre Forderungen nur vom Finanzierungsbeitragsanteil der ehemaligen, seit 1983 im Objekt allein wohnenden Mitmieterin abziehen wird. Die vom Berufungsgericht selbst als "unscharf" bezeichnete Formulierung dieses Schreibens ist zumindest gemäß § 915 Halbsatz 2 ABGB zum Nachteil der Beklagten zu verstehen. Der Beklagten ist somit im Verhältnis zum Kläger die Kompensation mit ihren Mietzins- und Kostenforderungen verwehrt.

Da das Erstgericht die Rechtslage richtig beurteilt hat, war sein stattgebendes Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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