Spruch:
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 2. Juli 1976 in der Türkei geschlossene Ehe der Streitteile, welche beide österreichische Staatsbürger sind, wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten, rechtskräftig seit 15. Juni 2000, geschieden. Dieser Ehe entstammen die zwischenzeitig volljährigen Kinder Özkan, geboren am 27. Mai 1978, und Özlem, geboren am 10. Dezember 1983.
Am 20. Juni 2000 begehrte der Antragsteller mit seinem zu Protokoll gegebenen Antrag die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Er brachte vor, zum Aufteilungsvermögen gehöre eine je zur Hälfte im Eigentum beider Ehegatten stehende Ehewohnung in 3100 St. Pölten samt Inventar, ein Grundstück und zwei Eigentumswohnungen mit 120 bzw. 110 m² in Bursa, Türkei, und Ersparnisse in Form eines Sparbuches mit ca. ATS 800.000,- -, ein Sparbuch auf den Namen der Tochter mit ca. ATS 100.000,-- sowie ein Barvermögen von ATS 240.000,- -, welche sich alle in Händen der Antragsgegnerin befänden. Er begehrte die Aufteilung in der Form, dass entweder der Frau die Vermögenswerte in der Türkei und ihm die Ehewohnung zugewiesen werden möge oder umgekehrt, sowie eine Aufteilung der Ersparnisse.
Die Antragsgegnerin stellte das angeführte Liegenschaftsvermögen im wesentlichen außer Streit, weiters den Besitz des Sparbuches von rund ATS 800.000,- -. Das Bestehen eines weiteren Sparbuches von rund ATS 100.000,-- sowie das Barvermögen bestritt sie.
In der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2002 wurde ein seitens der Antragsgenerin vorbereitetes Übereinkommen von den Streitteilen und deren volljährigen Kindern unterfertigt.
Dieses Übereinkommen hält unter anderem den Wunsch der Streitteile fest, ihr Liegenschaftsvermögen den beiden Kindern zu übertragen. Es sieht dieses Übereinkommen in seinem Punkt I vor, dass die Eigentumswohnung in St. Pölten die Tochter der Streitteile geschenkt bekommt. Dazu wird ein konkreter Schenkungsvertrag geschlossen, einschließlich einer entsprechenden Aufsandungsklausel. In Punkt II ist dann die Schenkung der Liegenschaften in der Türkei an den Sohn vorgesehen. Dazu finden sich in der Vereinbarung jedoch keine näheren Bestimmungen. Vielmehr wird auf "entsprechende" Verträge und die Durchführung durch türkischer Rechtsanwälte verwiesen. Die Schenkung der St. Pöltner Eigentumswohnung (Punkt I) ist aufschiebend bedingt durch die Übertragung der türkischen Liegenschaften (Punkt II).
Schließlich verpflichtete sich der Antragsteller, nach Herstellung des neuen Grundbuchstandes (Punkt I. und II. dieses Übereinkommens) seinen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, GZ 1 F 72/00p, zurückzuziehen und erklärten beiden Parteien, dass mit Erfülllung dieses Übereinkommens sämtliche Ansprüche gemäß 82 ff EheG, abschließend und endgültig bereinigt und verglichen sind (Punkt IV).
Diesem Übereinkommen traten die Kinder der Streitteile bei.
Am 31. Oktober 2003, sohin eineinhalb Jahre später, ersuchte das Erstgericht den damaligen Antragsgegnervertreter um einen Situationsbericht in der gegenständlichen Rechtssache, welcher auftragsgemäß am 6. November 2003 beim Erstgericht einlangte. Darin teilte der Antragsgegnervertreter mit, dass seine Mandantin - für ihn überraschend - ihn ausdrücklich angewiesen habe, dass sie keine weiteren Schritte in dieser Angelegenheit wünsche, wodurch der neue Grundbuchsstand nicht mehr hergestellt werde.
Am 28. November 2003 stellte der Antragsteller den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, da die Antragsgegnerin das geschlossene Übereinkommen nur teilweise erfüllt habe.
In der daraufhin anberaumten Tagsatzung vom 16. Februar 2004 brachte der Antragstellervertreter vor, dass der Antrag auf Aufteilung nicht zurückgezogen werde, da die Grundbuchsordnung weder laut Punkt I. noch laut Punkt II. hergestellt worden sei. Der Antragsteller halte seine Anträge auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse aufrecht.
Der Antragsgegnervertreter führte dazu aus, die Antragsgegnerin fühle sich aufgrund von Gesprächen, die nach Unterzeichnung des Übereinkommens geführt worden seien, nunmehr nicht an dieses Übereinkommen gebunden, ebenso die beiden durch das Übereinkommen begünstigten Kinder.
Das Erstgericht wies die Anträge auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zurück. Die Parteien hätten sich nach umfassender Erörterungen auf eine vergleichsweise endgültige Bereinigung des gegenständlichen Verfahrens geeinigt. Dieses Übereinkommen sei gültig, rechtlich verbindlich und gegebenenfalls auch durchsetzbar; dies unabhängig vom offenbaren Meinungsumschwung auf Antragsgegnerseite. Durch den Vergleich sei dem Verfahren die Basis entzogen worden, sodass der Antrag mangels der Aufteilung unterliegender Vermögenswerte zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des Antragstellers Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens sowie die Entscheidung in der Sache selbst nach Verfahrensergänzung auf.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass das in der Tagsatzung vom 5. März 2002 geschlossene Übereinkommen gültig und rechtlich verbindlich sei. Eine Beseitigung der Vereinbarung könne nicht im Wege des Aufteilungsverfahrens, sondern gegebenenfalls nur durch Anfechtung im streitigen Verfahren erfolgen. Durch dieses Übereinkommen seien aber nur die in diesem genannten und der Aufteilung unterliegenden Liegenschaften erfasst. Die Parteien hätten darüber hinaus jedoch Vermögenswerte vorgebracht, insbesondere Ersparnisse, aber auch Veräußerungserlöse diverser Fahrnisse oder diese selbst, die sie in das Aufteilungsverfahren einbeziehen hätten wollen. Eine explizite Regelung hinsichtlich dieser Vermögenswerte enthalte das Übereinkommen aber nicht. Durch Punkt IV. des Übereinkommens brächten die Parteien zum Ausdruck, dass jedenfalls mit Erfüllung des Übereinkommens auch über die weiteren Vermögensgegenstände kein weiteres Verfahren durchgeführt werden solle, im Ergebnis also jeder das behalte, was er in seinen Händen halte. Diese Erklärung sei aber ausdrücklich nur für den Fall der Herstellung der neuen Grundbuchsordnung gemäß den Punkten I. und II. des Übereinkommens abgegeben worden. Vorbehaltlich eines anderen Parteiwillens sei daher, wenn es endgültig nicht zur Verbücherung des Grundbuchstandes laut I. und II. des Übereinkommen komme, für diese weiteren, einen Gegenstand des Aufteilungsverfahrens bildenden, Vermögenswerte keine Regelung getroffen. Sollte nicht ein anders gelagerter Parteiwille zum Vorschein kommen, bleibe das Außerstreitgericht jedenfalls zur Regelung der im Übereinkommen nicht ausdrücklich genannten Vermögenswerte zuständig.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erachtet, weil die bisherige Rechtssprechung keine konkrete Antwort auf die Frage ergebe, wie sich ein zwischen den Parteien unter Einbeziehung dritter Personen geschlossenes Übereinkommen, mit dem gemeinsame Liegenschaften an dritte Personen übertragen werden sollen, auswirke und ob wertmäßig die an dritte Personen zu übertragenden Objekte aus dem Umfang des Aufteilungsvermögens auszuscheiden seien bzw. welchem der Ehegatten gegebenenfalls die Werte der Objekte zuzurechnen seien, wenn die Vereinbarung nur als Teilvergleich über die Zuweisung der Vermögensobjekte zu verstehen sei.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richten sich die ordentlichen Revisionsrekurse des Antragstellers sowie der Antragsgegenerin. Beide beantragen im Ergebnis dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Ausschaltung der unzutreffenden Rechtsansicht des Rekursgerichtes, wonach das Übereinkommen vom 5. März 2002 bindend sei, aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Beiden Revisionsrekursen ist nur im Ergebnis keine Folge zu geben. Zutreffend ist, dass das Erstgericht das Verfahren fortzusetzen hat.
Ein gerichtlicher Vergleich hat die Doppelfunktion eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäftes und einer Prozesshandlung; es ist grundsätzlich zwischen seiner materiellen und seiner prozessualen Wirksamkeit zu unterscheiden. Ein Prozessvergleich kann prozessual unwirksam, als materielles Rechtsgeschäft aber wirksam sein, und umgekehrt (RIS-Justiz RS0032546; 3 Ob 151/80; 1 Ob 566/78 mwN).
Ein das Verfahren beendender Vergleich liegt hier jedenfalls nicht vor. Punkt IV. der geschlossenen Vereinbarung ist dahin auszulegen, dass eine endgültige und abschließende Regelung der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erst mit der faktischen Herstellung der Grundbuchsordnungen laut Punkt I. und II. des Übereinkommnes eintreten sollte. Es wurde die prozessuale Wirksamkeit über die Zurückziehung des Antrages und die Bereinigung aller wechselseitiger Ausgleichsansprüche also unter der aufschiebenden Bedingung der Herstellung der neuen Grundbuchsordnung abgeschlossen. Die prozessbeendende Wirkung des Vergleiches sollte erst mit Erfüllung dieses Übereinkommens eintreten.
Es kann im vorliegenden Fall dahin gestellt bleiben, ob die Vereinbarung, die prozessuale Wirksamkeit eines Prozessvergleiches von einer aufschiebenden Bedingung, die wie im vorliegenden Fall eine außerprozessuale ist, abhängig zu machen, überhaupt wirksam ist (vgl allgemein etwa 3 Ob 107/97z), da die Bedingung (Herstellung der neuen Grundbuchsordnung) ohnehin nicht eingetreten ist und nach dem erklärten Parteiwillen auch nicht mehr eintreten wird (im Übrigen verpflichtete sich der Antragsteller ja nur zur Zurückziehung des Antrages).
Aber auch gegen die materiellrechtliche Wirksamkeit des Vergleiches, wie sie das Rekursgericht angenommen hat, treten die Parteien berechtigt auf.
Gingen doch offensichtlich sämtliche Parteien davon aus, dass mit dem Übereinkommen hinsichtlich die Liegenschaften in der Türkei noch keine durchsetzbare Vereinbarung geschlossen wurde. Daher sollte auch die Liegenschaftsübertragung in Österreich erst nach der tatsächlichen Liegenschaftsübertragung in der Türkei durchgeführt werden ("aufschiebend bedingt"). Die Parteien haben dies aber offensichtlich als ungewisses Ereignis angesehen.
Dem entspricht es auch, dass der Vergleich und die Antragsrückziehung von der Durchführung der gesamten Liegenschaftsübertagungen abhängig gemacht wurden.
Gehen aber die Parteien übereinstimmend davon aus, dass eine aufschiebende Potestativbedingung nicht mehr eintreten wird, dann endet der Schwebezustand (vgl allgemein Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12 I, 177; Welser in Rummel ABGB3 § 696 Rz 7, 8).
Das erstinstanzliche Verfahren ist daher, wie beide Parteien in ihren Revisionsrekursen beantragen, fortzusetzen, allerdings ist, entgegen der Rechtsansicht des Rekurserichtes, das gesamte Liegenschaftsvermögen der ehemaligen Eheleute in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)