OGH 9ObA98/04h

OGH9ObA98/04h17.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 55.568,97 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 2004, GZ 7 Ra 49/04m-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Jänner 2004, GZ 31 Cga 127/03t-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 55.568,97 brutto samt 9,47 % Verzugszinsen seit 26. August 2003 zu zahlen sowie die mit EUR 5.979,89 (darin EUR 833,76 USt und EUR 977,31 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 4.105,40 (darin EUR 418,90 USt und EUR 1.592 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.931,82 (darin EUR 301,47 USt und EUR 2.123 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 11. 1976 bis zu seiner Entlassung vom 25. 8. 2003 als Angestellter bei der beklagten Partei beschäftigt. Die beklagte Partei betreibt ein Handelsunternehmen, wobei sie in Österreich Baustoffe für das Baugewerbe und -nebengewerbe vertreibt, welche von ihrer Muttergesellschaft in Deutschland produziert werden. Die beklagte Partei beschäftigt sich jedoch nicht mit der Verarbeitung dieser Baustoffe. Der Kläger hatte nach der Absolvierung einer Installateurlehre eine einjährige Baufachschule in der Schweiz und zahlreiche Seminare zum Thema Bauchemie besucht. Seine Aufgabe war es, die ca 250 Produkte (zB Bitumenprodukte, Betonzusätze, Kleber sowie Fliesenlegerbedarf etc) namens der beklagten Partei anzubieten und zu verkaufen und Kunden zu beraten. Auch die Akquirierung neuer Kunden zählte zu seinen Aufgaben als Außendienstmitarbeiter. Im Zuge seiner langjährigen Tätigkeit wurde sein Dienstvertrag mehrmals geändert, insbesondere was die Provisionshöhe anlangte. Der zuletzt aktuelle Inhalt seines Dienstvertrages stammt aus dem Jahr 1995 und lautet unter Punkt III wie folgt:

"Der Dienstnehmer ist zur Geheimhaltung sämtlicher geschäftlicher Vorkommnisse gegen jedermann verpflichtet, die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung bildet einen Entlassungsgrund gemäß § 27 AngG. Eine Leistung der vereinbarten Dienste durch Subvertreter ist ausnahmslos unzulässig. Der Dienstnehmer ist nicht berechtigt, eine Provision oder sonstige Entlohnung von einem Kunden oder sonstigen geschäftlichen Kommitenten anzunehmen. Er ist ferner weder berechtigt, ein selbstständiges kaufmännisches/gewerbliches Unternehmen zu betreiben, noch ohne besondere ausdrückliche Zustimmung der Firma für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte, welcher Art und Branche immer, zu machen, zu vermitteln oder sonst im Dienste eines Dritten tätig zu sein. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung bildet einen Entlassungsgrund nach § 27 AngG". Im Jahre 2002 bezog der Kläger auffällig viele Produkte der beklagten Partei um einen Sondermitarbeiterpreis, um diese Produkte - ohne eigenen Gewinn - an dritte Personen weiterzugeben. Als dies aufkam, ließ es die beklagte Partei mit einer Verwarnung bewenden. Bereits vor ca 10 Jahren hatte die Gattin des Klägers einen Gewerbeschein für den Baustoffhandel erhalten, um durch eine - wenn auch sehr eingeschränkte - selbstständige Tätigkeit Versicherungszeiten bei der Sozialversicherung zu erwerben. Die Gattin des Klägers übte das Gewerbe ohne Eintragung im Firmenbuch aus, der Umsatz war derart geringfügig, dass es sogar vorkam, dass der Kläger Mittel zur Verfügung stellen musste, um anfallende Nebenkosten abdecken zu können. Die Gattin des Klägers betrieb das Unternehmen derart, dass sie insbesondere für Freunde und Bekannte, welche Baustoffe benötigten, diese im eigenen Namen kaufte und dann an die dritten Personen weiterveräußerte. Der Kläger beriet seine Gattin kostenlos, wenn es darum ging, welche Produkte eingekauft werden sollten. Die Gattin des Klägers bezog Produkte nicht bei der beklagten Partei, sondern im Baustoffgroßhandel. Im Zuge seiner Tätigkeit für die beklagte Partei lernte der Kläger einen Kunden kennen, welcher bei seinem Haus eine Terrasse abdichten und verdämmen wollte. Der Kläger wies diesen Kunden auf die Möglichkeit hin, dass seine Frau ein Unternehmen betreibe, welches das Werk ausführen könnte. Nachdem seine Gattin den Auftrag erhalten hatte, gab sie diesen, da sie zur Eigenausführung gar nicht in der Lage war, an das Subunternehmen "I*****-Bau" weiter. Der Kläger nahm die Maße auf und empfahl auch, welche Produkte verwendet werden sollten. Darunter befanden sich auch Produkte der beklagten Partei, welche vom Subunternehmer im allgemeinen Baustoffhandel beschafft wurden. Der Kläger half dem Beschäftigten des Subunternehmens an zwei Samstagen bei der Aufbringung des Voranstrichs und der Dämmung. Der Kläger erbrachte seine Leistungen unentgeltlich. Er nahm in der Folge eine Akontozahlung von ATS 25.000 namens seiner Gattin entgegen. Die Arbeiten konnten nicht beendet werden, weil durch Eindringen von Regenwasser ein Schaden an der Fassade entstanden war und der Bauherr das Unternehmen der Gattin des Klägers hiefür verantwortlich machte. Der Bauherr brachte im Dezember 2001 auch eine Klage gegen die Gattin des Klägers ein. Nachdem ein gerichtlicher Sachverständiger bestellt worden war, nahm der Kläger in Vertretung seiner Gattin an der Befundaufnahme teil.

Zwischen 10. und 15. 8. 2003 nahm der Bauherr Kontakt mit dem Prokuristen der beklagten Partei auf, um sich über die richtige Verarbeitung der Produkte der beklagten Partei zu erkundigen. Anlässlich dieses Gespräches erfuhr der Prokurist der beklagten Partei, dass der Kläger an der Erfüllung des Werkvertrages aktiv beteiligt gewesen war. Am 20. oder 21. 8. 2003 langten bei der beklagten Partei das im Gewährleistungsprozess erstatte Gutachten sowie ein Anbot der Gattin des Klägers vom 2. 8. 2001 ein. Diese Unterlagen hatte der Bauherr über Ersuchen des Prokuristen der beklagten Partei übersandt. Nach Einlangen dieser Unterlagen informierte der Prokurist den Geschäftsführer der beklagten Partei bei gleichzeitiger Vorlage dieser Unterlagen. Dieser beauftragte den Prokuristen, noch ein ergänzendes Gespräch mit dem Bauherrn zu führen, wobei insbesondere die Funktion des Klägers im Unternehmen seiner Gattin geklärt werden sollte. Gleichzeitig informierte sich der Kläger über die im Falle einer Entlassung anfallenden Kosten. Der Kläger wurde dann für Montag, 25. 8. 2003, in das Büro des Geschäftsführers nach Traun bestellt, wo dieser die Entlassung aussprach.

Mit seiner Klage vom 25. 9. 2003 begehrte der Kläger zunächst den Zuspruch von EUR 34.180,80 sA, und zwar bestehend aus 3 Monatsgehältern an bis dahin fällig gewordener Abfertigung, Weihnachtsremuneration, Kündigungsentschädigung, Sonderzahlung zur Kündigungsentschädigung sowie Urlaubsersatzleistung. Mit Schriftsatz vom 11. 12. 2003 schränkte der Kläger das ursprüngliche Klagebegehren infolge - schon vor Klagseinbringung erfolgter - Teilzahlungen und Fehlberechnungen um EUR 6.415,79 brutto auf EUR 27.765 brutto sA ein und dehnte das Klagebegehren gleichzeitig um die restliche, mittlerweile fällig gewordene Abfertigungssumme von EUR 27.803,97 brutto (= 9 Monatsgehälter) aus. Der Kläger begründete sein Begehren damit, dass die Entlassung nicht berechtigt gewesen sei. Er habe keine die beklagte Partei konkurrenzierende Tätigkeit ausgeübt, sondern lediglich seine Gattin unentgeltlich unterstützt. Sein Verhalten gebe keinen Entlassungsgrund nach § 27 AngG ab. Die beklagte Partei stellte den Klagebetrag der Höhe nach außer Streit, beantragte aber die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe durch seine Tätigkeit für das Unternehmen seiner Gattin gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen und dadurch einen Entlassungsgrund iSd § 27 AngG gesetzt. Insbesondere sei in Betracht zu ziehen, dass der Kläger schon im Jahre 2002 gegen seine Dienstpflicht verstoßen habe und damals ermahnt worden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kläger durch die Verletzung des vertraglichen Konkurrenzverbotes den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG erfüllt habe. Die Entlassung sei daher zu Recht erfolgt.

Auch das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kläger durch seine Tätigkeit für das Unternehmen seiner Gattin gegen das vertragliche Verbot, "ohne Zustimmung der Beklagten im Dienste eines Dritten tätig zu werden" verstoßen und dadurch den Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht habe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass im Hinblick auf die Einzelfallproblematik die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes mit den von der Rechtsprechung zu § 27 Z 1 AngG entwickelten Kriterien nicht übereinstimmt. Sie ist auch berechtigt. Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0027828) vermag eine über die Bestimmung des § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit (insbesondere auch eine Verpflichtung zur Unterlassung von Nebenbeschäftigungen), selbst, wenn sie vertraglich vereinbart ist, keine Erweiterung des Entlassungstatbestandes des § 27 Z 3 AngG zu bewirken. Allerdings kann im Fall einer dem § 7 AngG nicht zu unterstellenden, aber vertraglich untersagten Tätigkeit der Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 1 AngG dann als erfüllt angesehen werden, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein Verhalten eingenommen hat, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht. Abgesehen davon, dass solche Erweiterungen des gesetzlichen Kataloges unzulässiger Nebentätigkeiten der Sittenwidrigkeitsschranke des § 879 ABGB unterliegen, die sich insbesondere aus einer mittelbaren Drittwirkung des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit nach Art 6 Abs 1 StGG oder des Freizügigkeitsgrundsatzes des Art 39 EGV ergeben könnte, liegen hier die für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes nach § 27 Z 1 AngG notwendigen, besonders erschwerenden Voraussetzungen (9 ObA 117/01y) nicht vor. Nicht jede Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen erfüllt automatisch den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit. Abgesehen davon, dass der Kläger durch seine unentgeltlichen Leistungen zu Gunsten seiner Gattin keine konkurrenzierende Tätigkeit entfaltete, ist auch nicht ersichtlich, welches andere erhebliche Interesse der beklagten Partei gefährdet gewesen sein könnte. Die Nebentätigkeit des Klägers war erkennbar von seiner Tätigkeit für die beklagte Partei völlig abgegrenzt, sodass selbst im Falle von Unzukömmlichkeiten bei Ausübung der Nebentätigkeit die Reputation der beklagten Partei nicht gefährdet war. Die nur als geringfügig einzustufende Nebentätigkeit des Klägers schließt aber auch die Annahme aus, dass dadurch sein Einsatz für die beklagte Partei hätte leiden können. Die besondere Konstellation, dass der Kläger seine Gattin bei ihrer eingeschränkten Unternehmertätigkeit unterstützte, konnte aber bei der beklagten Partei - wie bei jeder anderen Arbeitgeberin - auch nicht den Eindruck erwecken, dass der Kläger seine Stellung im Unternehmen zur Förderung von Drittinteressen missbrauchen werde. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger über 25 Jahre für die beklagte Partei tätig gewesen und seine frühere Verfehlung, deretwegen er verwarnt worden war, nicht einschlägig war. Um den Tatbestand der Vertrauensverwirkung iSd § 27 Z 1 AngG zu erfüllen, ist erforderlich, dass das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise die Befürchtung rechtfertigt, dass der Angestellte seine Pflichten künftig nicht mehr getreulich erfüllen werde (Kuderna, Entlassungsrecht² 82 mwN). Da eine bloße Vertrauenserschütterung oder -beeinträchtigung für diesen Entlassungstatbestand nicht ausreicht (Kuderna aaO), machte das Verhalten des Klägers, auch wenn darin eine Verletzung des erweiterten Konkurrenzverbots gelegen sein mochte, seine Weiterbeschäftigung durch die beklagte Partei nicht unzumutbar. Daraus folgt, dass der Kläger Anspruch sowohl auf Kündigungsentschädigung als auch auf Abfertigung hat. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Der Kläger musste sein Begehren infolge einer Fehlberechnung bzw Nichtberücksichtigung einer bereits vor Klageeinbringung erfolgten Teilzahlung zunächst von EUR 34.180,80 auf EUR 27.765 brutto sA einschränken. In einem ersten Prozessabschnitt (-umfassend die Klage, den Schriftsatz vom 5. 11. 2003 und die Tagsatzung vom 12. 11. 2003-) ist der Kläger daher nur mit 81 % seines Begehrens durchgedrungen, sodass er gemäß § 43 Abs 1 erster Satz ZPO nur den Ersatz von 62 % der ihm entstandenen Vertretungskosten sowie gemäß § 43 Abs 1 dritter Satz ZPO den Ersatz 82 % der (damals aktuellen) Pauschalgebühr begehren kann. Für den zweiten Prozessabschnitt (ab der Ausdehnung auf EUR 55.568,97) steht ihm hingegen der Ersatz der gesamten Vertretungskosten und der weiters fällig gewordenen höheren Pauschalgebühr zu. Die Kostenentscheidung über das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41, 50 Abs 1 ZPO.

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