OGH 14Os115/04

OGH14Os115/0416.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marko M***** und weitere Angeklagte wegen der teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ivan S***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Milan N***** und Zdravko N***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. April 2004, GZ 8 Hv 47/04g-197, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Ivan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Marko M*****, Milan N*****, Zdravko N***** und Ivan S***** der teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 (zweiter, dritter und vierter Fall), Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt. Danach haben sie von Jänner 2003 bis zum 14. August 2003 in Graz, Gralla, St. Veit am Vogau und in Kroatien als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) im bewussten und gewollten Zusammenwirken - teilweise gemeinsam mit den abgesondert verfolgten Erich R*****, Vladimir Mi***** sowie einer nicht näher bekannten Person mit dem Vornamen "Andre" - und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer übergroßen Menge (§ 28 Abs 4 Z 3 iVm Abs 6 SMG) ein- und ausgeführt sowie in Verkehr zu setzen versucht, indem sie trachteten, einem verdeckten Ermittler (VE) des Bundeskriminalamtes eine aus den Niederlanden über eine nicht näher bekannte Transportroute nach Österreich eingeführte Menge von 1.926,9 Gramm Kokain (990 +/- 73 Gramm Reinsubstanz) zu einem Preis von 55.000 Euro pro Kilogramm zu verkaufen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ivan S*****, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 26. April 2004 gestellten Beweisanträge (AS 150 ff/V) in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Die Vernehmung der (von den Sicherheitsbehörden eingesetzten) Vertrauensperson wurde zum Beweis dafür beantragt, dass der Rechtsmittelwerber "keine Tathandlungen zur Anbahnung des Suchtgiftgeschäftes getätigt hat", sowie, "dass er keine aktiven Tathandlungen tätigte". Weiters sollte damit der Nachweis erbracht werden, dass es "im PKW des Ivan S***** am 14. August 2003, nachdem das Suchtgift auf der Mittelkonsole abgelegt wurde, zu einem Streitgespräch zwischen Milan N***** und Ivan S***** kam, nach dessen Beendigung Ivan S***** das Fahrzeug verließ". Die Relevanz der beantragten Beweisaufnahme ergebe sich daraus, dass "nur die Vertrauensperson allein einen unmittelbaren Direktkontakt zu den anderen Personen hatte, insbesondere bei diesem Abschlussdeal im Auto des Ivan S***** anwesend war".

Hinsichtlich der beiden erstgenannten Beweisthemen zielte der Beweisantrag zum einen mangels Darlegung, weshalb der - nach den Beweisergebnissen in die Anfangsphase des inkriminierten Tatgeschehens nicht involvierte - Zeuge zur Frage einer Beteiligung des Beschwerdeführers an der Anbahnung des Suchtgiftgeschäftes Auskunft geben könnte, und zum anderen mangels Präzisierung, zu welchen konkreten Tatumständen der Zeuge befragt werden sollte, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Warum das thematisierte, bei Übergabe des Suchtgiftes an die Vertrauensperson stattgefundene Streitgespräch zwischen dem Angeklagten Milan N***** und dem Nichtigkeitswerber - der nach seiner eigenen Einlassung die Kontakte zwischen Milan N***** und Marko M***** zur Ermöglichung eines Suchtgiftdeals hergestellt hatte (S 109/V) und zu jenem Zeitpunkt von der Abwicklung des Suchtgiftgeschäftes in Kenntnis war (AS 148/V) - entscheidungswesentlich sein soll, wurde mit der Antragstellung ebenfalls nicht dargetan. Selbst wenn er sich anlässlich des Disputs zum Zeitpunkt des im Versuchsstadium befindlichen Inverkehrsetzens von der Tatvollendung distanziert hätte, käme ihm deswegen allein (mangels eigenständiger und freiwilliger Erfolgsabwehr) noch kein Rücktritt vom Versuch iSd § 16 Abs 1 StGB zugute; abgesehen davon vermag diese Gesinnungsänderung keinen Einfluss auf die Strafbarkeit des schon vollendeten Schmuggels des Suchtgifts auszuüben. Der Antrag auf Vernehmung des "Lieferanten des Suchtgiftes Toinis van Erkl" (= "Andre") sollte dem Nachweis dienen, dass einerseits die Suchtgiftbestellung und -übergabe sowie die Übergabemodalitäten vom Angeklagten Marko M***** ausgehandelt und dem Suchtgiftlieferanten mitgeteilt wurden und dass andererseits jener sämtliche Telefonate mit dem Lieferanten geführt hat sowie weiters "dass die Übergabe des Kokains entgegen dem Observationsbericht durch Marko M***** und nicht durch Ivan S***** erfolgte" (S 150/V).

Weshalb die dem Beschwerdeführer nicht angelasteten Tatmodalitäten des Angeklagten Marko M***** als Auftraggeber des Suchtgiftlieferanten für die dem Nichtigkeitswerber vorgeworfene Tatbeteiligung entscheidungsrelevant sein sollten, ist dem Beweisantrag nicht zu entnehmen.

Angesichts des vorgeworfenen einvernehmlichen Zusammenwirkens der Angeklagten fehlt zum weiteren Beweisthema, "dass die Übergabe des Kokains durch Marko M***** und nicht durch Ivan S***** erfolgte", jedwede Begründung, warum diesem Umstand eine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommen könnte. Die zu einer für den 14. August 2003 geplanten Besichtigung eines Baggers bei der Firma L***** in Graz durch den Rechtsmittelwerber beantragte Vernehmung der Zeugen Karl G***** und Hasan V***** war für die Lösung der Schuldfrage ohne Relevanz, weil der damit unter Beweis zu stellende Zweck der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich eine (zugleich intendierte) Beteiligung an der Abwicklung des Suchtgiftgeschäfts nicht ausschließt.

Auf die erst in der Nichtigkeitsbeschwerde und in den Gegenausführungen zur Stellungnahme des Generalprokurators vorgebrachten Argumente zu einer entscheidungswesentlichen Bedeutung der aufzunehmenden Beweise war nicht weiter einzugehen, weil die Berechtigung eines Begehrens stets nur auf den Antragszeitpunkt und auf die dazu vorgebrachten Gründe bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Warum die Feststellung, wonach der Angeklagte S***** über eine Invaliditätspension von 400 Euro und aus Gelegenheitsarbeiten über ein weiteres Einkommen von rund 1.000 Euro verfügte (US 6), mit jener, derzufolge er sich nicht in stabilen finanziellen Verhältnissen befand (US 8), in Widerspruch stehen soll, legt die Mängelrüge (Z 5) nicht dar; im Übrigen stützten die Tatrichter die angenommene Gewerbsmäßigkeit auch auf die aus anderen Beweisergebnissen geschlossene Absicht, derartige Suchtgiftgeschäfte fortsetzen zu wollen (US 19 f).

Ebenso besteht - entgegen der weiteren Mängelrüge - zwischen der Urteilsannahme, dass das inkriminierte Geschehen auf eine vom Beschwerdeführer vermittelte, über Marko M***** erfolgte Kontaktanbahnung zu einem niederländischen Lieferanten zurückgeht, und den konstatierten zusätzlichen Bemühungen des verdeckten Ermittlers, (auch) andere Suchtgiftlieferanten zu gewinnen, kein Widerspruch, weil das am 28. Juli 2003 vereinbarte konkrete Suchtgiftgeschäft auf Grund der Aktivitäten und unter Einbindung des Rechtsmittelwerbers zustande kam (vgl US 8, 11 und 13). Die in der Beschwerde behauptete Unvollständigkeit der Entscheidungsbegründung liegt nicht vor. Da Ivan S***** eine Tatbeteiligung als Kontaktperson zum abgesondert verfolgten Vladimir Mi***** und durch Verhandlungstätigkeit mit dem verdeckten Ermittler nicht angelastet wurde, war auch nicht erörterungsbedürftig, dass nach den Ergebnissen der Überwachung des Fernmeldeanschlusses des Vladimir Mi***** keine telefonischen Kontakte mit dem Beschwerdeführer stattfanden und der verdeckte Ermittler über Aktivitäten desselben im Zuge der Verhandlungen über das Suchtgiftgeschäft nichts zu berichten wusste.

Ob der Angeklagte S***** (oder einer der Mitangeklagten) der "Boss" bzw Drahtzieher der kriminellen Vereinigung war, ist für die Schuldfrage ebenso wenig von Bedeutung wie der bereits bei Erledigung der Verfahrensrüge erörterte Umstand der geplanten Besichtigung eines Baggers. Es bedurfte daher einer Auseinandersetzung mit den dazu in der Beschwerde mit teils spekulativen Schlüssen relevierten Verfahrensergebnissen nicht.

Entgegen dem Einwand einer offenbar unzureichenden Entscheidungsbegründung konnte das Erstgericht die Feststellungen zur vorsätzlichen Tatbeteiligung des Beschwerdeführers mit den Gesetzen logischen Denkens nicht im Widerspruch stehend und empirisch einwandfrei aus den (bereits zuvor genannten) Aussagen der Mitangeklagten Marko M***** und Milan N***** sowie des (anonymisiert vernommenen) observierenden Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Graz ableiten (US 16 f). Soweit die Rüge hingegen aus den Beweisergebnissen andere, für den Nichtigkeitswerber günstigere Schlüsse zieht als die Tatrichter, zeigt sie hingegen keinen Begründungsmangel auf.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf die "zum Nichtigkeitsgrund gemäß Z 4 und 5 zitierten Aussagen verweist", neuerlich (wie bereits dargelegt) nicht entscheidungswesentliche Beweisergebnisse releviert, ferner aus einzelnen isoliert hervorgehobenen Verfahrensergebnissen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse abzuleiten trachtet und auf "Widersprüche" der Urteilsfeststellungen zur (nicht geständigen) Verantwortung des Nichtigkeitswerbers hinweist, vermag sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung, schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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