OGH 11Os116/04

OGH11Os116/049.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rene L***** wegen des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juli 2004, GZ 032 Hv 85/04h-8, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rene L***** - abweichend von der wegen des vollendeten Deliktes erhobenen Anklage (ON 3) - des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2004/15) schuldig erkannt, weil er am 20. März 2004 außer den Fällen des § 201 StGB versuchte, Yvonne W***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen, indem er sie von hinten am rechten Oberarm festhielt, sodass sie sich nicht loslösen konnte, sie gleichzeitig in das Gesäß zwickte und ihr "unter Anwendung von Gewalt intensiv auf die rechte Brust greifen wollte".

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung nur dann vorliegt, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hat. Eine offenbar unzureichende Begründung widerspricht den Gesetzen der Folgerichtigkeit oder grundlegenden empirischen Erfahrungssätzen über Kausalitätszusammenhänge. Auch sie muss entscheidende - also subsumtionsrelevante - Tatsachen betreffen. Die Prüfung dieser Frage lässt einen Eingriff in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse über deren Denkrichtigkeit hinaus, mit anderen Worten eine andere als den Denkgesetzen entsprechende Würdigung des herangezogenen Beweismaterials (also des Bezugspunktes der Beweiswürdigung), nicht zu, sondern hat sich - unter der angeführten Prämisse - auf die kritische Auseinandersetzung mit der Auswahl der für diese Bewertung vom Erstgericht herangezogenen Beweisergebnisse zu beschränken (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 41a, 43, 46; 12 Os 104/03 uva). Die Beschwerde unternimmt indes den Versuch, sich mit der Überzeugungskraft der für und wider die Schuld des Angeklagten entsprechenden Beweismittel auseinanderzusetzen, wie der Rückgriff auf die "allgemeine Lebenserfahrung" und die Behauptungen, aus der Aussage der Zeugin W***** könne kein Schluss auf die innere Tatseite gezogen werden und das Erstgericht hätte zu einem anderen Schluss gelangen müssen, sowie, aus dem Beweisverfahren ergäben sich keine Anhaltspunkte für ein sexuell motiviertes Verhalten, zeigen. Eine derartige Anfechtungsbefugnis gegen Urteile von Kollegialgerichten ist der Strafprozessordnung fremd. Sie kommt nur in Frage, wo dem Rechtsmittelgericht die Durchführung eines Beweisverfahrens samt eigenständiger Feststellung der entscheidenden Tatsachen zusteht (vgl demgegenüber § 288 Abs 2 Z 1 StPO), mithin im bezirksgerichtlichen Verfahren und in jenem vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz über eine Berufung wegen Schuld (§ 464 Z 2 erster Fall StPO; vgl 13 Os 43/03).

Warum die Feststellung, der Angeklagte habe an "W***** offensichtlich sexuell motiviert Gefallen gefunden" (US 4), "nicht eindeutig" sei, bleibt die Beschwerde mit der bloßen Behauptung einer Undeutlichkeit darzulegen schuldig.

Aktenwidrigkeit schließlich liegt nur vor, wenn im Urteil ein eine entscheidende Tatsache betreffender Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird, nicht aber, wenn Feststellungen des erkennenden Gerichtes (als Ergebnis des Prozesses der Würdigung sämtlicher Verfahrensprodukte) im (behaupteten) Widerspruch zu einzelnen, isoliert herausgegriffenen Beweisinhalten stehen. Einmal mehr trachtet der Beschwerdeführer durch das Anzweifeln seiner auf das intensive Abgreifen W*****s an der Brust gerichteten Absicht die erstgerichtlichen Erwägungen nach Art einer Berufung wegen Schuld - im kollegialgerichtlichen Verfahren also unzulässig und daher unbeachtlich - zu bekämpfen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nimmt nicht Maß an den erstgerichtlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte - mit der Absicht des intensiven Angreifens an der Brust oberhalb der Kleidung - W***** am rechten Oberarm so fest ergriff, dass das Mädchen sich nicht gleich loslösen und den intendierten Erfolg nur durch Tritte und die Hilfe ihrer Begleiterin verhindern konnte (US 4). Sie ergeht sich vielmehr auf der Basis hypothetisch mehrstufiger Geschehensabläufe in abstrakten Erwägungen zur Abgrenzung von Vorbereitungs- und Versuchhandlungen und bringt die behauptete materiellrechtliche Nichtigkeit nicht zu einer prozessordnungskonformen Darstellung. Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 Satz 2 StPO) sei daran erinnert, dass die strafbare Handlung nach § 202 Abs 1 StGB mit Einsatz des Nötigungsmittels auf jeden Fall versucht ist (Schick in WK² § 202 Rz 18).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war teils mangels Beachtung des gesetzlichen Anfechtungsrahmens (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 2 StPO), teils als offenbar unzulässig (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen; daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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