OGH 2Ob248/04s

OGH2Ob248/04s4.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Herbert B*****, vertreten durch Dr. Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in Trofaiach, wider die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 6.780,74 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. Juni 2004, GZ 3 R 94/04i-44, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 30. Dezember 2003, GZ 5 C 760/01a-39, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Im November 2000 erteilte die beklagte Partei der C***** GmbH & Co KG den Auftrag, Holzfertigteilwände von ihrem Firmengelände auf eine Baustelle in St. Anton am Arlberg zu transportieren. Die genannte Gesellschaft beauftragte ihrerseits den Kläger mit der Durchführung des Transportes. Am 27. 11. 2000 befand sich der Mitarbeiter des Klägers, Ivan T*****, als Lenker eines vom Kläger gehaltenen LKW-Zuges mit Anhänger am Betriebsgelände der beklagten Partei um die Holzwände zu übernehmen. Er begann gemeinsam mit dem Hubstaplerfahrer der beklagten Partei, Günther S*****, die von diesem gebrachten Teile aufzuladen. S***** brachte die Fertigteile mit einem von der beklagten Partei gehaltenen Hubstapler. Er hob die Fertigteile hoch und setzte sie auf der Ladefläche des Anhängers des LKW ab. Nach der Beladung der einen Seite des Anhängers beschäftigte sich T***** an der rechten Seite mit dem Abplanen, um S***** das Beladen auch hier zu ermöglichen. Günther S***** fuhr mit dem Stapler und einem aufgeladenen Fertigteil zur rechten Seite des Anhängers und hielt den Stapler dort mit laufendem Motor an. Er stieg ab, um dem LKW-Lenker beim Abplanen behilflich zu sein. In der Folge löste sich der Fertigteil vom Stapler und fiel auf T***** und S*****, die beide verletzt wurden. Die Ursache des Absturzes des Fertigteiles konnte nicht festgestellt werden. S***** ist ausgebildeter Staplerfahrer und seit mehreren Jahren bei der beklagten Partei beschäftigt. Es ist während dieser Zeit keine Mangelhaftigkeit oder Unverlässlichkeit bei Erbringung der Arbeitsleistungen bekannt geworden.

Ivan T***** erlitt durch den Unfall leichte Verletzungen. Er befand sich vom 27. 11. bis 17. 2. 2000 im Krankenstand. Während dieser Zeit setzte der Kläger einen Ersatzfahrer ein. Auf Grund des Unfalles fuhr ein Fahrer des Klägers mit einem Firmen-PKW zur beklagten Partei, damit dort der LKW-Zug übernommen und zum Bestimmungsort gebracht werden konnte. Der PKW musste von einem anderen Fahrer nach Trofaiach zurückgebracht werden. Am 30. 11. wurde T*****, der noch nicht in der Lage war, mit dem Zug zu kommen, von einem Fahrer des Klägers abgeholt und nach Trofaiach gebracht.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei EUR 6.780,40 sA und zwar EUR 5.959,54 an Kosten für die Ersatzarbeitskraft während des Krankenstandes von T*****, EUR 421,50 für die Überstellung des Ersatzfahrers zur beklagten Partei und EUR 399,70 für die Abholung von T*****. Der Kläger brachte vor, der Dienstnehmer der beklagten Partei habe den Unfall durch schlechte Befestigung der Holzelemente bzw dadurch, dass er den Stapler zu knapp neben den LKW stellte, allein verschuldet.

In der Folge brachte der Kläger vor, die Lohn- und Lohnnebenkosten für T***** hätten während des Krankenstandes EUR 1.491,13 betragen. Seine Verletzungen würden ein Schmerzengeld von EUR 2.906,91 rechtfertigen. T***** habe seinen diesbezüglichen Anspruch dem Kläger abgetreten. Die geltend gemachten Ansprüche stütze der Kläger "vorsichtshalber" auch auf den Titel dieser Lohn- und Lohnnebenkosten und des Schmerzengeldes. In der Folge bezifferte der Kläger die angemessene Schmerzengeldforderung mit mindestens EUR 3.800,- -, in seiner Berufung gegen das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wird allerdings die Schmerzengeldforderung nur mit EUR 2.720,-- releviert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das vom Kläger angerufene Berufungsgericht hob die angefochtene Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte aus, es liege ein Hauptbegehren des Klägers über EUR 6.780,74 und ein - rechtlich zulässiges - Eventualbegehren über EUR 5.291,13 (= EUR 3.800,-- für die abgetretene Schmerzengeldforderung und EUR 1.491,13 an Lohn- und Lohnnebenkosten) vor. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sei hievon ein Gesamtbetrag von restlich EUR 4.211,13 gegenständlich.

Das erstgerichtliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht trotz Abweisung des Hauptbegehrens über das Eventualbegehren nicht entschieden habe. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren über das Eventualbegehren, soweit dieses in der Berufung noch aufrecht erhalten worden sei (sohin über EUR 4.211,13 sA) zu entscheiden habe.

In der Sache selbst führte das Berufungsgericht aus, es bestehe kein direktes Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen, weshalb die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nicht zum Tragen komme. Eine deliktische Haftung der beklagten Partei komme mangels Nachweises eines Verschuldens ebenfalls nicht in Frage, der Kläger habe auch nicht behauptet, dass sich die beklagte Partei eines untüchtigen oder wissentlich gefährlichen Besorgungsgehilfen im Sinne des § 1315 ABGB bedient habe.

Die von der beklagten Partei relevierte Haftungsbeschränkung nach § 333 Abs 1 ASVG greife hier nicht, weil der Mitarbeiter des Klägers bei Vornahme der Ladetätigkeit nicht in den Betrieb der beklagten Partei eingegliedert gewesen sei.

Allerdings habe sich das Erstgericht mit der Frage der Gefährdungshaftung nach dem EKHG nicht auseinandergesetzt. Diese Haftung sei gegenüber der Verschuldenshaftung nach den §§ 1295 ff ABGB kein aliud, sondern ein minus, sie sei auch dann zu erörtern, wenn ausdrücklich nur Verschulden geltend gemacht werde. Nach dem Vorbringen des Klägers sei die beklagte Partei auch Halterin des Hubstaplers, bei dessen Betrieb sich der Unfall ereignet habe. Das Abstellen eines KFZ zum Zwecke seines Be- und Entladens setze dieses noch nicht außer Betrieb, sondern gehöre auch die Ladung zur Betriebseinrichtung eines KFZ; auch deren Herunterfallen betreffe daher den Betrieb des Fahrzeuges. Allerdings müsse der Unfall mit dem eigentlichen Vorgang des Be- und Entladens zusammenhängen. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen seien zur Beurteilung der Frage, ob und in welcher Weise das EKHG zur Anwendung komme, nicht ausreichend. Es werde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob der Seitenstapler eine Bauartgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h aufweise. Die weitere Voraussetzung für die Anwendung des EKHG, nämlich dass sich der Unfall beim Betrieb des KFZ ereignet habe, sei allerdings zu bejahen, weil sich der Unfall im Zusammenhang mit dem Beladungsvorgang ereignet habe und S***** den Motor des Seitenstaplers noch laufen habe lassen.

Der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG sei der beklagten Partei im Hinblick auf die negativen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht gelungen. Allerdings könne ein Mitverschulden des LKW-Lenkers nicht unterstellt werden. Für die Bedienung des Seitenstaplers und die ordnungsgemäße Befestigung der Ladung sei der Staplerfahrer allein verantwortlich. T***** sei auch gerade mit dem Abplanen beschäftigt gewesen und mit dem Rücken zum Hubstapler gestanden, als S***** neben dem LKW angehalten habe. Er habe also das Ablösen der Ladung auch nicht rechtzeitig wahrnehmen können.

Unter den vorgenannten Prämissen müsse sich das Erstgericht noch ergänzend mit der Höhe der geltend gemachten Positionen, und zwar zunächst mit jenen des Hauptbegehrens auseinandersetzen. So stehe hinsichtlich der Kosten der Ersatzarbeitskraft nicht fest, wieviel der Kläger dafür zusätzlich zahlen musste. Auch die tatsächlichen Kosten für die weiteren Positionen (Fahrtkosten für die Überstellung des Ersatzfahrers und Abholung von T*****, seien noch gesondert zu überprüfen und festzustellen.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht als folgenden Gründen für zulässig:

1. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob und inwieweit ein Substitut oder Subunternehmer auch vertragliche Schadenersatzansprüche direkt gegen den Geschäftsherrn richten könne, wenn er von dessen Erfüllungsgehilfen geschädigt werde;

2. Es fehle eine Rechtsprechung dazu, ob ein Unfall, der auf das Herabfallen der Ladung von einem neben einem LKW abgestellten Hubstapler im Zuge der Vorbereitung des Beladens zurückzuführen sei, in rechtlicher Hinsicht als Unfall beim Betrieb des Hubstaplers zu werten sei.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage der vertraglichen Schadenersatzansprüche eines Substituten oder Subunternehmers gegen den Geschäftsherrn bei Schädigung durch dessen Erfüllungsgehilfen wird im Rechtsmittel der beklagten Partei nicht releviert, weshalb darauf nicht einzugehen ist.

Die weiters als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob sich der Unfall beim Betrieb des Hubstaplers im Sinne des § 11 EKHG ereignete, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO. Der Begriff "beim Betrieb" im Sinne des § 1 EKHG ist dahin zu verstehen, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquater Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Kraftfahrzeuges bestehen muss. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und geht daher über die Bedeutung des Anlassfalles nicht hinaus (9 ObA 211/99s).

Aber auch im Rechtsmittel der beklagten Partei werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan. Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel folgendes geltend:

1. Der Kläger habe seinen Anspruch nur auf Verschulden gestützt, die Frage der Haftung nach dem EKHG sei daher nicht zu prüfen.

2. Es liege kein Eventualbegehren vor, weil ein Eventualbegehren ausdrücklich als solches zu bezeichnen sei.

3. Das EKHG könne nicht als Haftungsgrundlage herangezogen werden, weil keine Verwendung beim Betrieb des KFZ vorliege.

4. Ivan T***** treffe ein Mitverschulden von mindestens der Hälfte.

5. Die Haftungsbefreiung nach §§ 333 ff ASVG komme zum Tragen.

Hiezu wurde erwogen:

Zu 1.: Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Gefährdungshaftung nach dem EKHG im Verhältnis zur bürgerlich-rechtlichen Verschuldenshaftung ein minus ist; eine auf behauptetes Verschulden gestützte Klage schließt die Haftung aus Gefährdung mit ein (Apathy, Komm z EKHG, § 1 Rz 3; Schauer in Schwimann2, ABGB, Rz 9 vor § 1 EKHG jeweils mwN).

Von dieser Rechtsprechung ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

Zu 2.: Es entspricht auch der Lehre und Rechtsprechung, dass eine Eventualklagenhäufung an sich zulässig ist (Fasching in Fasching/Konecny2 III § 227 ZPO Rz 6; derselbe, LB2, Rz 1133 jeweils mwN). Ob im konkreten Fall der Kläger ein diesbezüglich ausreichendes Vorbringen erstattet hat, ist aber eine Frage des Einzelfalles. Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, liegt nicht vor, hat doch der Kläger vorgebracht, dass er die geltend gemachten Ansprüche "vorsichtshalber" auch auf den Titel der Lohn- und Lohnnebenkosten für Ivan T***** bzw auf den Titel des Ivan T***** zustehenden Schmerzengeldes stütze.

Zu 3.: Die Frage, ob sich der Unfall "beim Betrieb" im Sinne des § 1 EKHG ereignete, erfüllt, wie schon oben dargelegt, nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO. Auch das Herunterfallen der Ladung betrifft den Betrieb des KFZ (ZVR 1984/326).

Zu 4.: Die Frage, ob den Verletzten Invan T***** doch eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten betrifft, kann nur auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Ob und welche Maßnahmen ihm im konkreten Fall noch zumutbar gewesen wären, um den Unfall zu vermeiden, erfüllt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Zu 5.: Nach ständiger Rechtsprechung sind für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Schädigung maßgebend, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (vgl 8 Ob 115/03z).

Das Rechtsmittel der beklagten Partei ist daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Partei nicht hingewiesen hat. Sie hat zwar das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage releviert, daraus aber nicht den Schluss gezogen, dass das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen sei.

Letztlich ist - obwohl dies im Rekurs der beklagten Partei nicht geltend gemacht wurde - auf Folgendes hinzuweisen. Im Falle einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sind nach § 13 EKHG zu ersetzen die Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung, der Vermögensnachteil, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert ist, die Kosten aus einer Vermehrung seiner Bedürfnisse, ein angemessenes Schmerzengeld und eine Verunstaltungsentschädigung. Derartige Kosten sind im vorliegenden Rechtsstreit das angemessene Schmerzengeld des T***** (der Anspruch wurde an die klagende Partei abgetreten) und der Anspruch der klagenden Partei auf Ersatz der Lohnfortzahlung (Danzl, EKHG7 § 13 E 52b). Weiters stehen der klagenden Partei noch die Kosten des Rücktransportes des verletzten T***** zu (vgl RIS-Justiz RS0030445). Der eigene Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft des Verletzten ist dagegen nicht zu ersetzen (Danzl aaO). Nicht unter § 13 EKHG subsumierbar sind daher die Kosten der Ersatzarbeitskraft während des verletzungsbedingten Ausfalles von T***** und die Kosten der Überstellung des Ersatzfahrers.

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