OGH 10Ob3/04w

OGH10Ob3/04w12.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef R*****, Pensionist, *****, und 2. Verlassenschaft nach der am 3. Juni 2001 verstorbenen Inge R*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Michael Medwed, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Angelika R*****, Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, *****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen 19.127,49 EUR sA (Revisionsinteresse 18.168,21 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2003, GZ 3 R 161/03y-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2. Juni 2003, GZ 6 C 127/01d-28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.101,07 EUR (darin 183,51 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Mietvertrag vom 8. 4. 1992 haben die Kläger der Beklagten die im zweiten Stockwerk des Hauses G***** gelegenen, 150 m2 großen Räumlichkeiten ("ein ausgeräumtes ehemaliges Büro", das in diesem Zustand nicht für den Betrieb einer Zahnarztordination geeignet war) zum Zweck des Betriebs einer Zahnarztordination vermietet. Sie erteilten der Beklagten die ausdrückliche Zustimmung, dass sie das Bestandobjekt auf ihre Kosten (wie "aus dem beiliegenden Plan ersichtlich") neu adaptiert und in eine Zahnarztordination umbaut. Darüber, ob die Beklagte das Bestandobjekt bei Vertragsende in den bei Vertragsbeginn bestehenden Zustand zurückversetzen soll, haben die Vertragspartner weder Vereinbarungen getroffen noch gesprochen. Die Beklagte ließ das Bestandobjekt für den Betrieb ihrer Zahnarztordination umbauen (Erhöhung der Böden, um Leitungen zu verlegen; Verkleidung des Balkons; Einbau von Anschlüssen für einen Kompressor; Errichtung einer Eingangstür am Treppenabsatz; Erneuerung der Stromversorgungseinrichtungen; Verlegen und Vergrößern von Heizkörpern).

Die Beklagte kündigte das Bestandverhältnis zum 31. 12. 2000 auf und beließ das Bestandobjekt in diesem veränderten Zustand. Für das Entfernen und Entsorgen dieser Veränderungen sind Kosten von 20.937,24 EUR zu erwarten.

Abgesehen von dem im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Benützungsentgelt für Jänner 2001 sprach das Erstgericht den Klägern die gesamten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bestandobjekts begehrten 18.168,21 EUR zu. Ein Bestandnehmer habe nach § 1109 ABGB den Bestandgegenstand nach Beendigung des Bestandverhältnisses grundsätzlich in dem von ihm übernommenen Zustand zurückzustellen, also bei einer von ihm vorgenommenen Veränderung des Bestandgegenstandes den früheren Zustand wieder herzustellen. Die Zustimmung des Bestandgebers zur Vornahme einer Änderung am Bestandobjekt könne nicht als stillschweigende Vereinbarung der Belassung des Bestandgegenstandes im veränderten Zustand nach Beendigung des Bestandverhältnisses angesehen werden. Im konkreten Fall seien die Vermieter nicht verpflichtet, die von der Mieterin vorgenommenen Änderungen zu dulden. Da die Mieterin die Herstellung des geschuldeten Zustandes ablehne, seien die Bestandgeber berechtigt, den Ersatz der Kosten der Herstellung dieses Zustandes zu verlangen, und zwar unabhängig davon, ob die Ersatzvornahme bereits veranlasst worden sei oder nicht.

Hinsichtlich des begehrten Ersatzes für die Wiederherstellung des vorigen Zustandes des Bestandobjekts (EUR 18.168,21) gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge und wies das entsprechende Begehren ab. Der auf den vorliegenden Fall anwendbare § 9 Abs 3 MRG derogiere dem § 1109 ABGB insoweit, als die in § 1109 ABGB dispositiv normierte Pflicht des Mieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nur dann bestehe, wenn der Vermieter seine Zustimmung zur Veränderung von der Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes bei Zurückstellung des Bestandgegenstandes abhängig gemacht habe. Ohne einen derartigen Vorbehalt sei der Mieter nicht zur Wiederherstellung verpflichtet. Die Zustimmung des Vermieters werde in einem solchen Fall ohne die Bedingung der späteren Wiederherstellung erteilt. Mangels Ausspruchs des in § 9 Abs 3 MRG vorgesehenen Wiederherstellungsvorbehalts hätten die Vermieter im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten des Entfernens der Umbauten und der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Rechtsfrage, inwieweit der in § 9 Abs 3 MRG enthaltene Wiederherstellungsvorbehalt der in § 1109 ABGB enthaltenen Rückstellungsverpflichtung im übernommenen Zustand derogiere (aber auch die Frage, ob die bloße Zustimmung des Vermieters zu Änderungen als konkludente Vereinbarung anzusehen sei, dass der Bestandgegenstand im veränderten Zustand zurückzustellen sei), sowohl in der Judikatur als auch in der Lehre unterschiedlich beantwortet würden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne eines Zuspruchs von weiteren 18.168,21 EUR sA Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision wird die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichts, dass das Bestandverhältnis dem § 1 Abs 1 MRG unterliegt und keiner der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 - 5 MRG eingreift, nicht in Frage gestellt.

Grundsätzlich kann sich der Vermieter bei wesentlichen Veränderungen des Bestandobjekts die Wiederherstellung des vorigen Zustandes nach Ende des Bestandverhältnisses vorbehalten (§ 1109 ABGB, § 9 Abs 3 MRG; Hausmann/Vonkilch, Österr Wohnrecht 3. ErgLfg [2003] § 9 MRG Rz 54). Ausgeschlossen ist ein solcher Vorbehalt nur in den in § 9 Abs 2 MRG angeführten Fällen, soweit nicht im Zusammenhang mit einer bestimmten einzelnen Maßnahme etwas anderes vereinbart wurde (s Würth in Rummel3 § 9 MRG Rz 7). Im Sinne des § 9 Abs 3 MRG besteht eine Pflicht des Bestandnehmers zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nur dann, wenn sich der Bestandgeber diese wirksam vorbehalten hat. Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerber derogiert § 9 Abs 3 MRG - für den Anwendungsbereich des MRG - insoweit dem § 1109 ABGB (Pletzer in Schwimann2 § 9 MRG Rz 90; offen lassend noch 5 Ob 33/93 = Miet 45.239/18), der eine Wiederherstellungsverpflichtung des Bestandnehmers vorsieht, die aber vertraglich abbedungen werden kann (vgl 2 Ob 599/82 = Miet 35.202, 6 Ob 297/99s = Miet 51.146 [Pachtobjekt] und OLG Linz 12 Ra 125/88 = Arb 10.770 [Personalwohnung - treuwidrige Gelendmachung eines Wiederherstellungsanspruchs]).

§ 9 Abs 3 MRG zeigt, dass eine Zustimmung des Bestandgebers zu Veränderungen eine Verpflichtung zur Wiederherstellung nicht ausschließt, aber nur sofern sich der Bestandgeber diese Verpflichtung des Bestandnehmers ausdrücklich oder schlüssig vorbehält. Aus der Zustimmung des Bestandgebers zur Veränderung kann daher für sich allein nicht abgeleitet werden, dass damit auch jedenfalls einem Belassen des Bestandgegenstandes im veränderten Zustand nach Beendigung des Bestandverhältnisses zugestimmt wird (vgl LGZ Graz 3 R 434/98k, Miet 51.147, zu § 1109 ABGB), zumal der Bestandgeber eben seine Zustimmung zur Veränderung von der Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorigen Zustands abhängig machen kann. Tut er dies nicht, kann er im Anwendungsbereich des MRG allerdings nicht später - bei Beendigung des Bestandverhältnisses - die Wiederherstellung verlangen.

Entgegen der Ansicht der klagenden Parteien ist die aus § 9 Abs 3 MRG hervorgehende Wertung, dass sich der Bestandgeber die Wiederherstellung des früheren Zustandes wirksam vorbehalten muss, auf den Fall zu übertragen, dass sich die Parteien des Bestandvertrags bereits im Bestandvertrag darauf geeinigt haben, dass dem Bestandnehmer eine Berechtigung zu wesentlichen Veränderungen eingeräumt ist, die dann während des aufrechten Bestandverhältnisses durchgeführt werden. Gerade in einer solchen Konstellation ist erst recht zu erwarten, dass eine Wiederherstellungsverpflichtung im Vertrag selbst oder einer gleichzeitig abzuschließenden Nebenvereinbarung (und nicht durch einseitige Erklärung innerhalb der zweimonatigen Frist des § 9 Abs 1 Satz 2 MRG) vorbehalten wird, wie es im Übrigen in der Vertragspraxis auch durchaus üblich ist. Die Übertragung der Wertung gilt gleichermaßen für Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten. Dass die unwiderlegliche Vermutung des § 9 Abs 2 Z 1 MRG nicht auf Geschäftsräumlichkeiten anzuwenden ist (5 Ob 1081/91 = Miet 43.166 = RIS-Justiz RS0069564), ist im gegebenen Zusammenhang nicht von Belang.

Hinweise auf einen solchen Wiederherstellungs-Vorbehalt des Bestandgebers können den festgestellten Vereinbarungen zwischen den Parteien allerdings nicht entnommen werden. Auch die in der Revision geäußerte Ansicht, es sei im vorliegenden Fall Parteiwille gewesen, § 1109 ABGB und damit die Verpflichtung der Bestandnehmerin zur Rückführung des Bestandobjektes in den vorigen Zustand bei Beendigung des Bestandverhältnisses zur Anwendung kommen zu lassen, findet in den Feststellungen der Tatsacheninstanzen keine Deckung.

Die Revision der klagenden Parteien erweist sich daher nicht als berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte