OGH 1Ob56/04y

OGH1Ob56/04y12.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kunigunde K*****, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) H***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2) Ing. Friedbert H*****, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 14.534,57 bzw 29.069,14 EUR sA und Feststellung (Streitwert 29.069,14 bzw 58.138,27 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und beider beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2004, GZ 5 R 56/03d-268, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zu den Rechtsmitteln beider beklagter Parteien:

1. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 27. 4. 1999, 1 Ob 31/99m, ausgesprochen dass das rechtliche Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung - nach der damaligen Sachlage - zu bejahen sei, zumal die erstbeklagte Partei und der damalige Drittbeklagte Leistungsprozesse gegen die Klägerin angestrengt hätten und diese bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens unterbrochen seien; sie selbst habe keine Leistungsklage erheben können, die beklagten Parteien berühmten sich aber einer Forderung, der die Klägerin entgegentrete (S 22 der zitierten Entscheidung). Damit gehen die Ausführungen der beiden verbliebenen Beklagten ins Leere, die darauf abzielen, die Klägerin könnte schon längst ein Leistungsbegehren erheben, weil ihre Ansprüche auf Zahlung von Sanierungskosten längst geklärt seien.

2. Der Sachverhalt, wie er sich zur Zeit der Entscheidung 1 Ob 31/99m darstellte, hat zumindest insoweit keine Änderung erfahren, als der von der erstbeklagten Partei gegen die Klägerin angestrengte Leistungsprozess noch immer nicht entschieden ist. Dieses Verfahren wurde letztlich nicht weiter fortgesetzt, wenngleich die hier erstbeklagte Partei ihr dortiges Begehren um 50 % einschränkte (S 8 f des Berufungsurteils). Von einer Abklärung aller Ansprüche, insbesondere der Forderung der erstbeklagten Partei gegen die Klägerin, kann somit keine Rede sein. Im Übrigen ist im Verfahren zur Durchsetzung der vom ehemals Drittbeklagten erhobenen Ansprüche "Ruhen" eingetreten (S 3 der Revision der erstbeklagten Partei), woraus aber nicht der Schluss gezogen werden kann, diese Ansprüche seien infolge Verjährung gänzlich erledigt, zumal Verjährung nur über entsprechende Einrede wahrzunehmen ist (§ 1501 ABGB). Entgegen der Ansicht der beklagten Parteien ist es gewiss prozessökonomisch, insgesamt die Haftungsfrage für die Sanierungskosten im vorliegenden Rechtsstreit zu klären, gleichgültig ob es sich um Ansprüche der Klägerin oder der beklagten Parteien handelt.

In der Frage der Bindungswirkung bestehen keinesfalls widersprechende Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte; im Übrigen bindet die des Obersten Gerichtshofs jedenfalls sämtliche Untergerichte.

3. Die Formulierung des Feststellungsbegehrens ist einwandfrei, ein Leistungsbegehren ist diesem nicht immanent. Bei vernünftiger und sachgerechter Auslegung des Feststellungsurteils ist es klar, dass die Haftung der beklagten Parteien nur für berechtigte Sanierungskosten bestehen kann; deren Haftung in unlimitierter Höhe ist aus diesem Urteil nicht zu erschließen.

Die Streitteile sind sich darüber einig, dass der Hangrutsch am 2. 11. 1992 stattgefunden hat. Es gab auch nur diesen einen Vorfall, aus dem die Klägerin ihr Begehren ableitet. Nun kann das Gericht dem Urteilsspruch eine dem Gesetz entsprechende, vom Begehrenswortlaut abweichende Fassung geben, wenn er sachlich nicht mehr oder etwas anderes enthält als das Begehren, das durch die Behauptungen der Klägerin inhaltlich klar umschrieben ist (vgl 1 Ob 239/97x; 8 Ob 541/87 uva). Ein aliud wurde nicht zugesprochen, sondern das, was nach dem Vorbringen der Klägerin ohnedies begehrt wurde (vgl 4 Ob 239/01b uva). Überdies hat die Klägerin ihr Begehren in der Tagsatzung vom 26. 5. 2000 (AS 2231) modifiziert und ist dort das richtige Datum des Hangrutsches genannt (siehe auch S 15 der Berufungsentscheidung).

Das Klagebegehren ist keinesfalls unbestimmt, denn es gab nur einen von den beklagten Parteien verursachten Hangrutsch, sodass die Aufnahme des Ortes des Hangrutsches in das Feststellungsbegehren überflüssig war.

4. Der Umstand, das bestimmte Forderungen aus dem Titel Sanierungskosten bereits verjährt sein könnten, kann dem Feststellungsinteresse keinen Abbruch tun. Hiezu ist auf die Ausführungen zu Punkt 2 zu verweisen.

II. Zu einem weiteren Argument der erstbeklagten Partei:

Entgegen der Ansicht der erstbeklagten Partei hat sie sich tatsächlich die "Mehrkosten für die Grundstücksanschaffung" im Teilbetrag von 80.000 S (= 5.813,83 EUR) "zurechnen" lassen, hat sie doch zugestanden, dass die klagende Partei insoweit 80.000 S geltend gemacht hat und (lediglich) darüber hinaus ein Zuspruch nicht zulässig sei (S 3 und 6 ihrer Berufung vom 16. 10. 2003, ON 259).

III. Zur Revision der Klägerin:

1. Es wurde schon oben dargestellt, dass sich der Entscheidungssachverhalt seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 27. 4. 1999 nicht soweit verändert hat, dass das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung weggefallen wäre. Das bedeutet aber nicht, dass diesem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben werden müsste. Der erkennende Senat sprach zu 1 Ob 31/99m nämlich lediglich aus, dass über das gegen die erstbeklagte Partei und den Zweitbeklagten gerichtete Feststellungsbegehren vom Gericht erster Instanz in der Sache zu entscheiden sein wird; davon, dass dieses Begehren zu Recht bestehe, ist in dieser Entscheidung keine Rede.

2. Die Klägerin hat sehr wohl einen Pauschalbetrag begehrt, der geringer ist als die Summe der einzelnen Klagsforderungen. Daher hätte sie aber letztlich den pauschal geltend gemachten Schadenersatzbetrag weiter aufgliedern und den einzelnen Forderungen in bestimmter Weise zuordnen müssen, denn die Aufteilung des geltend gemachten Pauschalbetrags auf die einzelnen Rechtsverhältnisse darf nicht dem Gericht überlassen werden (EvBl 2002/85 mwN; insbesondere SZ 70/136). OGH-Judikatur zu diesem Fragenkomplex ist - wie die Zitate zeigen - ausreichend vorhanden.

3. Mit dem Thema, es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber, ob die Modifizierung eines vom Obersten Gerichtshof als berechtigt erkannten Feststellungsbegehren Kostenfolgen nach sich ziehe, trägt die Klägerin in unzulässiger Weise ein Kostenproblem an den Obersten Gerichtshof heran (siehe Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 5 zu § 528 mwN).

4. Der Einwand, die erstbeklagte Partei habe ihre Gegenforderung nie substantiiert, weshalb mangels Bezifferung ein Zuspruch nicht möglich sei, ist nicht recht verständlich. Hiezu ist auf die detaillierte Einwendung der Gegenforderung bereits mit Schriftsatz vom 14. 12. 1995 (AS 618 f in Bd I) und auf die der Haftungsquote von 50 % entsprechende Einschränkung im Schriftsatz vom 18. 5. 2001 (AS 2345 ff) zu verweisen.

5. Letztlich ist auch der Einwand der Klägerin, die von ihr bereits in der Berufung geltend gemachte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens sowie eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz lägen vor, verfehlt: Weder eine schon vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit (S 26 f des Berufungsurteils) noch eine von diesem bereits verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (S 33 f des Berufungsurteils) können im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof neuerlich gerügt werden (Kodek aaO Rz 2 und 3 zu § 503 mwN).

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