OGH 11Os91/04

OGH11Os91/0428.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter W***** und Vadis Konadu A***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 26. Mai 2004, GZ 425 Hv 2/04t-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, und es werden das angefochtene Urteil und der Wahrspruch der Geschworenen aufgehoben und die Strafsache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Walter W***** und Vadis Konadu A***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 25. September 2003 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, und zwar fünf Mobiltelefone im Wert von 700 Euro, dem Robert Z***** mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Walter W***** von Robert Z***** die Ausfolgung der Mobiltelefone forderte, während sich Vadis Konadu A***** in bedrohlicher Haltung neben Walter W***** stellte und rief, sie wollten nicht diskutieren.

Die Geschworenen hatten die hinsichtlich der beiden Angeklagten gestellten Hauptfragen wegen des Verbrechens des schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Deliktsfall StGB) mit der Einschränkung bejaht, dass die Worte "unter Verwendung einer Waffe" und "wobei er ein Messer zückte und dieses gegen Robert Z***** richtete" zu entfallen hatten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wenden sich die auf die Z 6, 10a, 11 lit a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten und von ihrem Verteidiger Dr. A***** ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten. Auf die zeitlich später eingelangte Rechtsmittelausführung für den Angeklagten Vadis Konadu A***** durch seinen ihm gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger Dr. S***** (ON 99) war keine Rücksicht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorsieht (Mayerhofer StPO5 § 284 E 3 und § 285 E 36, 11 Os 62/94).

Den Nichtigkeitsbeschwerden kann die Berechtigung nicht abgesprochen werden, wobei der Oberste Gerichtshof der Argumentation der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme beitritt:

Bereits in der Fragenrüge (Z 6) weisen die Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass in der Hauptverhandlung Umstände hervorgekommen sind, die die Stellung einer Eventualfrage wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB erfordert hätten. Sowohl die Aussagen des Zeugen Robert Z*****, wonach die Angeklagten nicht lange reden wollten, sonst würden sie alles zusammenhauen (S 93/II, vgl auch S 283/I), als auch die Angaben der Zeugin Jasenka Z*****, die deponierte, der Zweitangeklagte habe geäußert, sie seien nicht gekommen, um zu diskutieren, sondern um das Geschäft herzurichten (S 125/II, siehe auch S 277/I), lassen nämlich, auch angesichts der - nach Wegfall der Waffenqualifikation - im Wahrspruch verbliebenen Ausführungshandlungen, den Schluss zu, die Angeklagten könnten lediglich mit einer Sachbeschädigung, nicht aber mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gedroht haben. In diesem Fall wäre aber bloß von der Verwirklichung des Tatbestandes der Erpressung auszugehen (vgl JUS 6/2332).

Auch mit dem in der Subsumtionsrüge (Z 12, der Sache nach Z 6) erhobenen Einwand, die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen reichten für eine Subsumtion unter § 142 StGB nicht aus, zeigen die Nichtigkeitswerber dem Inhalt nach eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung auf. Nach § 312 StPO sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt-)Frage aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung (nach Ort, Zeit, Gegenstand und dergleichen) der dem Täter angelasteten Tat(en) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfung dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 2 Z 11 lit a, 12, 13) gewährleistet (Schindler in WK-StPO § 312 Rz 24). Lässt daher der Wahrspruch eine ausreichende Konkretisierung sämtlicher Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale vermissen und macht er dadurch eine rechtliche Überprüfung unmöglich, liegt, weil der Wahrspruch auf einer Fragestellung basiert, die den gesetzlichen Anforderungen des § 312 Abs 1 StPO nicht Rechnung trägt, Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO vor (vgl 12 Os 53, 54/92, 13 Os 123/00, 11 Os 147/03; Mayerhofer aaO § 345 Z 11 a Anm zu E 7). Im vorliegenden Fall lässt das Verdikt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob die vom Zweitangeklagten eingenommene "bedrohliche Haltung" den Opfern den Eindruck gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder bloß der bevorstehenden Beeinträchtigung sonstiger für die Verwirklichung des § 142 Abs 1 StGB nicht hinreichender Rechtsgüter vermitteln sollte. Ungeachtet der ständigen Judikatur, dass es sich beim Bedeutungsinhalt einer Aussage um eine Tatfrage handelt (Ratz in WK-StPO § 345 Rz 31), lässt sich auch aus der Äußerung, die Angeklagten wollten nicht diskutieren, schon vom Wortsinn her eine dem Tatbestand des Raubes unterfallende Drohung nicht ableiten.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden waren daher der Wahrspruch der Geschworenen samt dem darauf beruhenden angefochtenen Urteil aufzuheben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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