OGH 5Ob69/04i

OGH5Ob69/04i28.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Tittel und Dr. Baumann sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Ing. Michael R*****, Dienstnehmer, *****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Monika R*****, wider die Antragsgegner 1.) Andreas G*****, 2.) Auguste D*****, 3.) Ing. Alexander G*****, 4.) Mag. Otto Z***** , 5.) KR Dr. Wolfgang R*****, 6.) Mag. Mohamed Reza V***** T*****, 7.) Helmut K*****, 8.) DI Branko N*****, 9.) DI Martin K*****, 10.) Dr. Sibylle K*****, 11.) Martin G*****, 12.) Alexandra G*****, 13.) Dr. Ali T*****, 14.) Dr. Fatemeh T*****, 15.) Firma KR Dr. Wolfgang R*****, Fünft- und Fünfzehntantragsgegner vertreten durch Dr. Erich Kafka, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 iVm § 23 WEG 2002 (Bestellung eines vorläufigen Verwalters), über den Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. September 2003, GZ 38 R 105/03b-13, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. Februar 2003, GZ 22 Msch 120/02b-9, bestätigt wurde, nachstehenden

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Zum Verwalter der Liegenschaft *****, war die Firma KR Dr. Wolfgang R***** (= 15. AG) bestellt. Mit Mehrheitsbeschluss vom 24. 7. 2002 wurde das Vollmachtsverhältnis zum 31. 12. 2002 gekündigt. Der genannte Verwalter sowie der 5.-Antragsgegner beantragten die Überprüfung der Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses der Eigentümergemeinschaft nach § 24 Abs 6 WEG 2002 in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002. Dieses Verfahren ist noch zu 22 Msch 115/02t des Bezirksgerichtes Fünfhaus anhängig.

Mit seinem am 5. 12. 2002 bei Gericht eingelangten Antrag begehrt der Antragsteller (die Zweitantragstellerin ist diesem Begehren beigetreten) die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 23 WEG 2002 mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2003. Während des anhängigen Verfahrens zur Überprüfung der Wirksamkeit der Verwalterkündigung fehle es dem bisherigen Verwalter an der Berechtigung, Verwaltungshandlungen für die Liegenschaft vorzunehmen. Während dieses Verfahrens könne die Eigentümergemeinschaft auch keinen neuen Verwalter bestellen, weil erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung klar sei, ob die Neubestellung eines Verwalters überhaupt erforderlich oder zulässig sei. Es fehle daher ab 1. 1. 2003 an einem zur Verwaltung der Liegenschaft Berechtigten.

Im Verfahren stellte der Fünfzehntantragsgegner einen Zwischenantrag auf Feststellung dahin, dass er jedenfalls bis zur Rechtskraft des Sachbeschlusses im Verfahren 22 Msch 115/02t des Bezirksgerichtes Fünfhaus bestellter Verwalter der Liegenschaft sei. Dieses Begehren ist mittlerweile rechtskräftig abgewiesen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2003 ab. Werde eine ordentliche Verwalterkündigung gerichtlich angefochten, so werde dadurch der Eintritt der Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses gehemmt. Jedenfalls habe ein Verwalter aber ungeachtet der Beschlussanfechtung bei Gefahr in Verzug die notwendigen Maßnahmen zu setzen.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes dahin, dass eine ordentliche Verwalterkündigung dann keine Rechtswirksamkeit entfalte, wenn sie gerichtlich angefochten werde. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses sei der bisherige Verwalter unverändert als Verwalter der Liegenschaft anzusehen. Das Gericht habe mit einem ex tunc wirkenden feststellenden Sachbeschluss über die Anfechtung zu entscheiden. Ginge man von einer sofortigen Wirksamkeit der Aufkündigung aus, hätte dies während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit des Aufkündigung die Rechtsunsicherheit zur Folge, welcher Verwalter nun wirksam die Verwaltungsagenden der Liegenschaft führen dürfe. Damit bleibe für die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 23 WEG kein Raum. Auch solle nach Klärung der Wirksamkeit der Verwalterkündigung den Wohnungseigentümern noch Zeit bleiben, selbst einen neuen Verwalter zu wählen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur relevanten Frage, ob während der Dauer eines Verfahrens über die Anfechtung der Wirksamkeit einer ordentlichen Verwalterkündigung die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 23 WEG 2002 zulässig sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Erstantragstellers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne der Bestellung eines vorläufigen Verwalters.

Die Fünft- und Fünfzehntantragsgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Zutreffend weist der Revisionsrekurs auf die unterschiedliche rechtliche Qualität der gerichtlichen Entscheidung hin, je nachdem ob über die Anfechtung des Mehrheitsbeschlusses der ordentlichen Verwalterkündigung nach § 24 Abs 6 WEG 2002 iVm § 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002 (zuvor § 13b Abs 4 WEG 1975 iVm § 26 Abs 1 Z 4 WEG 1975) oder über die Abberufung eines Verwalters nach § 21 Abs 3 WEG 2002 iVm § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 (zuvor § 18 Abs 1 Z 3 und Abs 2 WEG 2002 iVm § 26 Abs 1 Z 8 WEG 1975) entschieden wurde. Während im ersten Fall ein ex tunc wirkender feststellender Sachbeschluss ergeht, ist im zweiten Fall ein rechtsgestaltender Sachbeschluss vorgesehen, der konstitutiv wirkt; mit Rechtskraft dieser Entscheidung ist der Verwaltungsvertrag beendet (SZ 52/180 = MietSlg 31.532/41; Würth in Rummel3 Rz 7 zu § 21 WEG; insofern zutreffend, Feil Praxiskommentar zum WEG 20025 Rz 23 zu § 21 WEG u.a.).

Die ordentliche Kündigung des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Verwaltungsvertrages obliegt als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung der Eigentümergemeinschaft und kann sowohl von der Mehrheit als auch vom Verwalter unter Einhaltung bestimmter Termine und Fristen ausgesprochen werden. § 24 Abs 6 WEG 2002 regelt (wie zuvor § 13b Abs 4 WEG 1975) ein Minderheitsrecht jedes Wohnungseigentümers, innerhalb eines Monates eine gerichtliche Überprüfung der Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses zu verlangen.

Zur Klärung der Frage, ob für die vorliegende Liegenschaft ein vorläufiger Verwalter nach § 23 WEG 2002 zu bestellen ist, ist Voraussetzung, dass kein Verwalter für die Eigentümergemeinschaft (mehr) bestellt ist. Dann erst kann nämlich ein einzelner Wohnungseigentümer die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen Verwalters beantragen.

Es ist daher zu untersuchen, welche rechtliche Bedeutung der Beschlussanfechtung hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses während der Dauer des Anfechtungsverfahrens zukommt. Dass mit der feststellenden Entscheidung über die Beschlussanfechtung endgültig über die Rechtswirksamkeit des Beschlusses der Wohnungseigentümer abgesprochen wird - dies im Fall der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses ex tunc - ist unstrittig. Dasselbe gilt im Übrigen für den Fall des Unterbleibens seiner fristgerechten Anfechtung.

Dazu wurde die Ansicht vertreten, dass die Anfechtbarkeit (dort nach § 13b Abs 4 WEG 1975) eines Beschlusses seine Vollziehbarkeit nicht hindere, was sich schon daraus ergebe, dass im Gesetz beispielhaft die Durchführung von Erhaltungsarbeiten als weiterhin durchzuführende Verwaltungsmaßnahmen genannt war (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 242, 245). In der Neuformulierung des § 13b Abs 4 WEG 1975 durch § 24 Abs 6 WEG 2002 ist nun der Beisatz, dass dadurch die Pflicht des Verwalters zur Vornahme von Erhaltungsarbeiten nicht berührt werde, nicht mehr enthalten. Die in der RV enthaltene "Klarstellung" dazu spricht aber eher die Regelung des § 1025 ABGB an, dass Geschäfte, welche keinen Aufschub dulden, vom bisherigen Verwalter auch bei Widerruf oder Aufkündigung seiner Vollmacht fortgesetzt werden müssen, bis eine andere Verfügung getroffen worden ist (RIS-Justiz RS0019903).

Zu unterscheiden ist der Eintritt der Rechtswirksamkeit eines Beschlusses von seinem Zustandekommen. Wie Würth (in Rummel3 Rz 2 zu § 24 WEG 2002) zutreffend ausführt, sind im zweiten Absatz des § 24 Abs 1 WEG 2002 zwei Dinge unzulässig miteinander vermengt worden: Einerseits der Abstimmungsvorgang mit der formalen Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung (wobei wiederum Zustandekommen und Wirksamkeit des Beschlusses verwechselt worden sind) und andererseits der Hinweis auf die Anfechtbarkeit des Beschlusses als "Einschränkung" seiner Wirksamkeit. Dazu hat der erkennende Senat schon ausgesprochen, dass dann, wenn der Anschein (Rechtsschein) eines Mehrheitsbeschlusses besteht, eine fristgerechte Anfechtung erforderlich ist (5 Ob 263/03t), um die Heilung eines vorhandenen Mangels zu verhindern. Die rechtzeitige Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bewirkt also eine zeitliche Einschränkung seiner Rechtswirksamkeit, bis seine Rechtmäßigkeit im Anfechtungsverfahren evaluiert ist oder aber der ex tunc wirkende Feststellungsausspruch der Unwirksamkeit des Beschlusses in Rechtskraft erwachsen ist. Zusammengefasst ist daher der Beschluss erst bei einem Unterbleiben der fristgerechten Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern endgültig rechtswirksam (vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 98 f zu § 24 WEG 2002).

Der anders zu beurteilende Fall des Verfahrens über die gerichtliche Abberufung eines Verwalters ist hier nicht zu untersuchen.

Das bedeutet, dass jedenfalls die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses über die ordentliche Kündigung eines Verwalters vom Ausgang des Anfechtungsverfahrens abhängt. Deshalb kann während des Laufes dieses Verfahrens nicht damit argumentiert werden, dass kein Verwalter bestellt sei und insofern die Bestellung eines vorläufigen Verwalters gemäß § 23 WEG 2002 zu erfolgen hätte.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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