OGH 2Ob109/03y

OGH2Ob109/03y23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jaqueline K*****, vertreten durch den Vater Wilhelm K*****, letzterer vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Judo L*****, vertreten durch den Obmann Franz S*****, letzterer vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Dr. Friedrich W. Ganzert und Dr. Helmut Greil, Rechtsanwälte in Wels, wegen EUR 13.938,84 sA und Feststellung (Streitwert EUR 2.180,18), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2003, GZ 12 R 248/02f‑33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. Oktober 2002, GZ 3 Cg 186/01i‑27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00109.03Y.0923.001

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.459,44 (darin enthalten EUR 243,44 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.999,16 (darin enthalten EUR 156,36 Umsatzsteuer und EUR 1.061 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der beklagte Verein organisiert ua das Training von Vereinsmitgliedern; seine Mitglieder nehmen auch an Wettkämpfen teil. Die Vereinsmitglieder zahlen an den Beklagten einen Mitgliedsbeitrag. Für die Teilnahme von Vereinsmitgliedern am Training wird kein (zusätzliches) Entgelt eingehoben. Die Trainer üben diese Funktion unentgeltlich (ehrenamtlich) aus.

Die Klägerin hatte von 1998 bis zum 4. 2. 2000 als Mitglied des beklagten Vereins den Judosport ausgeübt. Sie hatte die Prüfungen für den "gelben Gürtel" (5. Kyu) am 19. 1. 1999 abgelegt, trug jedoch beim Training am 4. 2. 2000 den ranghöheren "orangen Gürtel". Die dafür notwendigen Prüfungen hatte sie noch nicht abgelegt. Im Judopass der Klägerin war beim vierten Kyu die Prüfungsbestätigung von Gerhard H***** (einem Vereinsmitglied und geprüften Übungsleiter) eingetragen worden; die Klägerin hatte diese Prüfung zwar noch nicht abgelegt, nach Einschätzung von H***** aber die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für diesen vierten Kyu. Die Klägerin hatte an etlichen Wettkämpfen teilgenommen und galt als begabtes Nachwuchstalent. In der Grundausbildung am Beginn der Judosportausübung wird insbesondere die Falltechnik geübt und gelernt; diese Ausbildung hatte die Klägerin bis zum 4. 2. 2000 bereits absolviert.

Bei allen Übungen im Judotraining und auch bei einem Wettkampf gilt immer das grundlegende Prinzip der Verantwortung des Tori (Werfer) gegenüber Uke (Geworfener); dies wird den Sporttreibenden wie auch den Trainern von Anfang an vermittelt. Der Tori ist dafür verantwortlich, dass Uke ordnungsgemäß auf die Matte fällt und genug Zeit hat, seinen Fall entsprechend der Falltechnik zu gestalten.

Beim Training mit Kindern und Jugendlichen wird bei sachgerechter Ausführung der Wurf durch einen Trainer bewusst relativ langsam ausgeführt, um Uke die Gelegenheit zu geben, mit einem technisch sauberen Einsatz der richtigen Falltechnik reagieren zu können. Bei schnellerer (und kräftigerer), nicht verbal angekündigter Wurfausführung ist die richtige Reaktion für den jugendlichen Uke schwierig; er weiß zunächst nicht, ob der Wurf nach rechts oder nach links ausgeführt wird, muss danach aber beurteilen, ob er sein rechtes oder linkes Bein als Bremsbein einsetzt (abwinkelt). Kann Uke nicht ausreichend lang erkennen, wohin der Wurf geht, kann er auch den Einsatz des Bremsbeines nicht sachgerecht ausführen. Ein körperlich überlegener, größerer Tori ist einerseits in der Lage, Uke schnell(er) zu werfen, andererseits führen Knöchel und Beine von Uke durch die höhere Drehachse einen weiteren Weg in kürzerer Zeit aus, wodurch sich die Schwierigkeiten für Uke, das Bremsbein einzusetzen, zusätzlich erhöhen; dies muss ein überlegener, größerer Tori bei seinem Wurf berücksichtigen, eine erhöhte Sorgfalt beim Wurf anwenden und den Körper des Uke bis zum Auftreffen auf der Matte kontrollieren.

Manfred D*****, geboren am ***** 1960 ist Mitglied beim beklagten Verein, besitzt den ersten Dan und ist staatlich geprüfter Lehrwart (zweite Stufe der vierstufigen Trainerausbildung). Er übt seit 1978 den Judosport aus, hatte an zahlreichen Wettkämpfen teilgenommen und fungierte beim beklagten Verein auch als Trainingsleiter.

Am 4. 2. 2000 leitete das Vereinsmitglied Gerhard H***** (geprüfter Übungsleiter) das Training der 9- bis 15‑Jährigen, an dem auch die Klägerin teilnahm. Er lehrte und übte mit den Teilnehmerinnen den Wurf Harai Goshi, der auch schon in früheren Trainingseinheiten vorgezeigt und geübt worden war.

Ein Harai Goshi ist ein Hüftwurf mit folgender regelrechter Ausführung: Tori verwendet sein rechtes Bein als Schwungbein, Uke wird über die rechte Hüfte und über das rechte Schwungbein durch kräftigen Zug mit den Armen von Tori geworfen. Tori führt dabei Uke bis zum Boden und kontrolliert dessen Auftreffen auf der Matte. Beide Hände von Tori ergreifen den rechten Arm von Uke und versuchen, durch eine Aufwärtszugbewegung das Auftreffen des Körpers von Uke auf der Mattenfläche abzudämpfen. Vor dem Auftreffen auf der Matte winkelt Uke das (rechte) Bremsbein in einem Winkel von 90 Grad ab und kommt mit diesem Fuß vor dem Auftreffen des Körpers auf der Matte auf; dadurch wird ein Bremseffekt erzielt. Gleichzeitig schlägt Uke mit der freien linken Hand auf der Matte ab und dämpft dadurch zusätzlich die Auftreffwucht. Das Abwinkeln des Bremsbeines für das Dämpfen des Aufpralls auf der Matte und auch zur Verhinderung des Auftreffens eines Knöchels auf den anderen, bereits auf der Matte befindlichen Knöchel ist Uke nur dann möglich, wenn er auch seine Beine kontrollieren kann. Diese Beinkontrolle ist für Uke nicht möglich, wenn Tori die Wurfausführung mit zu starkem Schwung vornimmt. Durch eine regel‑ und sachgerechte (technisch saubere und korrekte) Ausführung eines Harai Goshi wird das übliche Verletzungsrisiko nicht und zwar auch dann nicht erhöht, wenn Uke diesen Wurf nicht beherrscht. Nur bei einer technisch nicht ordentlichen und unkontrollierten Wurfausführung verliert Tori die Kontrolle über den Wurfablauf; dadurch wird das Risiko einer Verletzung von Uke gegenüber einer sachgerechten und kontrollierten Ausführung erheblich vergrößert. Für Tori ist der Harai Goshi technisch anspruchsvoll, weil er überwiegend mit nur einem Standbein ausgeführt wird.

Am Ende der Trainingseinheit vom 4. 2. 2000 fand das Randori statt. Randori ist nicht Wettkampf, aber freies Training für den Wettkampf, bei dem Würfe aus der Bewegung heraus geübt werden. Randori dient dem Verbessern des Erlernten, der Übung der technisch sauberen Wurfausführung, wozu auch das technisch saubere Fallen von Uke gehört. Beim Randori ist es nicht üblich, die beabsichtigte Wurftechnik vorher anzukündigen.

Manfred D***** war etwas vor Beginn seiner eigenen Trainingseinheit in die Halle gekommen und stellte sich der Klägerin als Trainingspartner beim Randori zur Verfügung. Er setzte als Tori den Harai Goshi ein, bei dem die Klägerin so zu Fall kam, dass sie sich dabei einen Trümmerbruch des rechten Innenknöchels mit Gelenksbeteiligung zuzog.

Die unfallskausalen Ersatzansprüche der Klägerin betragen insgesamt EUR 12.773,‑- sA; unfallbedingte Spätfolgen sind möglich.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Verein die Zahlung von EUR 13.938,84 sA sowie die Haftungsfeststellung für künftige unfallbedingte Schäden und Nachteile. In Anbetracht ihres damals geringen Alters und Ausbildungsgrades habe der von Manfred D*****, einem Erwachsenen und in höchstem Grade ausgebildeten Judokämpfer, wettkampfmäßig und im Widerspruch zum Trainingskonsens durchgeführte Schulterwurf ein fahrlässiges Verhalten und eine Verletzung der Fürsorgepflicht dargestellt; dafür habe der beklagte Verein einzustehen.

Der beklagte Verein beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Verletzung der Klägerin sei dadurch entstanden, dass bei der Landung nach einem Wurf ihre beiden Knöchel aneinandergeschlagen seien; ein solches Missgeschick könne auch geübten Judokas widerfahren und liege bei einer Kampfsportart im Rahmen des zu tolerierenden Risikos. Ein Regelverstoß habe nicht vorgelegen; es fehle an der Passivlegitimation des Vereins.

Das Erstgericht verpflichtet den beklagten Verein zur Zahlung von EUR 12.773.70 sA und gab auch dem Feststellungsbegehren statt; ein Mehrbegehren von EUR 1.165,14 wies es ‑ unbekämpft ‑ ab. Es legte seiner Entscheidung über den schon eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch folgende weitere - zusammengefasste - Feststellungen zugrunde:

Falltechniken - eine davon ist der Einsatz des Bremsbeines - werden die Neulinge im Judosport - auch die Klägerin - von Anfang gelehrt und sie werden immer wieder geübt. Der Einsatz des Bremsbeines ist koordinativ schwierig und erfordert viel Trainingsaufwand und Übung. Der Harai Goshi wird in der Ausbildung ziemlich spät angesetzt; der Wurf ist schwierig und Uke muss den Einsatz des Bremsbeines beherrschen. Die Klägerin war nach ihrem damaligen Ausbildungsstand und nach ihrem Können zum Einsatz des Bremsbeines bei einer ihren Verhältnissen entsprechenden, technisch sauberen Wurfausführung in der Lage.

Manfred D***** behielt bei dem von ihm gesetzten Harai Goshi nicht die Kontrolle über den Körper von Uke bis zum Auftreffen auf der Matte. Die Klägerin konnte zufolge der Schnelligkeit und/oder Kraft der Ausführung durch Tori das Bremsbein nicht mehr abwinkeln; sie hatte keine Möglichkeit einer sachgerechten Reaktion. Die Ausführung des Harai Goshi durch Manfred D***** entsprach zumindest nicht der Judogrundregel, wonach Tori die Kontrolle über den Körper von Uke bis zu dessen sachgerechter Landung zu bewahren hat. Manfred D***** führte den Harai Goshi für die körperlichen und technischen Fähigkeiten der Klägerin zu dynamisch (zu schnell) aus, weshalb ihr die für eine auch nur ansatzweise (unvollständige) Anwendung der Falltechnik des Bremsbeines subjektiv erforderliche Zeit nicht zur Verfügung stand. Die Klägerin erlitt beim Auftreffen auf der Matte durch das Aufeinanderschlagen beider Knöchel den Trümmerbruch des rechten Innenknöchels mit Gelenksbeteiligung.

Rechtlich lastete das Erstgericht dem Manfred D***** eine Missachtung der fundamentalen Grundregel an, wonach Tori den Uke bis zum technisch einwandfreien Auftreffen auf der Matte unter Kontrolle haben müsse. Dieses zumindest leicht fahrlässige Verhalten führe zur Haftung des beklagten Vereins, dessen Passivlegitimation vermeintlich unbestritten geblieben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es erörterte ausgehend von den übernommenen und als ausreichend erachteten Feststellungen des Erstgerichtes rechtlich, Handlungen und Unterlassungen von Sportausübungen könnten wegen ihrer Sozialadäquanz dann nicht als rechtswidrig angesehen werden, soweit Gefährdungen der körperlichen Sicherheit und Körperverletzungen bei der Ausübung des Sportes nicht durch eine Vergrößerung des in der Natur der betreffenden Sportart gelegenen Risikos herbeigeführt würden. Die allgemeinen Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen, wie sie sonst bei Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und bei Körperverletzungen von Menschen gefordert würden, seien für den sportlichen Bereich reduziert. Bei Beurteilung für die Haftungsfrage werde unterschieden, ob ein "immer wieder vorkommender", also eher "typischer", oder aber ein darüber hinausgehender, also eher "atypischer" Regelverstoß vorliege. Jedenfalls liege eine gewisse, bei einzelnen Sportarten mehr oder weniger große bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Sportausübenden im Wesen des Sportes; das damit notwendigerweise verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit der anderen teilnehmenden Personen werde gebilligt. Bei sogenannten Kampfsportarten, zu denen auch Judo gehöre, seien ein teilweise engstes körperliches Naheverhältnis der Teilnehmer zueinander und wechselseitige körperliche Einwirkungen geradezu typisch. Bei solchen Sportarten müssten häufig Bewegungsabläufe und Reaktionen sehr rasch erfolgen, weshalb ein gewisses Gefährdungspotential für den Partner (Gegner) aus einer nicht optimalen Abstimmung des gegenseitigen Bewegungsverhaltens ein geradezu vorgezeichnetes Risiko darstelle.

Hier habe sich der Unfall der Klägerin beim sogenannten Randori ereignet; es sei dies zwar kein Wettkampf, aber doch ein Wettkampftraining, in dem erlerntes für den Wettkampf erprobt werden solle. Wettkampfnahes Training sei naturgemäß risikoträchtiger als eine Lehreinheit, bei der die Trainingsteilnehmer an Techniken erst langsam herangeführt würden. Zwar habe die Klägerin den unterschiedlichen Ausbildungs‑ bzw Leistungsstand zwischen ihr und Manfred D***** betont, doch mache weder dies noch die unterschiedlichen körperlichen Konstitutionen das gemeinsame Wettkampftraining alleine schon unzulässig oder unvertretbar gefährlich. Der Harai Goshi sei vor dem Unfall schon mehrfach geübt worden und die Klägerin sei zur richtigen Anwendung der Falltechnik grundsätzlich in der Lage gewesen. Der einzig verbleibende Vorwurf gegenüber Manfred D***** bestehe darin, dass er den Harai Goshi mit für die subjektiven Fähigkeiten der Klägerin zu großer Schnelligkeit und/oder Kraft ausgeführt habe, weshalb ihr keine ausreichende Zeit für die entsprechende Falltechnik verblieben sei. Das Erstgericht habe dieses Verhalten als leicht fahrlässig beurteilt. Die Verletzung des Grundsatzes der Wurfkontrolle durch Tori sei hier aber nur das retrospektive Ergebnis einer ex‑post‑Betrachtung. Ex‑ante betrachtet habe der Fehler des Manfred D***** darin bestanden, dass er die subjektive Reaktionsfähigkeit der Klägerin auf eine gerade zuvor trainierte Wurftechnik graduell überschätzt habe. Eine solche Fehleinschätzung sei bei einem wettkampfnahen Kampfsporttraining ein Sorgfaltsfehler, der auch einmal einem versierten und besonders umsichtigen Trainer unterlaufen könne; es stelle kein atypisches, dass in der Natur dieses Kampfsportes gelegene Risiko relevant erhöhendes Fehlverhalten dar. Auf die in der Berufung nicht mehr relevierte Frage der Passivlegitimation des beklagten Vereines müsse daher nicht eingegangen werden.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zu den Sorgfaltsanforderungen allgemein beim Judosport und die besonderen zu einer spezifisch wettkampfnahen Trainingsform keine höchstgerichtliche Judikatur bekannt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren zur Gänze (wohl nur hinsichtlich des noch strittigen Betrages von EUR 12.773,70 und des Feststellungsbegehrens) stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

In der Revision wird geltend gemacht, dass gerade von einem Trainer, der mit Kindern arbeitet, ein besonderes hohes Maß an Aufmerksamkeit und Vorsicht an den Tag gelegt werden müsse. Manfred D***** habe den Harai Goshi mit zu großer Schnelligkeit und Kraft und somit auf eine Art und Weise durchgeführt, dass die Klägerin keine Möglichkeit mehr gehabt habe, sich entsprechend zeitgerecht auf dieses Geschehen einzustellen und die erlernte Fallschule einsetzen zu können. Manfred D***** habe auch den Ausbildungsstand der Klägerin nicht exakt gekannt und den Wurf ohne vorherige Hinweise durchgeführt. Dadurch sei das mit dem Judosport üblicherweise verbundene Verletzungsrisiko wesentlich erhöht worden.

Dazu wurden erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern (SZ 54/133; SZ 60/176; SZ 72/2; ZVR 2001/95). Dies gilt nicht nur für Kampfsportarten, sondern auch für sonstige Sportarten, bei denen es wegen des notwendigen Naheverhältnisses der Teilnehmer zueinander oder zu den dabei verwendeten Sportgeräten zu Gefährdungen oder zu Verletzungen der Teilnehmer kommen kann. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, wie etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden sonst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt (SZ 60/176 ua). In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens auf Grund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden (Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 4/39; SZ 72/2; ZVR 2001/95). Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (SZ 72/2 mwN = ZVR 2000/6 aus Lehre und Rechtsprechung; ZVR 2001/95). Bei gegeneinander sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig. Dies gilt aber nur für Verhaltensweisen, die mit der Ausübung dieses Sportes oder Spieles in typischer Weise verbunden sind.

Zu Kampfsportarten, zu denen Judo jedenfalls zählt (Seebacher, Haftungsfragen bei Körperverletzung im Sport, 133f) wurde bereits ausgesprochen, dass die Verletzung eines Mitspielers dann nicht rechtswidrig ist, wenn sie sich aus typischen, beim Sport unvermeidlichen Verstößen gegen Spielregeln ergeben (SZ 54/133), bzw dass übliche leichte oder im Wettstreit oft unvermeidliche typische Regelverstöße in der Regel keinen Sorgfaltsverstoß begründen (SZ 68/141 mwN).

Diese auch vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung ist aber insoferne zu differenzieren, als zwischen einem eigentlichen Wettkampf und einem Training, also einem systematisch geplanten, pädagogisch fundierten und methodisch zielgerichteten Handlungsverlauf zur Steigerung und Optimierung sportlicher Leistungen (SZ 72/2) zu unterscheiden ist. Bei einer Sportausübung außerhalb eines Wettkampfes kommt der gegenseitigen Rücksichtnahme ein höherer Stellenwert zu als während eines eigentlichen Wettkampfes (SZ 72/2).

Im hier zu beurteilenden Fall ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin zwar in einem Randori also in einem freien Training für den Wettkampf und nicht in einem Wettkampf befand. Das Randori ist daher als Training anzusehen. Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum Unfallszeitpunkt 13 Jahre alt war und einem zum damaligen Zeitpunkt 39‑jährigen Trainingskollegen, der einen weit größeren Ausbildungsstand aufwies, gegenüberstand. Diesem Trainingskollegen war der genaue Ausbildungsstand der Klägerin nicht bekannt. Die Klägerin war auf Grund des von Manfred D***** gesetzten Wurfes nicht mehr in der Lage, das Bremsbein abzuwinkeln, weil der Wurf entweder zu schnell und/oder zu stark durchgeführt wurde und die Kontrolle über den Körper der Klägerin nicht bis zu ihrem Auftreffen auf die Matte behalten werden konnte.

Dieses Verhalten ist Manfred D***** als rechtswidrig und schuldhaft vorzuwerfen, weil er als älterer und erfahrener Werfer verpflichtet gewesen wäre, die Kontrolle über die geworfene Klägerin bis zu deren Auftreffen auf die Matte zu behalten.

Selbst wenn dieses Verhalten im Wettkampf unter gleich starken Gegnern nicht als schwerer Regelverstoß angesehen werden könnte, ist hier doch an die Sorgfaltspflichten des als Trainer anzusehenden Manfred D*****, der mit einem in Ausbildung stehenden Kind übt, ein höherer Maßstab anzulegen. Das Alleinverschulden trifft daher Manfred D*****, der die gebotene begleitende Unterstützung des Falles nicht vorgenommen und den Wurf zu rasch oder zu schwungvoll durchgeführt hat. Ein Mitverschulden der Klägerin, die auf Grund des für sie zu schnellen oder zu starken Wurfes nicht mehr in der Lage war, das Bremsbein rechtzeitig einzusetzen, scheidet hier aus.

Die Passivlegitimation der beklagten Partei wurde im Berufungsverfahren nicht mehr bekämpft. Manfred D*****, der sich im Randori als Trainingspartner zur Verfügung gestellt hatte, ist nach den Feststellungen als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei anzusehen. Die Beklagte hatte sich nämlich vertraglich verpflichtet, auch das Training der Klägerin durchzuführen. Mangels eines vorhandenen Trainingspartners hat sich Manfred D***** (mit Wissen und Billigung des damaligen Trainingsleiters) zur Verfügung gestellt. Schon aus dem Umstand, dass es sich bei Manfred D***** nicht um einen gleichaltrigen Trainingspartner mit gleichem Ausbildungsstand handelte, sondern um einen weitaus erfahrenen und weit älteren Trainingspartner handelte, der im Verein auch als Trainingsleiter tätig war, ist zu schließen, dass er mit Billigung des tatsächlichen Trainingsleiters auch im Randori mit der Klägerin als solcher tätig war. Das Fehlverhalten des Manfred D***** ist daher dem beklagten Verein zuzurechnen, der für den von der Klägerin erlittenen Schaden einzustehen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

 

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