OGH 9ObA12/04m

OGH9ObA12/04m15.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei T*****Autohaus GmbH Nfg. KG, ***** vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Fritz-Peter K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 97.790,08 sA (Klage) und EUR 188.182,53 sA (Widerklage), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juni 2003, GZ 7 Ra 340/02z-47, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28. August 2002, GZ 25 Cga 88/99i, 25 Cga 123/99m-35, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss:

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.789,92 (darin EUR 298,32 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.296,80 (darin EUR 382,80 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 10. 4. 1939 geborene Beklagte und Widerkläger (im folgenden nur als "Beklagter" bezeichnet) war seit Jänner 1972 in verschiedenen Gesellschaften der T*****-Gruppe, zuletzt bei der klagenden und widerbeklagten KG angestellt. Zuletzt übte er bei der klagenden und widerbeklagten Partei (in der Folge "klagende Partei" genannt) die Funktion eines Abteilungsleiters für den Verkauf an Diplomaten und internationale Kunden aus. Das Dienstverhältnis endete am 10. 3. 1999 durch Entlassung. Neben einem Fixgehalt hatte der Beklagte auch Anspruch auf Provisionen. Gemäß Punkt 13 lit b des Dienstvertrages sollte die Auszahlung der Provisionen "nach Auslieferung des jeweiligen Fahrzeuges" erfolgen. Weiters ist im Punkt 8 des Dienstvertrages folgendes festgehalten: "Offene Ansprüche aus dem gegenständlichen Dienstverhältnis müssen - mit Ausnahme allfälliger Ansprüche auf Bezahlung von Überstunden - bei sonstigem Verfall binnen 3 Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleiben die generell maßgeblichen Verjährungs- bzw Verfallsfristen gewahrt."

Über eine "S***** GmbH" mit Sitz in Österreich war es während der 90er-Jahre zu laufenden Exportgeschäften nach Russland gekommen. Mitte der 90er-Jahre teilte ein Gesellschafter dieser GmbH dem Beklagten mit, dass er auch an der slowakischen Handelsgesellschaft "S*****" beteiligt sei und über dieses Unternehmen Exporte in die Slowakei erfolgen könnten. In der Folge wurden ca 25 Fahrzeuge pro Jahr von der klagenden Partei an die "S*****" geliefert. Da das slowakische Unternehmen interessiert war, auch Ausstellungsfahrzeuge vor Ort bereit zu halten, befanden sich immer einige Fahrzeuge in der Slowakei, wobei diese teilweise mittels "Carnet ATA", das heißt vorübergehend unverzollt, angeliefert worden waren und Warenverkehrsbescheinigungen sowie Datenblätter des Herstellers bis zu einem allfälligen Verkauf von der klagenden Partei zurückbehalten wurden. Andererseits wurden Fahrzeuge - insbesondere im Jahr 1998 - auch in ein slowakisches Zollfreilager geliefert, doch kam es nie zu einem schriftlichen Vertragsschluss mit dem Betreiber des Zollfreilagers. Auch gab es weder Versicherungen noch Bankgarantien für die in die Slowakei ausgelieferten Fahrzeuge. Verhandlungen des Beklagten mit einer slowakischen Bank zwecks Abgabe einer solchen Bankgarantie scheiterten an der mangelnden Beistellung von Sicherheiten durch die "S*****". Wurden Fahrzeuge nach bestimmten Sonderwünschen der Endabnehmer in der Slowakei bestellt, wurden diese Fahrzeuge zunächst im Wiener Zollfreilager untergebracht und nach Eingang des Kaufpreises an die "S*****" als Endverkäufer ausgeliefert. Im Jahre 1998 wurden Fahrzeuge nicht nur zu Ausstellungszwecken, sondern auch zwecks Besichtigung durch Drittfinanzierer vor der Bezahlung in die Slowakei ausgeliefert, ohne dass der Beklagte hier besondere Sicherheiten eingefordert hätte. Für all diese Geschäftskontakte mit der Slowakei war der Beklagte als Abteilungsleiter für internationale Kunden zuständig. Außerhalb der "Carnet ATA"- Fahrzeuge befanden sich im Durchschnitt ein bis zwei ungesicherte Fahrzeuge bei der "S*****". Im Frühjahr 1998 kam eine Reihe von Fahrzeugen, welche über die "S*****" nach Russland geliefert worden waren, abhanden, die Kaufpreise blieben unberichtigt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrungen erging im Spätherbst die Weisung eines Geschäftsführers an den Beklagten, Fahrzeuge nur mehr gegen vorherige Bezahlung auszuliefern. Am 16. Dezember 1998 erteilte ein Geschäftsführer der klagenden Partei dem Beklagten überdies den Auftrag, alle Fahrzeuge aus Bratislava, dem Sitz der "S*****", zurückholen zu lassen.

Bereits im Oktober 1998 hatte der Geschäftsführer der "S*****" vier nach speziellen Kundenwünschen auszustattende Fahrzeuge der Marke S***** beim Beklagten als zuständigem Verkäufer der klagenden Partei bestellt. Diese Fahrzeuge wurden vom Herstellerwerk erst in der zweiten Dezemberhälfte 1998 in das Zollfreilager nach Wien angeliefert. Am 18. 12. 1998 teilte der Beklagte dem Geschäftsführer der "S*****" mit, dass Käufe - offiziell - nur noch an die Endabnehmer erfolgen dürften, weil Schwierigkeiten mit einem vom Herstellerwerk autorisierten Importeur in der Slowakei entstanden waren. Der Geschäftsführer der "S*****" antwortete dem Beklagten, dass er die für die Identifizierung und Ausfüllung der Papiere erforderlichen Pässe der Kunden nicht so schnell beischaffen könne, weshalb man sich darauf einigte, Pässe von Angestellten der "S*****" zu übermitteln, was in der Folge auch geschah, sodass in den Unterlagen der klagenden Partei, deren Geschäftsführer von dieser Vorgangsweise nicht informiert war, vier Käufer aufschienen, welche eindeutig nicht Vertragspartner werden sollten. Der Beklagte urgierte in der Folge die Überweisungsbelege für den Kaufpreis der auszuliefernden Fahrzeuge. Trotzdem eine Überweisung noch nicht nachgewiesen war, veranlasste der Beklagte über Ersuchen des Geschäftsführers der "S*****" die Verbringung der vier Fahrzeuge zur Grenzkontrollstelle Berg, wo sie zunächst auf österreichischer Seite abgestellt blieben. Um 17 Uhr kam der Geschäftsführer der "S*****" dorthin und präsentierte dem Beklagten Überweisungsaufträge an die T*****-Bank, nicht jedoch Bestätigungen der Bank, dass diese Aufträge tatsächlich durchgeführt worden seien. Der Geschäftsführer der "S*****" verwies auf die bisher guten Geschäftsbeziehungen und sagte die Übermittlung der Bankbestätigungen für den nächsten Tag zu. Infolge der fortgeschrittenen Tageszeit war eine Rückfrage bei der angeblich angewiesenen Bank nicht mehr möglich. Schließlich entschloss sich der Beklagte, welcher keine gravierenden Befürchtungen hegte, die vier Fahrzeuge über die Grenze bringen zu lassen, die Kopien der Überweisungsaufträge nahm er mit nach Wien. Noch am selben Tag teilte der Beklagte einem Geschäftsführer der klagenden Partei mit, dass er vier Fahrzeuge in die Slowakei liefern habe können und wies die vier Überweisungskopien vor. Am nächsten Tag erfuhr der Beklagte durch eine Anruf bei der angeblich angewiesenen Bank, dass eine Überweisung nicht erfolgt sei. Man vertröstete den Beklagten auf die Zeit nach Weihnachten. In der Folge begab sich der Beklagte mehrmals in die Slowakei, um den Rücktransport der anderen nicht verkauften Fahrzeuge zu bewerkstelligen, konnte diese Fahrzeuge jedoch nicht vorfinden. Der Geschäftsführer der "S*****" vertröstete den Beklagten und nahm zu immer neuen Ausreden Zuflucht. Ein in der Folge vom Beklagten mit der Rückholung beauftragtes Unternehmen musste den Transporter ohne Ergebnis aus der Slowakei zurückbeordern. Urgenzen eines Geschäftsführers der klagenden Partei beantwortete der Beklagte mit dem Hinweis, dass sich dieser keine Sorgen machen solle, er habe "das Ganze im Griff". Nachdem der Beklagte bis Anfang März 1999 vom Geschäftsführer der "S*****" hingehalten worden war, drohte er diesem am 8. März 1999 mit einer Anzeige. Dessen Reaktion waren weitere Vertröstungen. Am 9. 3. 1999 erteilte der für Verkaufsgeschäfte unmittelbar zuständige Geschäftsführer über seine Sekretärin dem Beklagten den Auftrag, eine Liste über die in der Slowakei befindlichen Fahrzeuge zu erstellen. Diese nach Anweisungen des Beklagten von seiner Sekretärin angefertigte Liste, welche in der Folge dem Geschäftsführer übermittelt wurde, war jedoch einerseits unvollständig, indem sie nicht alle gelieferten und nicht bezahlten Fahrzeuge aufwies, andererseits enthielt sie irreführende Vermerke wie die Bezeichnung eines Käufers, welcher aber nur zum Schein als solcher vermerkt war. Am 10. 3. 1999 räumte die Sekretärin des Beklagten gegenüber einem Geschäftsführer ein, dass sie die Liste nach Anweisungen des Beklagten unvollständig gelassen hatte, weil sie Angst um ihre berufliche Existenz gehabt habe. Noch am selben Tag wurde der Beklagte entlassen.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von ATS 1,345.629,90 (= EUR 97.790,08) sA aus dem Titel des Schadenersatzes für die vier unwiederbringlich verloren gegangenen Fahrzeuge (Einstandskosten zuzüglich Händlerspanne). Der Beklagte habe entgegen ausdrücklichen Weisungen gehandelt und so der klagenden Partei vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

Dies bestritt der Beklagte und wendete ein, dass ihm nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, weil die Auslieferung den bisherigen Usancen, wovon auch die Geschäftsführung informiert gewesen sei, entsprochen habe.

Er brachte seinerseits am 23. Juni 1999 eine Widerklage ein, in welcher er den Zuspruch von Kündigungsentschädigung, fälliger Abfertigung, Urlaubsentschädigung und Provisionszahlungen für die Zeit von Dezember 1997 bis einschließlich April 1998 begehrte. Am 24. 9. 1999 dehnte der Beklagte sein Widerklagebegehren auch um die Provisionszahlungen für die Monate Mai 1998 bis März 1999 aus. Zuletzt (mit Ausdehnung vom 21. 4. 1999) begehrte er den Zuspruch an beendigungsabhängigen Ansprüchen und Provisionen in Höhe von ATS 2,589.448 (= EUR 188.182,53) sA. Die Entlassung sei unberechtigt erfolgt bzw verspätet ausgesprochen worden.

Die klagende Partei bestritt das Widerklagebegehren und wendete ein, dass das Verhalten des Beklagten, sowohl was die weisungswidrige Auslieferung der Fahrzeuge als auch die Verschleierungsversuche gegenüber der Geschäftsführung anlange, den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit erfülle. Unter gleichzeitiger Vorlage des Dienstvertrages (AS 87/I) brachte die klagende Partei vor, dass gemäß Punkt 8 des Dienstvertrages der Verfall von Ansprüchen des Beklagten eingetreten sei.

Das Erstgericht erachtete das Klagebegehren mit EUR 28.359,13 sA, das Widerklagebegehren mit EUR 118.203,87 brutto sA als zurecht bestehend und erkannte die klagende Partei für schuldig, dem Beklagten EUR 118.203,87 brutto abzüglich EUR 28.359,13 sA zu zahlen. Das Klagemehrbegehren von EUR 69.430,95 sA wies es ebenso ab wie das Widerklagemehrbegehren von EUR 69.978,66 sA.

Zum Klagebegehren vertrat es die Rechtsauffassung, dass das Verhalten des Beklagten als minderer Grad des Versehens (= leichte Fahrlässigkeit) zu beurteilen sei. Unter Berücksichtigung der sonstigen Mäßigungskriterien sei daher gemäß § 2 DHG eine Mäßigung auf 1/3 des Schadensbetrages vorzunehmen, wobei bei der Schadensberechnung entgangener Gewinn außer Betracht zu bleiben habe. Zum Widerklagebegehren vertrat es die Rechtsauffassung, dass das Verhalten des Beklagten keinen Entlassungsgrund dargestellt habe und die Entlassung überdies verspätet ausgesprochen worden sei. Der Beklagte habe daher grundsätzlich Anspruch auf die beendigungsabhängigen Ansprüche wie bei einer Kündigung. Was die Provisionen anlange, habe der Beklagte keinen Anspruch auf die Zahlung aus notleidenden Geschäften, das heißt solche, bei denen Kaufpreiszahlungen nicht erfolgt seien. Demgemäß mindere sich auch die Bemessungsgrundlage für Abfertigung sowie Kündigungs- und Urlaubsentschädigung. Auf den Verfallseinwand ging das Erstgericht nicht ein und traf hinzu auch keine Feststellungen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise, hingegen derjenigen des Beklagten nicht Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es die Forderung der klagenden und widerbeklagten Partei mit EUR 48.895,04 netto sA als zu Recht bestehend, die Widerklageforderung von EUR 188.182,53 sA brutto als nicht zurecht bestehend und daher den Beklagten für schuldig erachtete, der klagenden Partei EUR 48.895,04 sA zu zahlen. Das Klagemehrbegehren von EUR 48.895,04 sA sowie das Widerklagebegehren wies es ab.

Zur Klageforderung vertrat es die Rechtsauffassung, dass der Beklagte bei der Auslieferung von den vier Fahrzeugen ohne Besicherung zwar nicht vorsätzlich, jedoch grob fahrlässig gehandelt habe. Insbesondere habe er den Schadenseintritt nicht vorhergesehen. Gemäß § 2 DHG sei daher der Schadensbetrag (einschließlich entgangenen Gewinns) zur Hälfte zu ersetzen.

Zum Widerklagebegehren vertrat es die Rechtsauffassung, dass die Entlassung nicht zuletzt im Hinblick auf die Verschleierungshandlungen des Beklagten - nach seinem ursprünglichen Fehlverhalten - gemäß § 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand, berechtigt sei. Sie sei auch nicht verspätet, weil der Geschäftsführung der klagenden Partei die näheren Umstände, insbesondere der Verschleierungshandlungen, erst unmittelbar vor der Entlassung zur Kenntnis gelangt seien.

Hinsichtlich des Provisionsanspruches vertrat es wie das Erstgericht die Auffassung, dass ein solcher nicht zustehe, weil kein Kaufpreis bezahlt worden sei. Überdies seien die Ansprüche mangels rechtzeitiger formgerechter Geltendmachung verfallen. Das erst mit einem auf die Berufungsbeantwortung folgenden Schriftsatz erstattete Vorbringen, dass eine schriftliche Geltendmachung schon früher erfolgt sei, wurde als unzulässige Neuerung nicht zugelassen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Einerseits, weil es sowohl hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Entlassung als auch hinsichtlich des Vorliegens von Entlassungsgründen zu einer anderen Beurteilung als das Erstgericht gekommen sei; anderseits, weil zur Frage, ob es sich bei dem Vorbringen zum Verfall der Provisionsansprüche um eine unzulässige Neuerung iSd § 482 ZPO handle, eine Klärung durch den Obersten Gerichtshof angezeigt sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien;

Diejenige der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage zur Gänze stattgegeben werde;

diejenige des Beklagten aus dem Grunde der Nichtigkeit des Verfahrens mit einem Aufhebungsantrag, in eventu aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen und dem Widerklagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren hinsichtlich eines weiteren Betrages von EUR 40.387,30 abgewiesen und dem Widerklagebegehren zur Gänze stattgegeben werde, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.

Die Parteien beantragen wechselweise, das jeweils gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen bzw diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind entgegen dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts, an welchen der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), unzulässig.

Zunächst begründet der Umstand, dass das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung von derjenigen des Erstgerichtes abgewichen ist, für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage. Bei der Beantwortung der Frage eines Verstoßes gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO folgt das Berufungsgericht wiederum der einhelligen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0041992).

Zur Revision der klagenden Partei:

Für vorsätzliches Handeln des Beklagten hätte weisungswidriges Handeln allein nicht ausgereicht, vielmehr hätte sich ein (zumindest bedingter) Vorsatz auch auf den Schadenseintritt beziehen müssen. Letzteres ist aber nach den Feststellungen auszuschließen. Die Mäßigung des Ersatzanspruches nach § 2 DHG scheidet nicht allein aufgrund eines Verstoßes des Schädigers gegen eine ausdrückliche Weisung aus. Ob und wie weit der Ersatzanspruch zu mäßigen ist, ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0111013). Der Umfang der durch das Berufungsgericht vorgenommenen Mäßigung ist vertretbar und daher nicht revisibel.

Zur Revision des Beklagten:

Zur angeblichen Nichtigkeit:

Abgesehen davon, dass ein Verstoß gegen § 405 ZPO nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0041240) keinen Nichtigkeitsgrund, sondern nur eine Mangelhaftigkeit darstellt, liegt auch eine solche nicht vor. Die klagende Partei begehrte mit ihrer Berufung, ihr den gesamten, in erster Instanz geltend gemachten Klagebetrag zuzusprechen. Von der Anerkennung eines um entgangenen Gewinn reduzierten Schadensbetrages kann daher nicht die Rede sei. Urteilszuspruch und Begründung stehen miteinander auch nicht im Widerspruch, sodass eine darauf gegründete Nichtigkeit ebenfalls nicht gegeben ist.

Soweit der Beklagte in der Nichtbeiziehung von fachkundigen Laienrichtern aus der KFZ-Handelsbranche eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens abzuleiten versucht, übersieht er, dass Verstöße gegen § 12 Abs 2 ASGG gemäß § 37 Abs 2 ASGG sanktionslos sind.

Zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

Zum Verfall der Provisionsansprüche:

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Ob das bisher erstatte Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0042828). Soweit das Berufungsgericht das diesbezügliche Vorbringen der klagenden Partei (S 2 in ON 15) für ausreichend erachtet hat, ist diese Auffassung jedenfalls vertretbar. Der Rüge des Beklagten, dass zu Unrecht auf seinen Einwand nicht eingegangen worden sei, er habe seine Provisionsansprüche schon vor Klagseinbringung geltend gemacht, ist entgegenzuhalten: Das Berufungsgericht hat zwar nicht nur eine Beweiswiederholung aufgrund einer Beweisrüge durchgeführt, sondern erstmalig Feststellungen zur Vereinbarung eines Verfalls von Ansprüchen getroffen, nachdem es durch erstmalige Befragung von Zeugen und Parteien das Verfahren um dieses Beweisthema ergänzt hat. Selbst auf ein iSd § 482 Abs 2 ZPO zulässiges Neuvorbringen kann aber nur dann Rücksicht genommen werden, wenn es in der Berufungsschrift bzw Berufungsbeantwortung enthalten ist. Dies gilt auch für den Fall der Beweiswiederholung; lediglich für den Fall der Beweisergänzung können jene Beweisanträge, deren Notwendigkeit sich erst aufgrund der Beweisergänzung ergibt, ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbots zugelassen werden (RIS-Justiz RS0041992). Im vorliegenden Fall hatte die klagende Partei in ihrer Berufung das Fehlen entsprechender Feststellungen gerügt. Der Beklagte berief sich in seiner Berufungsbeantwortung (ON 39) wohl auf wiederholte mündliche Einmahnungen und ein angebliches Anerkenntnis durch den Geschäftsführer, nicht jedoch auf eine schriftliche Geltendmachung entsprechend Punkt 8 des Dienstvertrages. Dies erfolgte erst mit einem nach der Berufungsbeantwortung eingebrachten weiteren Schriftsatz (ON 41). Die Notwendigkeit dieses ergänzenden Vorbringens ergab sich daher nicht erst durch die Vornahme der Beweisergänzung, sodass das spätere Vorbringen, wie vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt, gegen das Neuerungsverbot verstieß. Die Abgabe eines Anerkenntnisses durch die beklagte Partei konnte vom Berufungsgericht ausdrücklich nicht festgestellt werden (S 65 in ON 47).

Zum angeblichen Verstoß gegen § 405 ZPO kann auf die Ausführung zur

gerügten Nichtigkeit verwiesen werden.

Zur angeblichen Aktenwidrigkeit:

Eine solche ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und irgendeinem vorhandenen Beweismittel besteht (RIS-Justiz RS0043324). Im Übrigen erschöpfen sich die Ausführungen zur angeblichen Aktenwidrigkeit in einer unzulässigen Tatsachenrüge.

Zur Rechtsrüge:

Mit dem angeblichen sekundären Feststellungsmängel macht der Beklagte nur unzulässige Tatsachenrügen oder Neuerungen geltend.

Zum Verfall: Nach der Rechtsprechung sind auch einzelvertragliche Verfallsklauseln zulässig, sofern sie nicht gegen die guten Sitten verstoßen, was dann nicht der Fall ist, wenn sie die Geltendmachung der Ansprüche nicht unbillig erschweren (RIS-Justiz RS0034517 [T9, T11]). So wurden einzelvertraglich vereinbarte dreimonatige Fallfristen für die Geltendmachung von Provisionsansprüchen als nicht sittenwidrig beurteilt (RIS-Justiz RS0016688 [T1, T20]). Der Einwand des Beklagten, der wirksamen vertraglichen Vereinbarung sei die günstigere Verfallsbestimmung des Art XX lit A des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten entgegenstanden, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil diese Bestimmung erst mit 1. 1. 2001 in Kraft trat. Der Vorgängerkollektivvertrag wies indes - mit Ausnahme für Überstunden - überhaupt keine Verfallsbestimmung auf. Hinweise auf die angeblich noch nicht eingetretene Fälligkeit von Provisionsansprüchen sind nicht nachvollziehbar, zumal der Beklagte selbst davon ausgeht, dass die Fälligkeit spätestens mit der Auslieferung der Fahrzeuge eingetreten sei.

Zur Entlassung:

Das Berufungsgericht verweist zutreffend auf die Rechtsprechung, nach der an Angestellte in leitender Stellung strengere Anforderungen zu stellen sind (s Kuderna, Entlassungsrecht² 86 Anm 5 mwN). Gerade die andauernden Verschleierungsversuche des Beklagten, auf welche die klagende Partei die Entlassung auch gestützt hat, machen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes jedenfalls vertretbar. Vertretbar ist auch die Verneinung einer Verspätung, zumal diese Verschleierungsversuche bis zuletzt angedauert haben.

Zur Schadenersatzforderung der klagenden Partei:

Gemäß § 1331 ABGB ist bei grob fahrlässiger Zufügung eines Schaden auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Die Auffassung des Beklagten, dass im Schutzbereich des DHG entgangener Gewinn nur bei vorsätzlicher Begehung begehrt werden könne, findet im § 2 DHG keine Deckung. Auch die zitierte Literaturstelle (Dirschmied DHG, 122) stützt diese Auffassung nicht.

Zur Beurteilung des Verschuldensgrades als grob fahrlässig und der angewendeten Mäßigungskriterien kann auf die Ausführungen zur Revision der klagenden Partei verwiesen werden.

Zusammenfassend vermögen daher weder die klagende Partei noch der Beklagte eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Der Kostenzuspruch für die Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Diese Schriftsätze dienten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil darin auf die Unzulässigkeit der jeweils gegnerischen Revision hingewiesen wurde.

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