OGH 10ObS136/04d

OGH10ObS136/04d14.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Siegbert F*****, Pensionist, *****, vertreten durch Hoffmann-Ostenhof Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, 8010 Graz, Hofgasse 15, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Juni 2004, GZ 7 Rs 44/04a-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die vom Revisionswerber angestrebte diagnosebezogene Mindesteinstufung in die Pflegegeldstufe 5 ist nach § 4a Abs 1 und 3 StPGG, dass der Pflegegeldwerber aufgrund einer Querschnittlähmung, einer beidseitigen Beinamputation, einer Muskeldystrophie, einer Encephalitis disseminata oder einer Cerebralparese zur eigenständigen Lebensführung überwiegend auf den selbständigen Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist und bei ihm ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten vorliegt. Eine analoge Anwendung dieser in § 4a StPGG normierten diagnosebezogenen Einstufung kommt nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn der Kläger eine der in dieser Gesetzesstelle ausdrücklich angeführten Diagnosen ihrem Inhalt nach vergleichbare und in ihren Auswirkungen gleichzusetzende Diagnose aufweist (SSV-NF 16/83 mwN ua). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist die beim Kläger als Folge einer Stammganglienblutung links bestehende Hemiparese rechts (= Halbseitenlähmung) den in § 4a Abs 1 StPGG aufgezählten Diagnosen (insbesondere einer Querschnittlähmung - laut Pschreymbel 256. Aufl eine vollständige oder teilweise Schädigung des Rückenmarks durch Luxationsfraktur der Wirbelsäule, Wirbelkörperfrakturen ua) nicht gänzlich gleichzusetzen. Es war nämlich eine Zielsetzung der Novellierung der Bestimmungen über die diagnosebezogene Einstufung (§ 4a BPGG; § 4a StPGG) durch die Aufzählung der genannten medizinischen Diagnosen Ausfallserscheinungen nach Schlaganfällen oder Gehirnblutungen aus dem Kreis der für eine diagnosebezogene Einstufung in Betracht kommenden Leidenszustände auszuschließen.

Darüber hinaus ist nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichtes ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen ein selbständiger Transfer in und aus dem Rollstuhl nicht mehr möglich ist. Diese Anspruchsvoraussetzung kann daher, wie der Senat ebenfalls bereits wiederholt dargelegt hat, auch dann angenommen werden, wenn zwar nur ein Arm - wie es beim Kläger zufolge seiner Halbseitenlähmung der Fall ist - praktisch gebrauchsunfähig ist und dem Betroffenen der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl nicht mehr möglich ist. Ist jedoch die betroffene Person - wie im vorliegenden Fall der Kläger - trotz des deutlichen Ausfalls von Funktionen einer oberen Extremität noch in der Lage, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, ist also mit anderen Worten der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl noch möglich, dann sind die Voraussetzungen nach § 8 Z 3 EinstV (alt) bzw § 4a Abs 3 BPGG (neu) nicht erfüllt (10 ObS 103/03z; 10 ObS 356/02d; 10 ObS 111/01y; SSV-NF 11/54; 11/103; 10 ObS 416/97t jeweils mwN ua; RIS-Justiz RS0106390 [T5 und T6]; RS0107432 [T1, T2 und T3]).

Soweit der Kläger gegenüber der von den Vorinstanzen vorgenommenen funktionsbezogenen Einstufung geltend macht, für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn sei ein höherer Zeitwert als 15 Stunden monatlich zu veranschlagen, weil er auch bei der Fortbewegung außer Haus fremder Hilfe bedürfe, ist darauf hinzuweisen, dass für diesen Pflegebedarf ohnedies ein Zeitaufwand von 10 Stunden monatlich für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn berücksichtigt wurde. Bei der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn und bei der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände handelt es sich um Hilfsverrichtungen, für die jeweils ein - auf einen Monat bezogener - fixer Zeitwert von 10 Stunden anzunehmen ist (§ 2 EinstV zum StPGG). Schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung ein bereits in der Berufung geltend gemachter angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz, den das Berufungsgericht verneint hat (hier: Unterlassung der Einvernahme der den Kläger betreuenden Person als Zeuge und der Einholung weiterer Sachverständigengutachten), im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 11/15; 7/74 uva).

Da der Revisionswerber somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen konnte, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch trotz Zurückweisung des Rechtsmittels liegen mangels tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten des Falles nicht vor (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte