OGH 7Ob170/04g

OGH7Ob170/04g8.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sabrina S*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Abteilung Jugendwohlfahrt, 5021 Salzburg, wegen Unterhaltsherabsetzung über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 31. März 2004, GZ 21 R 127/04d-48, womit infolge Rekurses des Kindes der Beschluss des Bezirksgerichtes Thalgau vom 24. Februar 2004, GZ 3 P 15/03w-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nach der Scheidung der Eltern gemäß § 55a EheG und pflegschaftsgerichtlich genehmigter Vereinbarung der Eltern oblag die Obsorge über die am 8. 1. 1987 geborene mj. Tochter Sabrina Maria zunächst der Kindesmutter, wurde jedoch (im Einvernehmen der Eltern nach Schulwechsel des Kindes) auf den Vater übertragen, in dessen Haushalt das Kind auch seither lebt (ON 9). Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 29. 4. 2003 (bestätigt mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 30. 7. 2003, 21 R 204/03a-33) wurde die als Stationsgehilfin tätige Mutter rechtskräftig zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeträgen in Höhe von EUR 298 vom 1. 8. bis 30. 11. 2002, EUR 123 vom 1. 12. bis 31. 1. 2003 sowie EUR 280 ab 1. 2. 2003 verpflichtet.

Nachdem die Mutter mit mehreren Eingaben an das Erstgericht (ON 34, 36 bis 37) mitgeteilt hatte, am 24. 8. 2003 ein weiteres Kind geboren zu haben und zufolge Bezuges bloß eines nicht als Einkommen geltenden Kinderbetreuungsgeldes nicht in der Lage zu sein, den monatlichen Unterhalt von EUR 280 (sowie den bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstand) weiterhin zu bezahlen - welche Mitteilungen schließlich dahingehend (nach Rechtsbelehrung und Protokollierung) präzisiert wurden, dass sie den "Antrag auf Unterhaltsbefreiung mit Wirkung vom 1. 11. 2003" stellte (ON 42), wogegen sich jedoch der Jugendwohlfahrtsträger in Vertretung des Kindes aussprach (ON 43) -, erfolgte zunächst die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in titelmäßiger Höhe von monatlich EUR 280 vom 1. 12. 2003 bis 31. 1. 2006 (ON 39 idF des Berichtigungsbeschlusses ON 40).

Mit (weiterem) Beschluss des Erstgerichtes vom 24. 2. 2004 wurde die Unterhaltsverpflichtung der Mutter beginnend mit 1. 11. 2003 auf monatlich EUR 94 herabgesetzt und gleichzeitig das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf gänzliche Unterhaltsaufhebung abgewiesen. Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass die Genannte seit 31. 10. 2003 ein Kinderbetreuungsgeld der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (oöGKK) in Höhe von täglich EUR 14,53 (monatlich durchschnittlich sohin EUR 443,16 = Unterhaltsbemessungsgrundlage) zuzüglich eines Zuschusses von täglich EUR 6,06 bezieht. Neben den beiden Kindern (aus der ersten Ehe bzw der neuen Lebensgemeinschaft) hat sie keine weiteren Sorgepflichten. Unter Berücksichtigung eines altersadäquaten Prozentwertes von 22 % minus 1 % für das weitere Kind ergebe sich für Sabrina ein (gerundeter) Unterhaltsbetrag von EUR 94. Das Kinderbetreuungsgeld sei hiebei, auch wenn es nicht aus einer Erwerbstätigkeit der Mutter stamme, für die Unterhaltsbemessung heranzuziehen. Der Regelbedarf betrage EUR 348; der Mutter verblieben nach Abzug der Unterhaltspflicht EUR 533,99 (EUR 443,16 = Kinderbetreuungsgeld plus EUR 184,83 = Zuschuss abzüglich EUR 94 = neuer Unterhalt).

Dem Rekurs des Kindes, der unter Einbeziehung auch des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld in die Unterhaltsbemessungsgrundlage eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung bloß auf EUR 132 monatlich ab 1. 11. 2003 anstrebte, gab das Rekursgericht keine Folge und sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das am 1. 1. 2002 anstelle des bisher gewährten Karenzgeldes eingeführte Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) BGBl I 2001/103 sei als allgemeine Familienleistung zu qualifizieren, die alle Mütter und Väter für in ihrem Haushalt betreute Kinder beanspruchen könnten und welche Leistung der Gesetzgeber von einer Erwerbstätigkeit des Bezugsberechtigten vor der Geburt des Kindes abgekoppelt habe. Es sei daher (so wie das frühere Karenzgeld) als Einkommen des Unterhaltsschulderns zu behandeln. Der nach § 9 leg cit zusätzlich gewährte Zuschuss für alleinstehende Elternteile sowie verheiratete oder in Lebensgemeinschaft lebende Eltern gebühre, sofern das jährliche Einkommen des anderen Teiles eine bestimmte Grenze nicht übersteige, wobei dieser Zuschuss im übersteigenden Falle auch vom Abgabepflichtigen (= Vater des zweiten Kindes der Unterhaltsschuldnerin) zurückgezahlt werden müsse. Dies zwinge zum rechtlichen Schluss, dass der zum Kinderbetreuungsgeld gewährte Zuschuss unterhaltsrechtlich wie ein Kinderzuschuss im Sinne des § 262 ASVG zu behandeln sei, der jedoch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dann in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, wenn die Zahlung für das Kind gewährt werde, dessen Unterhalt zu bemessen sei. Der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld stelle eine öffentlich-rechtliche Leistung dar, deren Zweckbestimmung in einer finanziellen Hilfe zur Erfüllung von Unterhaltspflichten für das bei der Kindesmutter lebende (jüngere) Kind liegt. Aufgrund dieser Zweckwidmung sei im Ergebnis mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (für die ältere Tochter) einzubeziehen und die Leistungsfähigkeit der Mutter sohin unter Ausklammerung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld zu bestimmen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil - soweit überblickbar - zur Frage der unterhaltsrechtlichen Behandlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld, die über die konkrete Fallgestaltung an Bedeutung hinausweise, eine (veröffentlichte) Rechtsprechung des Höchstgerichtes noch fehle und daher zwecks Abklärung dieser für eine Vielzahl von Fällen bedeutsamen Frage der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zu eröffnen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der (auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte) Revisionsrekurs des Kindes, wiederum vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, mit dem Antrag (wie schon im Rekursverfahren) auf Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung der Mutter beginnend mit 1. 11. 2003 auf einen Betrag von lediglich monatlich EUR 132.

Die Mutter hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit eines Äußerungsschriftsatzes zum gegnerischen Rechtsmittel nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Inhaltlich heißt es hierin - freilich ohne nähere rechtliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Rekursgerichtes - bloß, dass sich die Revisionsrekurswerberin der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes "nicht anschließen" könne und daher der Ansicht sei, dass auch der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld unterhaltsrechtlich in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Diesen Ausführungen kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Es entspricht schon längst der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind und die in einer solchen Leistung liegende Zweckbestimmung allein demgemäß noch nicht zum Ausscheiden aus derselben führt (RIS-Justiz RS0047456; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 118 mwN). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof inzwischen bereits mehrfach (7 Ob 167/02p = JBl 2003, 107 = ÖA 2003, 45; 7 Ob 174/02t; 1 Ob 157/03z) ausgesprochen, dass kein Anlass bestehe, den Bezug des vom Gesetzgeber durch das BGBl I 2001/103 (KBGG) als allgemeine Familienleistung (Grillberger, Österr Sozialrecht5 124: "Instrument der Familienpolitik"), die alle Mütter und Väter für die in ihrem Haushalt betreuten Kinder beanspruchen können, und abgekoppelt von einer Erwerbstätigkeit des Bezugsberechtigten vor der Geburt des Kindes eingeführten Kinderbetreuungsgeldes, welches an die Stelle des (in ständiger Rechtsprechung als für die Unterhaltsermittlung relevantes Einkommen der Mutter angesehenen) Karenzgeldes getreten ist, abweichend von diesem als nicht bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigendes Einkommen zu qualifizieren; dieser Bezug dürfe - ebenso wie das vormalige Karenzgeld - zu keiner Verkürzung der gesetzlichen Unterhaltspflichten des unterhaltsverpflichteten Elternteiles führen. Daran ist festzuhalten.

In allen diesen Entscheidungen war allerdings nicht die hier (allein) entscheidende Frage zu klären, ob auch der zusätzlich zum (eigentlichen) Kinderbetreuungsgeld gemäß §§ 9 ff KBGG gewährte Zuschuss - ebenso - in die Unterhaltsbemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Beziehers einzubeziehen ist oder nicht. Hiezu war Folgendes zu erwägen:

In den unter RIS-Justiz RS0111442 angeführten Entscheidungen 6 Ob 299/98h (ÖA 1999, 177) und 1 Ob 76/99d (RZ 2000/20 = ÖA 2000, 75) hat der Oberste Gerichtshof den Rechtssatz geprägt, dass die zu Alters- oder Invaliditätspensionen oder zu einer Versehrtenrente nach den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen gewährten Kinderzuschüsse (ebenfalls) eine öffentlich-rechtliche Leistung darstellen, deren Zweckbestimmung in einer finanziellen Hilfe zur Erfüllung von Unterhaltspflichten liegt, sodass diese - gleichfalls - als Einkommensbestandteile des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien. Dabei ist freilich an den speziell in 1 Ob 76/99d (unter Hinweis auf bereits frühere Judikate) ausdrücklich formulierten Gedanken anzuknüpfen, wonach es nur sachgerecht erscheinen könne, derartige Unterstützungszuschüsse bloß dann in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn die Zahlung für jenes Kind gewährt wird, dessen Unterhalt zu bemessen ist (zustimmend auch Gitschthaler, aaO Rz 125 Z 4) - was vorliegendenfalls jedoch gerade nicht zutrifft, wird doch das Kinderbetreuungsgeld samt zusätzlich gewährtem (und gemäß § 9 Abs 2 KBGG idF der Novelle BGBl I 2003/122 an den Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes gekoppeltem) Zuschuss nicht für die in der Obsorge des Vaters lebende Tochter der unterhaltspflichtigen Mutter, sondern deren nachgeborenes zweites Kind aus der späteren Verbindung gewährt. Diese Zielsetzung folgt schon aus dem Regelungsinhalt des § 2 Abs 1 KBGG einerseits (wonach anspruchsberechtigt nur jener Elternteil ist, der ua mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt; vgl hiezu auch Kaszanits, Sozialpolitik aktuell, ZAS 2001, 125; Hochegger, Kinderbetreuungsgeld, AnwBl 2002, 124 sowie Grillberger, aaO) sowie der §§ 9 ff KBGG (idgF) andererseits, wird doch hierin ausdrücklich (und ausschließlich) auf alleinstehende Erzieher oder Eltern Bezug genommen, deren finanzielle Einkommenssituation unterhalb der im Gesetz determinierten Freigrenzen liegt, die also besonders darauf angewiesen sind, um so bestimmte Härtefälle auszugleichen. Nur mit dieser rechtspolitischen Einschränkung ist daher auch die Aussage in der RV zum KBGG (248 BlgNR 22. GP 3) zu lesen, wonach "der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld dem Schicksal der Hauptleistung folgt", was auch im nächsten Satz samt darin genannten Ruhens- oder Verzichtsbeispielen erhärtet wird.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der Auffassung des Rekursgerichtes an, wonach aufgrund der hier ausschließlich für das bei der Mutter lebende (zweite) Kind gewährten und für dieses zweckgewidmeten öffentlich-rechtlichen (Zusatz-)Leistung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld dieser nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage zugunsten der nicht mit ihr im Haushalt lebenden mj. Sabrina einzubeziehen und die Leistungsfähigkeit der Mutter sohin unter Ausklammerung dieses Zuschusses zu bestimmen ist. Gegen die daraus erfolgte rechnerische Richtigkeit der nach der Prozentsatzmethode von den Vorinstanzen ermittelten geldwerten Unterhaltsreduzierung enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

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