OGH 6Nc21/04x

OGH6Nc21/04x25.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Christian F*****, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, Deutschland, wegen 5.000 EUR samt Anhang, infolge Anrufung des Obersten Gerichtshofs nach § 28 JN, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag des Klägers, ein zur Verhandlung und Entscheidung über seine Klage zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der in Österreich wohnhafte Kläger beabsichtigt, gegen die beklagte Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Deutschland, eine Klage auf Zahlung von 5.000 EUR samt Anhang einzubringen. Er und seine Frau hätten als Verbraucher eine von der Beklagten veranstaltete Mauritius-Reise gebucht und konsumiert. Der Kläger habe den Pauschalpreis bezahlt. Die Reise sei wegen von der Beklagten verschuldeter Mängel praktisch wertlos gewesen. Die Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen seien mti 5.000 EUR zu beziffern. Im Hinblick auf Art 14 Abs 1 EuGVÜ/LGVÜ sei die inländische Jurisdiktion gegeben. Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland habe, fehle es an einem örtlich zuständigen Gericht im Inland, sodass gemäß § 28 Abs 1 Z 1 JN ein solches zu bestimmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof nach § 28 JN setzt unter anderem voraus, dass die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (SZ 69/227; 9 Nd 503/00 ua). Diese Prämissen einer Ordination hat der Oberste Gerichtshof - in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 und 2 JN - von Amts wegen aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw aufgrund der Aktenlage zu überprüfen (6 Nc 10/03b mwN). Entgegen dem Standpunkt des Klägers sind im vorliegenden Fall weder das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 - idF des 4.

Beitrittsübereinkommens - (EuGVÜ) noch das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 1988 (LGVÜ) anzuwenden:

Am 1. 3. 2002 trat die Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in Kraft. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten (Art 76 EuGVVO). In dieser Verordnung bedeutet der Begriff "Mitgliedstaat" jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark (Art 1 Abs 3 EuGVVO). Die Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt (Art 1 Abs 1 EuGVVO). Die Vorschriften dieser Verordnung sind auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist (Art 66 Abs 1 EuGVVO). Die Verordnung tritt nach ihrem Art 68 Abs 1 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des EuGVÜ. Nach dem Inkrafttreten der EuGVVO ist das EuGVÜ demnach nur noch im Verhältnis zu Dänemark anzuwenden (Klauser, Europäisches Zivilprozessrecht VII; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 27). Das LGVÜ ist nur gegenüber Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anzuwenden, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind (Klauser aaO; Czernich/Tiefenthaler/Kodek aaO 25).

Der 4. Abschnitt der EuGVVO (Art 15 bis 17) enthält eine Sonderregelung der Zuständigkeit bei Verbrauchersachen, deren Anwendungsbereich Art 15 EuGVVO aber auf drei Typen von Verbrauchergeschäften einengt, von denen im vorliegenden Fall nur jener nach Art 15 Abs 1 lit c EUGVVO in Frage kommen könnte. Für alle anderen Verbrauchersachen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften der Art 2 ff bzw 23 der Verordnung (Czernich/Tiefenthaler/Kodek aaO Art 15 Rz 4). Unter den Voraussetzungen des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO unterliegen auch Pauschalreiseverträge gemäß Art 15 Abs 3 der Verordnung den Bestimmungen über Verbrauchersachen (vgl 9 Nc 110/02d). Nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit - unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Z 5 - nach dem 4. Abschnitt dieser Verordnung, wenn der andere Vertragspartner dieses Vertrages in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf andere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Liegt eine Verbrauchersache im Sinn des Art 15 EuGVVO vor, so kann nach Art 16 Abs 1 der Verordnung der Verbraucher die Klage gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen (Wohn-)Sitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Da diese Bestimmung auch die örtliche Zuständigkeit regelt, ist in derartigen Fällen eine Ordination nicht erforderlich (9 Nc 110/02d mwN; RIS-Justiz RS0106680, RS0108686; Klauser aaO 107).

Wenngleich nach den hier maßgeblichen Angaben des Klägers von einem Pauschalreisevertrag und dessen Privatbezogenheit auf Seite des Klägers auszugehen ist, so hat er die weiteren Voraussetzungen des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO nicht behauptet. Daraus folgt, dass hier die österreichische internationale Zuständigkeit nicht aus einem Verbrauchergeschäft im Sinn des Art 15 EuGVVO abgeleitet werden kann. Die Frage einer Verbesserungsfähigkeit des aufgezeigten inhaltlichen Mangels des Ordinationsantrags stellt sich nicht. Selbst wenn der Kläger nämlich die fehlende Behauptung aufstellte, käme eine Ordination nicht in Betracht, läge doch dann ein inländischer Gerichtsstand (Wohnsitz des Klägers) vor.

Unbeachtlich ist, ob der Kläger die österreichische internationale Zuständigkeit auch auf Art 5 EuGVVO stützen könnte, weil auch dort nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit geregelt wird (Czernich/Tiefenthaler/Kodek aaO Art 5 Rz 1), sodass gemäß § 28 Abs 1 JN eine Ordination ausscheidet.

Der Ordinationsantrag war daher als unbegründet abzuweisen.

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